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Westliche Unternehmenskultur - Stress, Schlafentzug und Burnout

Arianna Huffington hatte 2007 einen Zusammenbruch. In ihrem neuen Buch empfiehlt die Unternehmerin erschöpften Karrieristen, auch mal zur Ruhe zu kommen. Und sie selbst? Zelebriert das Multitasking

Autoreninfo

Bergmann, Lena

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Bevor sich die Blondine mit standhafter Föhnfrisur im New Yorker Büro der Huffington Post zum Skypen vor einem Bücherregal positioniert, stellt ein Assistent für sie die Verbindung her und prüft die Qualität von Ton und Bild. Dann richtet er die Kamera so aus, dass seine Chefin ideal eingerahmt wird. Der Hintergrund ist auf gemütlich gestylt: Bildbände, gerahmte Fotos und ein paar kleinere Gegenstände stehen im Regal – offensichtlich ist dies Huffingtons Skype-Ecke.

Erfolgsmensch par excellence


Die 64 Jahre alte Unternehmerin, Online-Pionierin, ehemalige Republikanerin, Mutter und Autorin hat genau eine halbe Stunde Zeit, um über ihr neues Buch zu sprechen, das im Herbst unter dem deutschen Titel „Die Neuerfindung des Erfolgs“ im Fischer-Verlag erschienen ist.

Huffington gilt in den USA als Erfolgsmensch par excellence. Die gebürtige Griechin ist im Alter von 18 Jahren nach England gezogen, wo sie ein Stipendium für ein Studium in Cambridge gewann. Sie arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern – zum Beispiel über Pablo Picasso und Maria Callas –, bevor sie in die USA ging und dort als politisch engagierte Ehefrau des republikanischen Senatskandidaten Michael Huffington Furore machte. Dieser outete sich als schwul, Arianna ließ sich scheiden und wurde Demokratin. 2003 kandidierte sie sogar gegen Schwarzenegger als Gouverneurin von Kalifornien.

2005 gründete sie die Online-Zeitung Huffington Post, eine Nachrichten- und Kommentarplattform, die von Anfang an umstritten war, da sie von Gastautoren lebt, die kein Honorar erhalten. Es entstanden internationale Ableger – der deutsche ging im vergangenen Jahr in Kooperation mit dem Burda-Verlag online, erzeugt aber weniger Geklapper als die amerikanische Plattform.

Umdenken nach dem Zusammenbruch


Im New Yorker Büro ragt nun von rechts ein Assistent ins Bild, um Huffington ein dampfendes Glas Tee zu reichen, von links beugt sich jemand rüber, um sich eine Unterschrift zu holen. Huffington unterschreibt murmelnd, ohne das Interview zu unterbrechen, obwohl sie Multitasking neuerdings verabscheut, wie sie in ihrem Buch schreibt.

Leider wirkt die Unternehmerin in diesem Moment wenig fokussiert. Sie beantwortet alle Fragen, mit denen sie gerechnet hat, kurz und druckreif, als würde sie per Teleprompter aus dem eigenen Buch zitieren. Fragen, mit denen sie eigentlich nicht gerechnet haben kann, beantwortet sie genauso perfekt, nur der erstaunlich starke griechische Akzent fällt etwas raus. Sie wirkt jünger als 64.

Ihr Buch richtet sich an Karrieristen, die denken, dass Überstunden, wenig Schlaf, Multitasking und ständige Erreichbarkeit, auch außerhalb des Büros, ein Erfolgsrezept seien. „Mein Zusammenbruch im Jahr 2007 hat mich zum Umdenken gezwungen“, sagt Huffington. Sie ist inzwischen zu einer Art öffentliche Schlafbotschafterin geworden. Sie sitzt sogar im Verwaltungsrat der Abteilung Schlafmedizin der Harvard Medical School, wie sie im Kapitel „Schlafen Sie sich nach oben“ bekennt. Sie haben Einschlafstörungen? Zählen Sie einfach von 300 in Dreierschritten herunter.

Wie viel permanenter Stress anrichten kann, wie sehr Gesundheit, Kreativität und selbst die Moral darunter leiden, das belegt Huffington mit einer Fülle an Forschungsergebnissen, die nicht nur die heilende Wirkung von Schlaf zelebrieren, sondern auch die Kraft von Meditation und Yoga oder den Vorteil des Gehens gegenüber dem Sitzen. „Um auch die letzten Skeptiker zu überzeugen“, wie sie sagt. Vielleicht auch, um nicht als New-Age-Tante abgestempelt zu werden.

Manifest einer Selbsthilfegruppe


„Unsere Unternehmenskultur basiert auf Stress, Schlafentzug und Burnout“. Huffingtons Rezept: „Jemand, der Macht und Geld hat, gilt als erfolgreich. Wir brauchen dringend eine dritte Maßeinheit, wenn wir Erfolg definieren, die etwas über die Gesundheit und die Zufriedenheit der Person aussagt.“ Diese Maßeinheit nennt sie „3rd Metric“.

Ihr Buch, das auch Bekenntnisse von Größen aus Wirtschaft, Politik und den Medien versammelt, liest sich teilweise wie das Manifest einer prominenten, erfolgreichen Selbsthilfegruppe, und das ist der interessante Teil. Wir erfahren, dass Bill Clinton die meisten Fehler wegen Übermüdung unterlaufen sind, dass Steve Jobs die besten Einfälle nach der Meditation hatte. Alles Erfolgsmenschen, mit denen man sich identifizieren soll.

Und doch wendet sich Huffington mit ihrem Appell primär an das eigene Geschlecht: Weil Frauen gesundheitlich noch mehr unter Stress zu leiden haben, sollen sie dafür kämpfen, dass sich Strukturen in den Unternehmen ändern. Überstunden sollen stigmatisiert werden, die Firmen sollen Stressabbauprogramme installieren und die Projektarbeit fördern. Das komme insbesondere jungen Müttern zugute. „Männer werden von den Maßnahmen natürlich auch profitieren“, behauptet Huffington. „Ich beobachte, dass gerade ein Aufwachen im globalen Maßstab stattfindet“, sagt Huffington vor ihrer Bücherwand. Unter dem Make-up sind Spuren der Müdigkeit zu sehen.

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