- „Hauptsache Spektakel!”
Der Comedian Thomas Hermanns verbringt seinen letzten Tag in New York, besucht eine Broadway-Show – und eine Gospel-Messe
Es wird prächtig! Ich werde mit Glanz und Gloria untergehen, auf keinen Fall deutsch und depressiv. Denn der Tod ist doch die größte Show. Also macht es euch nicht zu schwer und genießt die Party! Ich würde mir in New York eine Broadway-Show ansehen. Hauptsache groß, Hauptsache Spektakel. Mein Mann und ich fliegen also morgens los, mit der Zeitverschiebung landen wir rechtzeitig zum Brunch. Und ich würde alles essen, was ich in den USA am liebsten mag: Angefangen mit Eggs Benedict – die es in Deutschland zu Unrecht noch nicht oft genug gibt –, und zwar sofort! Guten amerikanischen Bohnenkaffee und Pancakes mit Ahornsirup und Blaubeeren.
Noch heute widerstrebt es mir, Uptown zu wohnen, weil ich dann das Gefühl habe, ich müsste FDP beziehungsweise die Republikaner wählen. Deshalb ziehe ich zu den interessanten Leuten nach Downtown, miete mir kein Doppelzimmer, sondern gleich eine Suite im Crosby Street Hotel. Mein Geld kann ich jetzt ja raushauen. Es bleibt eh nichts übrig, und Vererbung ist Geschmackssache. Ich würde noch einmal in den Meat Market District wandern, wo ich Ende der achtziger Jahre gewohnt habe, 14. Straße Ecke Hudson. Damals gab es hier nur transsexuelle Prostituierte, Fleischer – und mich. Ich bin zwar kein Nostalgiker, aber vor dem Tod wird doch jeder ein bisschen sentimental und denkt sich: „Hach, hier bin ich früher auch mal rumgesprungen.“
Im Algonquin-Hotel in Midtown, dem berühmten Literatenhotel, in dem von Dorothy Parker bis Noel Coward alle meine Idole gewohnt haben, wird dann endlich der erste Martini des Tages getrunken. (Es müsste auch schon nach fünf sein.) In Manhattan schmeckt er irgendwie anders als bei uns, der klassische mit Gin, sehr stark, mit Oliven und Nüsschen. Die gehören ja zum Cocktail dazu. Um 20 Uhr ist Showtime, deshalb müssen wir jetzt noch schnell am Times Square einen Imbiss zu uns nehmen, und zwar kalte Sesamnudeln. Das klingt hässlich, ist aber köstlich! Und dann ist es Zeit für den Broadway. Wir brauchen etwas Opulenz zum Sterben. Am liebsten Radio City Music Hall, eine große Revue mit den Rockets, 100 Mädchen in einer Reihe, Tiere auf der Bühne – herrlich! Oder ein klassisches Musical wie Billy Elliot, für das Gefühl. Das wäre das Beste. Da heule ich jedes Mal.
Danach geht man im Rainbow Room noch einmal an die Bar. Eine alte Jazz-Legende singt Cole Porter, und man betrinkt sich hemmungslos. Dann aber mit Champagner, Dom Perignon, so viel ich will. Ich bin ja eh gleich tot. Selber muss ich nicht mehr auf die Bühne, außer vielleicht, es würde Abba anrufen und sagen, sie tun sich extra für mein Ableben noch mal zusammen. Ein letztes „Thank you for the Music“, da sag ich nicht Nein. Im Central Park sehen wir dann die Sonne ein letztes Mal aufgehen, und dann ab nach Harlem in die Gospel-Messe. Wenn die großen schwarzen Frauen anheben, fällt schließlich der Hammer. Mit einem „I will follow him“ in den Sarg, schwer verkatert von Martini und Champagner. Schön auf der hohen Note zusammenklappen. Den Oscar hätte ich vorher noch gewinnen können, aber sonst …
Aufgezeichnet von Sarah Maria Deckert
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