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Katja Kipping zur Gretchenfrage - Dürfen Linke Angela Merkel kritisieren?

Wenn eine CDU-Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik nach links rückt, müsste das die linke Opposition eigentlich freuen. Aber tut sie das wirklich? In einem Gastbeitrag sagt Linken-Chefin Katja Kipping, wie sie's mit Angela Merkel hält

Autoreninfo

Katja Kipping ist Vorsitzende der Linkspartei

So erreichen Sie Katja Kipping:

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist wegen ihrer Flüchtlingspolitik unter Dauerbeschuss aus der eigenen Regierung. Wie soll eine linke Opposition damit umgehen?

Es ist wahrlich nicht die Aufgabe der Linken, Merkel zu verteidigen. Und der Umstand, dass sie gerade in ihrer eigenen Partei von rechts angegriffen wird, darf nicht den Blick auf all das aus linker Perspektive Kritikwürdige ihrer bisherigen Amtszeit verstellen.

Merkels Kaputtsparpolitik
 

In Angela Merkels bisheriger Amtszeit wurde in Deutschland und in Europa eine Politik der Austerität, des Kaputtsparens, durchgezogen. Sie hat dabei ihre Autorität, die sie in Europa genießt, genutzt, um in Südeuropa Kürzungsmaßnahmen durchzudrücken, die unsozial und zudem volkswirtschaftlich kontraproduktiv sind. Sie hat während der Auseinandersetzungen im Frühjahr 2015 um den neuen Kurs in Griechenland ihren Finanzminister Schäuble bei der Erpressung Griechenlands gewähren lassen. Ihr Sparkurs hat ein gesellschaftliches Klima der Abstiegsängste befördert. Dieses Klima erwies sich als ein Nährboden für Rechtspopulisten.

Merkel hat sich, obwohl aus dem Osten kommend, nicht für die spezifischen Belange des Ostens eingesetzt. Angleichung der Rentenwerte – Fehlanzeige. Noch nicht einmal für die DDR-Geschiedenen hat sie als Regierungschefin eine gerechtere Regelung bewirkt. Auch wenn ihr Image gerade ein flüchtlingsfreundliches ist, so sei daran erinnert, dass Merkel im vergangenen Jahr all die weiteren Verstümmelungen des Asylrechts mitgetragen hat, wie die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer, den längeren Aufenthalt in Massenunterkünften, die Umstellung auf Sachleistungen, etc.

Die in ihrer Amtszeit eingesetzte Schuldenbremse wird dazu führen, dass der öffentliche Dienst und die Infrastruktur weiter kaputtgespart werden. Die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand wird damit zunehmend eingeschränkt.

Kurzum, es gibt viele gute Gründe zu sagen, dass wir als Linke Angela Merkel nicht vermissen werden, sollte sie bei einem möglichem Vertrauensvotum scheitern.

Es droht ein Rechtsruck der Union
 

Und doch will angesichts der aktuellen Angriffe aus den eigenen Reihen auf Angela Merkel auch unter Linken keine wirkliche Freude aufkommen. Das liegt daran, dass der erbitterte Machtkampf innerhalb der Union das Ziel einer Verschiebung nach rechts hat. Dem rechten Flügel passt der vorsichtige Modernisierungskurs schon länger nicht. Sollte Merkel innerhalb der CDU gestürzt werden, wäre das die Manifestation eines eklatanten Rechtsrucks der Union. Ihr Sturz würde wahrscheinlich als allgemeine Drohung gewendet werden: Seht her, wer flüchtlingsfreundlich auftritt, dem droht der Machtverlust.

Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den öffentlichen Diskurs. Leider muss man davon ausgehen, dass, wenn die Union noch weiter nach rechts rückt, die SPD ihr folgen wird. (Solange die deutsche Sozialdemokratie an der Spitze weiter auf Opportunismus gepolt ist, wird auch das redliche Engagement einiger linker Sozialdemokrat_innen diesen Kurs nicht verhindern können.) Nun könnten wir uns aus wahltaktischen Gründen darüber freuen, wenn links mehr Platz wird. Doch leider sind die Zusammenhänge ambivalenter.

Falsche Debatten nach Köln
 

Wir leben in Zeiten, in denen der Rassismus wächst und die rassistische Gewalt geradezu explodiert. Hinzukommt, dass die Art, wie Probleme thematisiert werden, den Rechtspopulisten in die Hände spielt. Das war besonders gut zu beobachten in den Debatten nach Köln. Nachdem in der Silvesternacht viele Frauen übler sexueller Belästigung ausgesetzt waren, drehten sich die meisten medialen Debatten um die schnellere Abschiebung von Asylbewerbern. Ein Zugang, bei dem die Kompetenzunterstellung zu Gunsten der Rechtspopulisten ausfällt. Hätten sich die Debatten in den Leitmedien hingegen um den Schutz der Frauen vor sexualisierter Gewalt zu Hause und im öffentlichen Raum gedreht, wären andere Lösungen und damit auch andere gesellschaftliche Akteure als Trägerinnen von Lösungskompetenz wahrgenommen worden.

Wenn in so einer gesellschaftlich diskursiven Anordnung zwei Volksparteien deutlich nach rechts rücken, verschiebt sich das gesellschaftliche Kräfteverhältnis in Gänze deutlich nach rechts. Zumal die Rechnung, die Anhänger von Pegida, AfD und Co. würden nach einem Rechtsruck der CDU nun montags zu Hause bleiben und von Stund‘ an brav CDU wählen, nicht aufgehen wird. Wer so denkt, verkennt den autoritären Charakter der Pegida- und AfD-Führungen und ihrer Anhänger_innen. Wenn nun nach und nach Pegida-Forderungen zumindest teilweise in Gesetzesform gegossen werden, wenn Politiker_innen anderer Parteien ihre Tonalität der AfD anpassen, dann verstärkt das bei den AfD-Anhänger_innen nur den Eindruck: Seht ihr, wir hatten recht und wir sind erfolgreich. Das Ergebnis wird also ein weitreichender Rechtsruck der Gesellschaft sein, aber mitnichten eine Schwächung der AfD.

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