- „Ich bin schon längst tot“
Er war zwanzig Jahre MAD-Chefredakteur und erfand gemeinsam mit Harald Schmidt die deutsche Late-Night-Show: Herbert Feuerstein ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Lesen Sie hier noch einmal das „Cicero“-Interview mit Feuerstein aus dem Jahr 2014, in dem der Tod bereits ein Thema war.
Herr Feuerstein, in Kürze erscheint Ihre Autobiographie „Die neun Leben des Herrn F.“ Das mutet ein wenig an wie die umtriebigen Erlebnisse einer sadomasochistischen Felidae à la der „Geschichte der O.“
Bei mir sind es weniger die neun Leben einer Katze, sondern neun Lebensabschnitte, die jeder für sich ein eigener Lebensentwurf sein könnte. Richtig aber ist, dass ich ein notorischer Selbstquäler bin. Ich ringe gerne mit mir, verliere regelmäßig und bin eigentlich immer mein eigener Feind. Das in die Öffentlichkeit zu posaunen, war nicht mein Anliegen. Ich halte einfach Rückschau auf das Leben, wie das einem so passiert, wenn man ins Grübeln kommt und einem das Alter ein bisschen Selbstreflexion aufzwingt.
Ihr Buch erscheint recht unorthodox ohne Vorwort oder Danksagung. Sind Sie undankbar?
Ja, durchaus. Weniger dem Schicksal gegenüber, weil ich in einer friedlichen Zeit gelebt habe, aber umso mehr dem lieben Gott gegenüber, weil ich mit ihm so gar nichts am Hut habe. Meine Haltung den Mitmenschen gegenüber kann ich schwer einschätzen. Ich gehöre zu jenen, die sofort in tiefste Schuldgefühle verfallen, wenn jemand nett zu mir ist, weil ich überzeugt bin, dass ich das gar nicht verdiene. Vielmehr meine ich, ich müsse das erwidern und bin dann oft überschwänglich mit meinen Antworten.
Wieviel Dichtung findet sich in der feuersteinschen Wahrheit?
Das weiß man selber nicht. Es gibt ja diesen schönen Satz: Erinnern heißt, sich erfinden. Immer wieder hat mich beim Schreiben überrascht, wie sehr die Erinnerung täuscht. Ich habe aus Sentimentalität und anderen Gründen alte Briefe aufbewahrt. Wenn ich darin lese, weiß ich oft überhaupt nicht mehr, mit wem ich es damals zu tun hatte. Oder ich erkenne, dass die Erinnerung komplett verfälscht ist. Seinem Gedächtnis kann man überhaupt nicht trauen.
Der Teil Ihres Lebens, der Sie in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit so populär gemacht hat, macht nur einen Bruchteil Ihres Buches aus. Deckt sich das mit Ihrem persönlichen Empfinden, dass Sie dem Trubel um Ihre Person nicht so viel Bedeutung beimessen?
Ja, absolut. So was klingt zwar immer nach geheuchelter Bescheidenheit und damit als das verlogene Geständnis von jemandem, der ganz besonders eitel ist, dies aber unbedingt verbergen möchte. Ich habe deshalb gar nicht erst versucht, mich zu maskieren, auch nicht meine Eitelkeit – gibt ja nicht allzu viel, auf das ich wirklich stolz bin. Meine 20 Jahre beim MAD-Magazin zum Beispiel. Die Fernsehzeit hingegen bemesse ich eher als unwichtig. Ich hatte dabei das Glück, schon über 50 Jahre alt gewesen zu sein, als ich mit den Medien in Berührung kam. Das hat mich davor bewahrt, ihrem Pseudoglanz zu verfallen, oder gar danach süchtig zu werden. Die ironische Distanz zu sich selbst ist für mich das Maß aller Dinge. Diese Lebenseinstellung hatte ich in der Zeit mit MAD erlernt und damals versucht, dies an die junge Leserschaft weiterzugeben.
Über Ihre Arbeit beim Fernsehen schreiben Sie, dass diese eine Vermietung Ihres Körpers und Geistes gewesen sei. Ist die TV-Arbeit also nichts anderes als eine mediale Abwandlung von Prostitution?
Jede Berufsausübung, die nicht einem Herzensbedürfnis folgt, von der Hausfrau bis zum Kirchenrechtler, ist eine Form von Prostitution, bin ich geneigt zu sagen, aber ich glaube, die Deutung wäre ein bisschen billig. Selber allerdings werfe ich mir vor, dass ich mich zu wenig mit eigenen Dingen beschäftigt habe. Zu oft habe ich gewartet, was von außen kommt.
Obwohl Sie ja nun als der Begründer der Late-Night-Show in Deutschland gelten.
Das zähle ich zur Rubrik Handwerk. Ich verfüge über ein paar Eigenschaften, die dem entgegenkommen: Ich bin besessen, wenn mich etwas interessiert und ich etwas Neues ausprobieren will. Ich habe aber oft nicht die Geduld, durchzuhalten. Ich hatte immer Scheu, einen Beruf auszuüben, in dem man sich die eigene Bestätigung geduldig ersitzen muss. Meine Motivation war stets die Neugierde. Ich spüre das ganz besonders im zunehmenden Alter: Obwohl ich nicht so sonderlich am Leben zu hängen glaube, tut es mir so unendlich leid, dass ich so viele Bücher nicht mehr lesen, so viel Musik nicht mehr hören und so viele Wissen nicht mehr erfahren kann.
Nun gilt gemeinhin der Schlüssel zu einem Lacher als unergründbares Mysterium. Haben Sie sich je die Frage gestellt, wieso die eine Pointe gezündet und die andere ein Rohrkrepierer wurde?
Ja, und nein. Ich habe mich eigentlich nie als Humoristen verstanden. Humor ist ein Teil der Lebensbewältigung, vor allem für jemanden wie mich, der wenig Halt aber umso mehr Zweifel hat. Ob etwas wirklich lustig ist, weiß ich nicht. Es hat mich auch nie interessiert, auf Lacher hinzuarbeiten. Ich habe mich immer gewehrt, Stand-up zu machen. Ich könnte das auch gar nicht, weil ich nicht an die Kraft meiner Pointen glaube. Der Zweifel würde sich bei mir in die Interpretation einschleichen und wenn man als Schauspieler vom Zweifel überfallen wird in seiner Rolle, dann hat man verloren.
Sigmund Freud argumentiert, Lachen sei eine Form der Triebabfuhr. Würde Ihnen anstatt des Titels des Humorexperten, der eines Triebexperten eher zusagen?
Jetzt sind wir in gefährlichen Zonen, allein schon deshalb, weil mit 77 Jahren das Problem des Triebes nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Endlich Ruhe im Testosteronstadel.
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