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Jakob Steden/Edition Nautilus

Literat Abbas Khider - „Ich stelle der Folter eine sprachliche Form entgegen“

Der gebürtige Iraker Abbas Khider übt mit seinen Büchern leise Kritik an den Verhältnissen in seiner Heimat und verarbeitet die Erfahrungen von Krieg und Flucht autobiografisch. Im Interview spricht er über seinen jüngsten Roman „Brief in die Auberginenrepublik“, das er gerade auf der Leipziger Buchmesse vorstellt

Autoreninfo

Düker, Ronald

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Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Zwei Jahre war er im Irak politischer Häftling, dann floh er als illegal nach Europa. In Deutschland studierte er Philosophie und Literaturwissenschaft, widmete sich der Lyrik und schrieb preisgekrönte Romane.

 

Literaturen: Sie leben seit 13 Jahren in Deutschland. Erinnern Sie sich an Ihre ersten deutschen Wörter?
Abbas Khider: „Hitler“, „Scheiße“ und „Lufthansa“. Das war der Anfang.

Und dann? Sie schreiben ja heute sogar Romane auf Deutsch. Gerade erscheint Ihr neuester, er heißt „Brief in die Auberginenrepublik“.
Zunächst einmal hatte ich eine große Leidenschaft für die Lyrik. Also habe ich Gedichte von Thomas Brasch, Hilde Domin oder Else Lasker-Schüler gelesen und ins Arabische übersetzt. Eine gute Übung. Aber als Student musste ich auch Hausarbeiten schreiben. In Philosophie und allgemeiner deutscher Literaturwissenschaft.

Was bedeutet es für Sie, in einer fremden Sprache zu schreiben?
Die Geschichten verfremden sich. Sie entwickeln eine Magie, die sie im Arabischen vielleicht gar nicht hätten. Und auch eine andere Leichtigkeit. Meine ganz persönliche Wut spielt im Deutschen nicht so eine große Rolle. Durch die Erfahrung der Fremdheit, die ich im Umgang mit der deutschen Sprache mache, spielt die literarische Form eine größere Rolle.

Die Form Ihres neuesten Romans ist sehr einfach. Das Buch erzählt die Reise eines Briefes.
Und es erzählt von der Zeit, in der es noch kein Internet gab. Auch wenn ich den Begriff der Facebook-Revolution für verkürzt halte: Die arabische Rebellion wäre damals so noch nicht möglich gewesen. Allein aus technischen Gründen. Natürlich gab es auch damals schon Aufstände in der arabischen Welt, nur hat die Welt das nicht gesehen, die wurden niedergeschlagen, ohne dass es international publik geworden wäre. Der Blick zurück aber lohnt sich. Er zeigt, warum die Dinge so gekommen sind, wie sie kamen.

Schreiben Sie eigentlich immer über sich?
Eigentlich glaube ich, dass ein Schriftsteller aus wirklich jedem Thema etwas machen können muss. Denn letztlich kommt es ja auf die Form an. Aber es stimmt: Meine Romane sind autobiografisch geprägt. Ganz bestimmt bediene ich damit auch die Sehnsucht nach sehr fremden Geschichten, Geschichten, die kein Leser so erlebt hat.

Am fremdartigsten dürften Ihren Lesern die Folterberichte erscheinen. Die Folter steht ja in einem sehr speziellen Verhältnis zur Sprache: Sie erzwingt Geschichten und Geständnisse, von denen alle Beteiligten wissen, dass sie gelogen sind. Wie finden Sie zu einer Sprache, die über diesen Vorgang wiederum etwas Wahres sagen kann?
Ich verstehe die Literatur als eine Kritik an der Realität. Wenn ich der Folter eine ganz eigene sprachliche Form entgegenstelle, dann entsteht ein Raum, den die Folterer nicht antasten können. Der Vorgang selbst wird dann banal und lächerlich. Ich entferne mich davon. Ich löse mich aber auch von der Geschichte, die ich erzähle. Die gehört plötzlich nicht mehr nur mir selbst. Dadurch wird alles viel leichter.

Ein therapeutischer Vorgang?
Ich würde es eher eine Dämonenaustreibung nennen. Und eine Rache an denen, die mir Schmerz zugefügt haben. Eigentlich sind alle meine Romane eine Art Rache. Am Ende bin ich es, der zurückschlägt. Ich triumphiere mit den Mitteln der Literatur.

Wie mächtig ist die Literatur?
Die Literatur bewahrt das Wesentliche auf. Wenn wir die Menschen verstehen wollen, dann müssen wir ihre Bücher lesen. Denn was bleibt sonst? Die Geschichte als eine Ansammlung von Grausamkeiten. Und das sagten schon die alten Araber: Du musst lesen, lesen und wieder lesen. Dann erst darfst Du auch schreiben.

Abbas Khider: Brief in die Auberginenrepublik, Nautilus 2013, 18€. ISBN: 978-3-89401-770-5.

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