Müssen Lehrer künftig länger und größere Klassen unterrichten? / picture alliance

Alltagsfremde Empfehlungen der SWK - Auch Lehrer sind keine Maschinen

Die „Ständige Wissenschaftliche Kommission“ gibt gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz Empfehlungen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels. Diese sind ein Lehrstück darüber, wie weit Wissenschaft und Bürokratie von der Lebensrealität der Lehrer entfernt sind.

Autoreninfo

Ewald Kiel ist Ordinarius für Schulpädagogik an der LMU München und war Direktor des Departments für Pädagogik und Rehabilitation sowie Mitglied des Universitätssenats. Zur Zeit ist er Dekan der Fak. 11 der LMU.

So erreichen Sie Ewald Kiel:

Es ist in der Politik populär, politische Entscheidungen durch Vertreter der Wissenschaft absichern zu lassen. Dies verleiht Entscheidungen scheinbar eine höhere Legitimität und entlastet Politik von der Verantwortung. Die Entwicklung von Maßnahmen zur Eindämmung von Covid sind ein populäres und allseits bekanntes Beispiel dafür. Bildungspolitiker wünschen sich ebenfalls eine solche Absicherung. Die „Ständige Wissenschaftliche Kommission“ (SWK) soll dies leisten.

Gerade hat sich diese Kommission gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel geäußert. Die Äußerungen sind ein Lehrstück darüber, wie schwer sich Wissenschaft bisweilen mit der Realität tut, und wie schwer es ist, vernünftige wissenschaftliche Empfehlungen für Menschen zu entwickeln, die nicht wie Automaten agieren und reagieren, sondern lebendig sind, Gefühle haben und ihr Leben möglicherweise anders planen, als Wissenschaft und Bürokratie sich das vorstellen.

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Christa Wallau | Do., 16. Februar 2023 - 17:08

nehmen, in dem der autochthone Nachwuchs seit vielen Jahrzehnten in erschreckendem Maße zurückgeht, während der zahlreiche Nachwuchs der Eingewanderten zu einem großen Teil weder die Fähigkeit noch das Interesse mitbringt, um für ein Lehramts-, ein Medizinstudium o. eine andere akademische bzw. fachliche Berufsausbildung geeignet zu sein?
Die Lage ist miserabel!
Überall fehlen qualifizierte Leute!!!

Doch weiterhin wandern bei uns überwiegend Menschen ein, die ungebildet sind und z. T. sogar u n w i l l i g, irgendeine Arbeit anzunehmen. Lieber lassen sie sich alimentieren. In aller Welt gilt D ja als das Schlaraffenland schlechthin!
Für strebsame u. bildungsfähige junge Leute aus anderen Ländern ist unser Land dagegen schon deshalb kein lockendes Einwanderungsziel mehr, weil bei uns die Steuern hoch, die Sprache schwierig u. die Bezahlung schlechter ist als in vielen anderen Einwanderungsländern.
Und nun? Wo bleibt die adäquate Antwort der Regierung auf diese unhaltbaren Zustände?

E. Glock | Do., 16. Februar 2023 - 19:15

Vielen Dank für diesen Artikel, der das unglaublich fatale und einspurige Denken der Verantwortlichen entlarvt und durchleuchtet. Man sollte erwarten können, dass politische Entscheidungen zunächst in alle möglichen Richtungen hin bedacht werden. Kluges, vorausschauendes Handeln ist das Mindeste, was man erwarten müsste. Verantwortlichkeit und das Erfassen von gesellschaftlichen Zusammenhängen und die sich entwickelnden Bedürfnissen daraus, sind die Grundlagen von intelligentem politischen Handeln. Leider scheinen diese Fähigkeiten bei Politikern nur sehr selten vorhanden. Viel wahrscheinlicher findet man kurzfristiges Denken, unüberlegtes Handeln und eine begrenzte Sozialkompetenz.

Marianne Bernstein | Do., 16. Februar 2023 - 21:00

Wenn es einen Mangel an einem Produkt gibt, dann steigt der Preis. Aber ein Lehrer ist kein Produkt und deshalb geht es um den Beruf an sich und die Tatsache, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Alle schimpfen auf den Lehrer, die Schule und wundern sich dann, wenn keiner mehr Lehrer werden will. Jede Diskussion führt immer dazu, dass gesagt wird, dass es den Lehrern zu gut geht, dass sie nicht richtig unterrichten und man alles anders machen müsste.
Mit so wenig Anerkennung wird es schwer Lehrer zu finden.
Die Belastungen liegen in einem straffen Lehrplan, der es nicht so einfach zulässt individuell zu unterrichten. Die Belastungen liegen in bildungsfernen Schichten, für die Bildung keine Priorität und der Lehrer keine Autorität hat. Es liegt aber auch bei überangagierten Eltern, die mehr stören als helfen.
Ich sehe die Zukunft der Schule in Privatschulen, die wenig Geld verlangen, aber an Bildung interessierte Schüler und Eltern haben. Alles andere wird nichts mehr.

Dr. Egbert Osterwald | Fr., 17. Februar 2023 - 07:36

Zu Erläuterung der Arbeitsbelastung der Lehrer ist ein Blick in die Geschichte hilfreich.
Während im Laufe des 20. Jahrhunderts in der Privatwirtschaft die Arbeitszeit drastisch reduziert wurde (von knapp 60 Stunden auf 35-38 Stunden die Woche), gilt dies für Lehrer das Gegenteil.
Im buchstäblich letzten gesetzgeberischen Akt des untergehenden Kaiserreiches wurden im November 1918 die Gymnasialprofessoren zu Studienräten ernannt und ihre Unterrichtsverpflichtung von ca. 12 Unterrichtsstunden auf 18 heraufgesetzt- bei einer sehr deutlich verbesserten Besoldung.
Im Zuge der dramatischen Weltwirtschaftskrise 1930 wurde durch Reichskanzler Brüning "vorübergehend" das Unterrichtsdeputat auf 23 Stunden erhöht. Dieses "vorübergehend" hielt sich bis in die 2000er Jahre, bis dann einzelne Bundesländer abermals eine Erhöhung um ein bis zwei Stunden verordneten.
Dies als Hintergrund für die berechtigten Forderungen nach Arbeitsentlastung.

Albert Schultheis | Fr., 17. Februar 2023 - 09:44

Ich bin Gymnasiallehrer für Physik und Englisch, habe aber mein Geld in der Industrie verdient - GottseiDank! Nach dem Referendariat ging ich in die Industrie, weil ich mich wegen deren Bräsigkeit, Selbstherrlichkeit und Arroganz mit dem Schulamt angelegt hatte.
25 Jahre später und zu bescheidenem Wohlstand gekommen, wollte ich der Gesellschaft noch etwas "zurückgeben" - evtl sogar ehrenamtlich, denn ich war mit Leidenschaft gerne Lehrer. Drei Jahre hielt ich es an einer der renommierten Gesamtschulen der Stadt aus mit Vollzeitstelle. Es waren nicht die Schüler mit hohem Migrantenanteil die mich der ätzenden Tretmühle entfliehen ließen, sondern die verbeamtete Unterwürfigkeit, das linke GEW-Getue und Hinterweltlertum meiner Kolleg:Innen sowie die Gängelung durch die weltfremde Schulbehörde. Zum Glück stieg ich vor Corona aus. Habe gerade erfahren, dass Grundschulen bereits die 4-Tagewoche aus Personalmangel fahren. Mich wundert garnix mehr in diesem völlig dysfunktionalen Drecksstaat.

Drastisch formuliert, aber richtig. Bürokratisch verkrustet und ideologisch verbissen verhärtet, überfordert sich dad Land immer schneller in immer mehr Bereichen.
Was im Stalinismus "2+2+ Enthusiasmus der Werktätigen =5" hieß, heißt jetzt "Wir schaffen das".
Erinnert an das Märchen von Hans im Glück.

Karl-Heinz Weiß | Fr., 17. Februar 2023 - 09:50

Der Beitrag sollte Pflichtlektüre für alle Kultusverwaltungen sein. Derart eindimensionale Vorschläge unter dem angeblichen Gütesiegel der Wissenschaft sind schlichtweg eine Zumutung. Aus jahrzehntelangen Erfahrungen mit der Bedarfsplanung der Kultusverwaltungen ist mir eine unumstößliche Gewissheit geblieben: diese waren i m m e r falsch.

Walter Bühler | Fr., 17. Februar 2023 - 12:49

Geld allein macht nicht glücklich.

Herr Prof. Kiel sieht nur eine Hälfte des Problems , wenn er seine Kolleg*innen in der SWK kritisiert.

Natürlich: Wissenschaft dient Politikern oft nur als Alibi dafür, sich der eigenen Verantwortung zu entziehen.

Aber andererseits: Haben sich die Erziehungswissenschaften nicht in diese Rolle hineingedrängt?

Nach meiner Erinnerung wurde jede der unzähligen "Reformen", die seit 1969 den schulischen Alltag permanent (zer-)stören, von Bildungs-"Wissenschaftlern" angeführt.

Nie habe ich erlebt, dass eine Reform hinterher von der "Wissenschaft" kritisch geprüft oder falsifiziert worden wäre.

Die Wissenschaft hat zur heutigen Überlastung der Schule mit sachfremden Aufgaben beigetragen (außerunterrichtliche Betreuung von Jugendlichen, Inklusion und Auflösung der Sonderschulen, Integration von fremdsprachlichen Kindern usw.).

Eine Selbstkritik der Erziehungswissenschaften steht noch aus. Bilden die Wissenschaftler die Lehrer überhaupt richtig aus?

... Praxis in die vielen Bereiche der Erziehungswissenschaft oder in den ungeheuren deutschen Bürakraten-Dschungel der Kultus-Verwaltungen geflohen sind, könnten doch gut und gerne verpflichtet werden, ihr Wissen und ihre Kompetenz regelmäßig in der Praxis unter Beweis zu stellen bzw. zu aktualisieren:

Ein Jahr Schule, ein Jahr Ausruhen in der Bürokratie, ein Jahr Schule, usw.

Das würde den vielen Professoren, die so viel ÜBER die Schule reden, gewiss nicht schaden.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 17. Februar 2023 - 14:43

Nicht nur bei den Lehrern, überall wo Personal vom Staat beschäftigt und bezahlt wird ist da seit Jahrzehnten schon so. Die merken erst wenn jemand in Pension geht, wenn er nicht mehr da ist. Ausschreibungen zu kompliziert und bürokratisch, Viele Tarif-Lehrer, die nicht verbeamtet werden. Immer weniger Personal, soll immer mehr Leistung bringen und wird mit überbürokratischem Kleinkram lediglich ausgelutscht und in den Burnout getrieben. Immer neue Aufgabenfelder kommen hinzu. Das Stundendeputat kürzen, aber die Verwaltungsarbeit für Lehrer, insbesondere mit Leitungsfunktionen erhöhen. Lehrer sollen Hausmeister ersetzen, mal schnell was reparieren, permanent neue Aufgabenfelder übernehmen, sich mit Eltern und Schülern herumschlagen, die schnell gerne die Migrationskarte ziehen oder beim Verwaltungsgericht klagen. Meine Tochter ist Teil der Schulleitung an einem Gymnasium. Wenn sie erzählt, will man vieles nicht glauben, hält es für Übertreibung. Die Wirklichkeit ist noch schlimmer.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 17. Februar 2023 - 14:55

Viele in den administrativen Ebenen sind entweder gar nicht oder als Seiteneinsteiger politisch gefördert in ihre Funktionen gekommen oder einfach schon viel zu lange, der aktiven Arbeitswelt - der sog. Front - entfleucht. Hinzu kommt die direkte politische Einflussnahme auf die Schulämter und Arbeitskreise, die nur noch ideologisch agieren, ihren Job nicht verlieren wollen oder gar selbst fanatisch davon überzeugt davon sind, was sie sinnentleerenden ihren Kollegen an der Basis zumuten und das gerne noch gegendert. Und das alles soll motivieren? Das soll Nachwuchs fördern, wenn man um Verbeamtung kämpfen muss, keine Bezahlung als Tarifkraft während der Ferien hat usw.
Wenn in den Medien zu lesen ist, trotz aller Versuche es zu relativieren oder gar zu leugnen, welchen Stand Lehrer in unserer Gesellschaft inzwischen haben, insbesondere die Lehrerinnen bei muslimischen Schülern? Für viele war Lehrer mal ein Traumberuf, inzwischen verdingen sich Studenten in weniger aufreibende Bereiche