- Rösler war ein ungeeigneter Krisenmanager
Die FDP kämpft um ihr Überleben. Beim traditionellen Dreikönigstreffen am Sonntag in Stuttgart müssten die Liberalen eigentlich mit sich und ihrem Chef hart ins Gericht gehen. Wie kann die Partei aus der Krise finden?
2013, so viel steht bereits in den ersten Januartagen fest, wird für die FDP ein Jahr des Überlebenskampfs. Seit mehr als zwei Jahren schafft es der Vorsitzende Philipp Rösler nicht, der Partei eine glaubwürdige inhaltliche Perspektive zu geben, die eigenen Leute zu motivieren – und letztlich auch nicht, die Wähler von der Notwendigkeit des Fortbestands dieser Partei zu überzeugen. Wenn in Röslers Heimatland Niedersachsen am Sonntag in zwei Wochen nicht mindestens fünf Prozent der Wähler ihr Kreuzchen hinter der FDP und ihrem Spitzenkandidaten Stefan Birkner machen, dann wird die gesamte Partei in ein neues Identitätsloch fallen und ihre Chancen auf einen Wiedereinzug in den Bundestag im September 2013 weiter schmälern.
Nun setzen die ersten Absetzbewegungen ein: CSU-Chef Horst Seehofer, der in Bayern ebenfalls mit der FDP regiert und im Herbst Wahlen zu bestehen hat, bekannte, seine „größte Sorge 2013“ sei die FDP. Er spricht aus, was Wahlstrategen der Union in ganz Deutschland denken: Wenn sich Rösler und seine Partei nicht rasch finden, muss man sich als CDU und CSU von ihr distanzieren, um nicht in den Abwärtsstrudel gezogen zu werden. Sehr viel hängt vom Auftritt des FDP-Chefs beim Dreikönigstreffen am Sonntag in Stuttgart ab. Rösler selbst jedenfalls will sein Amt nicht kampflos aufgeben. Zumindest nicht bis zur Niedersachsen-Wahl.
Wie ist die FDP in die Krise hineingeraten?
Die Probleme der FDP sind nicht allein Rösler anzulasten. Als
seinen Fehler könnte man allenfalls sehen, dass er im Frühjahr 2011
sein eigenes Vermögen zur Stabilisierung einer Partei nicht
realistisch genug eingeschätzt hat. Sein Amtsvorgänger Guido
Westerwelle hatte die Partei im Wahlkampfmodus jahrelang auf sich
als Zentrum und einige wenige Kernbotschaften zugeschnitten. Der
Lohn dafür waren nie zuvor gesehene 14,6 Prozent der Wählerstimmen
im Wahljahr 2011 und eine selbstbewusste Regierungsbeteiligung. Mit
der Regierungsübernahme schienen Westerwelle und seine Partei
allerdings überfordert. Es gelang ihnen nicht, überzeugende
Personalentscheidungen zu treffen und achtbare Koalitionsarbeit
abzuliefern.
Die Partei stürzte zum Jahreswechsel 2010/2011 in eine tiefe Krise, Westerwelle sah sich Putschversuchen ausgesetzt. Im Frühjahr 2011 kündigte er seinen Rückzug an. Doch Philipp Rösler, der zur Nachfolge gedrängt wurde, erwies sich als ungeeigneter Krisenmanager: zu jung und unerfahren, um durch eigenes Charisma die Partei von sich zu überzeugen. Und noch dazu ohne inhaltliche Visionen. Seit Rösler im Mai 2011 die Führung übernahm, misslangen seine Versuche, die FDP aus dem Umfragetief zu führen. Im Amt des Wirtschaftsministers machte er sich in der Bevölkerung unbeliebt, als er Staatshilfen für entlassene Mitarbeiterinnen von Schlecker und zur Bewältigung der Existenzkrise von Opel ablehnte. Ungeschickte Äußerungen zu einem möglichen Euro-Austritt Griechenlands verdüsterten die ohnehin gespannte Stimmung in der schwarz-gelben Koalition. Mehr als drei Viertel der FDP-Wähler sähen heute lieber den umtriebigen Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle als Parteivorsitzenden, wie eine Forsa-Umfrage ergab.
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Welche Chancen hat die FDP in
Niedersachsen?
Seit mehr als vier Jahren regieren die Liberalen mit der CDU in
Hannover. Doch außer Philipp Rösler, der bis 2009 dort
Wirtschaftsminister war, ist kaum ein Liberaler bekannt. Stefan
Birkner, der Spitzenkandidat, muss daher auf bundespolitische
Unterstützung hoffen. Manche sagen aber auch, Birkners Chancen
stiegen nur, wenn er sich an den Vorbildern Wolfgang Kubicki und
Christian Lindner orientiere. Diese hatten in ihren Wahlkämpfen im
vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen
bewusst auf Eigenständigkeit gegenüber der Bundespartei gesetzt und
letztlich überzeugende Wahlergebnisse erzielt. Kubicki sagte nun
über Rösler, dieser werde in der Öffentlichkeit nicht als
Krisenmanager wahrgenommen. Die Niedersachsen-FDP hat Rösler
allerdings am Donnerstag noch einmal bescheinigt, man setze im
Wahlkampf auf ihn. In aktuellen Umfragen hat die Partei zwar leicht
zugelegt, erreicht aber auch kurz vor der Wahl nicht die für den
Einzug in den Landtag nötigen fünf Prozent der Wählerstimmen.
Wenn die FDP in Niedersachsen ein Debakel erlebt – muss
dann Philipp Rösler als Parteichef gehen?
Rösler weiß, dass der Wahlausgang in seiner Heimat Niedersachsen
über sein Schicksal als Parteichef entscheiden dürfte. Inzwischen
lässt er sogar ausdrücklich offen, ob er beim Parteitag im Mai
überhaupt noch einmal antritt. Und seine Partei scheint die Latte
für ihn sogar höher gelegt zu haben: Mindestens sieben Prozent
müsse die FDP in Niedersachsen erzielen, um Rösler halten zu
können, heißt es unter FDP-Spitzenleuten. Gerüchte, man habe Rösler
in der Parteispitze den Rücktritt vor der Niedersachsenwahl
nahegelegt, um die Chancen der FDP dort zu steigern, ließ der
Vorsitzende hart dementieren. Alles Quatsch, hieß es in seinem
Umfeld. Es gebe solche Überlegungen nicht, und es habe dem
Parteichef auch niemand derartige Ratschläge gegeben. Fest steht
allerdings: Schafft die FDP am 20. Januar nicht den Einzug in den
Landtag oder nur sehr knapp, dann wird Rösler sein Amt hergeben
müssen. Er selbst scheint für einen solchen Fall offenbar an
Rücktritt zu denken. Auf Forderungen aus der Partei, den für Mai
geplanten Parteitag vorzuverlegen, ließ Rösler verlauten, die FDP
benötige „keinen Parteitag, um Klarheit zu schaffen“.
Wenn Rösler gehen muss – wer kann die Partei
retten?
Im Gespräch sind momentan nur zwei Liberale, die sich aber beide
bislang sehr bedeckt halten: Rainer Brüderle und Christian Lindner.
Während der Mittsechziger Brüderle eher als stabilisierender
Übergangsvorsitzender gilt, könnte Lindner der FDP nach der
Bundestagswahl ein neues Profil geben.
Wäre es das Aus der Partei, wenn sie im September den
Einzug in den Bundestag verpasst?
Der schleswig-holsteinische FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sagte
der „Leipziger Volkszeitung“, er halte die Existenz seiner Partei
für „gefährdet“. Das ist wohl richtig. Die FDP kämpft bei der
Bundestagswahl ums parlamentarische Überleben. Verliert sie diesen
Kampf, wird ein außerparlamentarischer Neuaufbau äußerst
schwer.
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