- Schluss mit der Frauenmission!
Um sie herum wird immer viel gestritten: Ob über Frauenquote, Ehegattensplitting oder Betreuungsgeld. Jetzt hat Familienministerin Kristina Schröder ihr erstes Buch veröffentlicht. Wer sich von politischen Diskussionen und dem irreführenden Titel frei macht und das Buch tatsächlich liest, wird merken, dass sie damit gar nicht so falsch liegt
Wenn es nach ihrem Prinzip ginge, hätte sie gestern Abend eigentlich bei Lotte Marie sein müssen. Bettfertig machen und Gute-Nacht-Lied singen. Sie wollte es sich zum Ziel setzen, abends keine Termine mehr anzunehmen – so hat Familienministerin Kristina Schröder es in ihrem Buch „Danke, emanzipiert sind wir selber!“ angekündigt. Doch stattdessen sitzt sie an einem Dienstagabend um 19 Uhr in Berlin und stellt selbiges Buch vor.
Viele – vor allem junge Frauen – sind gekommen, um zu hören, wie Frau Schröder ihr Buch vorstellt. Doch sind sie das wirklich? Im Laufe des Abends kann man daran ernsthaft zweifeln. In angespannter Atmosphäre wollen viele lieber über Schröders Haltung gegen eine starre Frauenquote, das Betreuungsgeld, den Kitaausbau und das Ehegattensplitting schimpfen. Etwas erstaunt über die aufgebrachten Wortmeldungen bescheinigt Schröder dem Kitaausbau auf einem guten Weg zu sein und argumentiert wie gewohnt für ihre Idee einer flexiblen Frauenquote für Unternehmen.
Auf der Bühne hatte ihr zuvor die Journalistin Ursula Weidenfeld Fragen zu ihrem Buch „Danke, emanzipiert sind wir selber!“ gestellt, das Schröder zusammen mit Caroline Waldeck geschrieben hat. Schnell wird dabei an der Stimmung im Saal deutlich, dass vor allem der Titel, der in Hinsicht auf den größten medialen Effekt gewählt worden ist, nicht nur sein Ziel erreicht, sondern auch Missverständnisse produziert hat. Fasst er doch nur einseitig zusammen, was jeden Leser, der sich über den Titel hinauswagt, im Buch selbst erwartet.
Erst der Untertitel „Abschied vom Diktat der Rollenbilder!“ gibt einen Hinweis darauf, dass Schröder mit diesem Buch nicht nur dem Feminismus gemäß Alice Schwarzer eine Absage erteilt, sondern auch der konservativen Forderung, Frauen gehörten zu Kinder und Küche. Da das feministische Rollenbild der Frau das konservative wohl mehrheitlich abgelöst haben dürfte, erscheint es naheliegend, dass sie sich gegen den Feminismus ausführlicher wehrt. Als Alternative bietet sie mit ihrem Buch an, über die Zukunft einer Gesellschaft von Männern und Frauen zwischen Familie und Arbeit nachzudenken.
„Irgendwo auf dem Weg zum Ausgang aus der nicht selbst verschuldeten, aber lange erduldeten Unmündigkeit der Frau haben Feministinnen die Frauen aus den Augen verloren“, schreibt sie. Vertreterinnen des „Weltanschauungsfeminismus“ sähen bei sich den Alleinvertretungsanspruch für die „Sache der Frauen“, nach dem Motto: „Wer nicht auf meiner Seite steht, verrät die Ziele der Frauenbewegung“. Damit hätten sich die Feministinnen, so Schröder, ihren eigenen Paternalismus aufgebaut: „Die Feministin weiß, was gut für sie ist. Deshalb schützt sie die Frau notfalls auch vor sich selbst und vor den eigenen Wünschen.“ Schröder wirft den Feministinnen vor, von Frauen zu fordern, die erkämpfte Freiheit ebenfalls mit einem feministischen Lebensstil zu füllen. Ihre Kritik an einer solchen Bevormundung durch Feministinnen klingt an dieser Stelle fast nach Rosa Luxemburgs „Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden!“ Insgesamt bescheinigt sie dem Feminismus der Generation Alice Schwarzer, „nicht mit der Emanzipation Schritt gehalten“ zu haben.
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Vermutlich bis hierher Positionen, wie man sie von einer Politikerin der CDU erwartet. Doch auch den Missionstrieb der Vertreter des konservativen Frauenbilds hält sie für unzeitgemäß und setzt sich ihm entgegen. Das Bild der Pelikanmutter, das die Frau als altruistischen, fürsorglichen und bis zur Selbstaufgabe selbstlosen Menschen beschreibt, kritisiert sie: „Die Überzeugung, es schade Kleinkindern, wenn sie sich nicht ununterbrochen in mütterlicher Obhut befinden, sondern vom Vater, von der Oma, von einer Tagesmutter oder in einer Kita umsorgt werden, hält sich in Deutschland (…) hartnäckig.“ Mit Begriffen wie „Fremdbetreuung“ oder „Verwahrung“ versuchten die Strukturkonservativen, die Unterbringung von Kindern in Kindergärten oder Krippen nach „Kindesvernachlässigung“ klingen zu lassen, so Schröder.
Während das traditionelle Rollenbild Frauen sage, worauf sie zugunsten ihrer Kinder verzichten müssten, fasst Schröder zusammen, verbiete es ihnen das feministische, auf irgendetwas zu verzichten. Beide Seiten setzten die Frauenwelt dabei mit dem schlechten Gewissen unter Druck: „Das schlechte Gewissen der arbeitenden Mütter, dass sie Kinder haben und trotzdem arbeiten, das schlechte Gewissen der Nichtmütter, dass sie arbeiten und keine Kinder haben, und das schlechte Gewissen der nicht arbeitenden Mütter, dass sie sich der Arbeitswelt als Humankapital und der Emanzipation als Rollenvorbild verweigern“.
Schröders Lösung liegt im Bekenntnis zur Individualität: Gerade weil Frau es in dieser Welt voller Erwartungen niemandem Recht machen kann, solle sie sich von diesem Druck befreien und nur noch auf eine Sorte Forderungen hören: Auf die ihrer individuellen Erwartungen an ihr eigenes Leben.
Auch die Männer lässt Schröder dabei nicht außen vor. Sie plädiert sowohl gegen das traditionelle Bild des Mannes als Alleinernährer, wie auch gegen die feministische Sicht auf den Mann als frauenunterdrückenden Feind. Stattdessen sollte er als Verbündeter im Prozess der individuellen Lebensgestaltung gesehen werden. Entscheidend sei, dass jeder für sich und Paare zusammen das „Mosaik“ ihres Lebens zwischen Familie und Beruf selbst und bewusst zusammen setzten, so Schröder. Es ist ein Ansatz ohne Schubladen.
Ihre eigene Aufgabe als Familienministerin sieht Kristina Schröder darin, Familien so zu unterstützen, dass ihnen das favorisierte Arrangement tatsächlich möglich wird. Sie wird sich daran messen lassen müssen, in wie weit es ihr tatsächlich gelingt, insbesondere die Wirtschaft und die Arbeitswelt in diese Richtung zu beeinflussen.
In der Realität stolpert Schröder selbst manchmal noch über ihre Theorien. So erzählt sie, wie sie eines abends von der Arbeit nach Hause kam. Ihr Mann hatte der gemeinsamen Tochter aus „Gründen der kulinarischen Abwechslung“ ein Obstgläschen in den Grießbrei gemischt. Statt zu meckern, beglückwünschte sie ihren Mann zu dieser Idee. Nur, weil sie sich an ihre eigene Mahnung erinnerte, Frauen sollten sich nicht für den besseren Elternteil halten, konnte sie ihren ersten Reflex unterdrücken. Ähnlich muss sie jetzt auch in der Politik Taten auf ihre Worte folgen lassen und Antworten auf die Kritik am Betreuungsgeld, dem Kitaausbau und der Frauenquote finden.
Der Traum von einer gerechteren Welt war halt schon immer nur ein Anfang, danach kommt die tatsächliche Arbeit – auch für Kristina Schröder.
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