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Frauenquote im Journalismus - So kommt die Frau zum Chefsessel

An profilierten Journalistinnen mangelt es nicht, trotzdem sind fast alle Führungsposten in den Medien mit Männern besetzt. Drei Frauen berichten, wie sie es in der Branche trotzdem ganz nach oben geschafft haben.

Autoreninfo

Timo Steppat hat Politikwissenschaft, Soziologie und Medienwissenschaft in Düsseldorf und Prag studiert. Er schreibt für Cicero Online.

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Die Mehrzahl der Nachwuchsjournalisten ist weiblich. Seit fast 20 Jahren zeichnet sich dieser Trend ab. Bei allen großen Journalistenschulen bewerben sich mittlerweile mehr Frauen als Männer und vor allem besser qualifizierte Frauen. Bei der Henri-Nannen-Schule in Hamburg, eine der renommiertesten Ausbildungsstätten, zum Beispiel führte dies dazu, dass in den vergangenen zehn Jahren 79 Männer und 95 Frauen ausgebildet wurden. Doch während das weibliche Geschlecht beim Berufsstart dominiert, liefert ein Blick in die Reihen der Chefredaktionen und in die Ressortleiterrunden deutscher Medien ein ganz anderes Bild: Männer, soweit das Auge reicht.

Katrin Elger, Gabi Ludwig und Christiane Florin bilden die Ausnahme. Sie leiten eine oder gleich mehrere Redaktionen, sind in den Führungsebenen angekommen. Wie ist ihnen das gelungen – und wieso bleiben so viele andere Journalistinnen auf der Strecke?

Das ganze Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen, Katrin Elger lacht laut auf. Beim Wiederholen der Frage, dem Anlass für so viel Heiterkeit, zieht die 32-Jährige einzelne Silben in die Länge: „Ob ich mich mal unqualifiziert gefühlt habe oder den Eindruck hatte, dass andere das denken könnten?“ Sie schaut aus dem Fenster, blickt kurz an die Decke. „Nö. Ich bin qualifiziert, das weiß ich und das wusste ich bei einem neuen Job immer“, sagt sie. Es klingt selbstverständlich, ohne jeden Zweifel.

Katrin Elger kam im Oktober 2012 als Leiterin einer neu gegründeten Redaktion zum Handelsblatt. Kurz zuvor hatte sich Gabor Steingart, Herausgeber der Wirtschaftszeitung, medienwirksam der Forderung von ProQuote angeschlossen und dem eigenen Haus einen 30 prozentigen Frauenanteil in Führungspositionen verordnet.  Gezielt hatte er nach einer Frau für den neuen Posten gesucht und die junge Journalistin vom Spiegel abgeworben. Dort arbeitete Elger vier Jahre lang im Wirtschaftsressort, war im Berliner Büro eine der wenigen Frauen.

Als das Angebot der Konkurrenz kam, zögerte sie nicht lang: „Das war ein spannendes Projekt und zugleich ein Aufstieg.“ Ein Aufstieg, den sie bei ihrem alten Arbeitgeber wohl in der Form nicht gehabt hätte. „Beim Spiegel will man Frauen schon sehr lange in Führungspositionen bringen, besonders erfolgreich war man bisher aber noch nicht“, sagt Elger. Das Impressum offenbart: Mehr als Stellvertreterposten erreichen Frauen bislang nicht.

Jedes Medienhaus hat seine eigene Philosophie, sein eigenes Konzept zur Frauenförderung.  Die einen halten an den bestehenden Strukturen fest, die anderen setzen auf Veränderung, auf ganz bewusste Förderung. Sie brechen die sogenannte gläserne Decke allmählich auf. Dieist ein komplizierter Schutzmechanismus, eine dicke Schicht, die Chefs eingezogen haben, um unter ihresgleichen zu bleiben. Dreifach abgeriegelt gilt sie ohne fremde Hilfe als kaum „kaum überwindbar“, meint der Soziologe Carsten Wippermann. Die gläserne Decke trennt das Oben vom Unten, die Führungsebene eines Unternehmens von der normalen Belegschaft und sie hält Frauen aus männlich dominierten Kreisen fern.

Seit Jahren bekräftigen Unternehmen, Frauen fördern zu wollen, sie in die Chefredaktionen zu holen – ohne, dass sich etwas ändert. „Ein typisches Muster“, ist Carsten Wippermann überzeugt. Der Professor aus München hat 500 Manager per Fragebogen interviewt und anschließend mit 30 von ihnen anonyme Tiefeninterviews geführt. Drei Typen hat er dabei ausfindig gemacht, drei Muster, wieso Frauen keine Chefs werden.

Der Konservative will Frauen einfach nicht in seinen Kreisen haben - zu fremd, zu anders sind sie ihm. Der Emanzipierte hält Kolleginnen zwar für qualifiziert, glaubt aber, sie könnten den harten Machtritualen nicht standhalten. Den dritten Typus bezeichnet Wippermanns Studie als „radikal individuell“, er kann sich zwar Frauen in leitender Position vorstellen, nur gibt es aus seiner Sicht nicht genug qualifizierte – und den wenigen fehlen Authentizität und Flexibilität.

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„Im Zusammenwirken dieser Mentalitätsmuster haben Frauen fast keine Chance“, sagt Carsten Wippermann. Erschwerend kommt eine Art Handicap hinzu: „Die Mehrheit der Frauen bewirbt sich auf einen Job erst, wenn sie absolut sicher ist, dass sie die Anforderungen erfüllt.“ Gesunde Selbstzweifel, könnte man meinen, doch sie führten oft dazu, dass Männer rascher ihren Hut in den Ring werfen.

Gabi Ludwig zweifelt aus Überzeugung. „Anfangs hat man mir das als Schwäche ausgelegt“, sagt die WDR-Chefredakteurin. Ihre Chefs waren damals polternd, verließen sich eher auf den eigenen Bauch als auf Experten. Deshalb hatten sie oft schneller eine Meinung zur Hand. „Ich höre mir erst alle Argumente an und rede mit Mitarbeitern.“Bis heute arbeite sie so, sagt die 50-Jährige. Irgendwann hörten die Kollegen auf, ihr mangelnde Entscheidungsfreude vorzuwerfen. Sie merkten, dass Ludwigs Beschlüsse von den Mitarbeitern stärker getragen wurden und vielleicht auch, dass sie oft Recht behielt.

Ihre Karriere wirkt aus heutiger Sicht wie am Reißbrett entworfen. Nacheinander hat sie die öffentlich-rechtlichen Entscheidungsstrukturen durchschritten. Volontariat, kurzer Ausflug zum ZDF, Aufbau eines Lokalstudios in Wuppertal, Programmleitung, Aufstieg in die Chefredaktion und seit sechs Jahren Chefredakteurin, zuständig für die Landesprogramme des Senders. Beworben hat sich Ludwig auf keine der Stellen, einen Karriereplan gab es ebenso wenig - immer wurde sie gefragt. Fast kokett klingt es, wenn sie sagt: „Ich wollte nie Chef sein.“

Als sie 2006 trotzdem Chefredakteurin wurde, erklärte der WDR ihre Beförderung zum „Erfolg der Gleichstellungsoffensive.“ Darauf angesprochen verdreht Ludwig die Augen. Es klingt, als sei sie die Quotenfrau. Nach kurzem Zögern nickt Ludwig, so ganz falsch sei das nicht. Zumindest ihren ersten Führungsposten, die Leitung eines Studios im Bergischen Land, bekam sie, weil man bewusst eine qualifizierte junge Frau suchte. „Beim WDR gab es schon früh den Willen, Frauen zu fördern“, sagt Ludwig. Bei dem Sprung in die Hierarchien hat man ihr geholfen. Alles weitere, daran will die Journalistin keinen Zweifel aufkommen lassen, hat sie selbst geregelt. Nicht weil sie eine Frau ist, hat sie es so weit geschafft, „sondern weil ich kompetent bin.“

Ihr Sender, der WDR, hat den von ProQuote geforderten Frauenanteil längst erreicht. So ganz versteht Ludwig die Debatte auch nicht. „Entweder man will Gleichberechtigung oder nicht.“ Es sei eine einfache Entscheidung. „Aber sie muss in der Führungsebene eines Unternehmen getroffen werden. Von allein passiert nichts“, sagt Gabi Ludwig.

Christiane Florin, Chefin der Zeit-Beilage Christ & Welt, kann sich ziemlich genau an die Zeit der männlichen Alleinherrschaft  in ihrer Redaktion erinnern. Als manche der männlichen Kollegen noch überzeugt waren, Frauen könnten keine Leitartikel schreiben. „Wenn ich als Volontärin beim Rheinischen Merkur ans Telefon gegangen bin, fragten die älteren Herren, die anriefen, fast immer nach einem Redakteur, nach einem Mann“, erzählt sie. Man hielt die junge Journalistin für die Sekretärin. Eine Frau an der Spitze der konservativen Wochenzeitung? „Es war immer klar, dass das ein Mann macht“, sagt Christiane Florin.

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Die 44-Jährige sitzt leicht zurück gelehnt in ihrem Büro in Bonn-Gronau, hat die Beine übereinander geschlagen. „Bei konservativen Vätern sind es oft erst die eigenen Töchter, die ein Umdenken herbeiführen“, meint sie. Diese jungen Frauen sind hochqualifiziert und haben den Willen zum Aufstieg, genau wie die Kolleginnen der Väter. „Das sensibilisiert“, sagt Florin. Ihr damaliger Chefredakteur Michael Rutz bot ihr den Posten der Feuilleton-Chefin an. Als erste Frau bei der kirchlichen Wochenzeitung wurde sie Ressortleiterin.

2010 erschien die letzte Ausgabe des Rheinischen Merkurs. Zu teuer war er den Besitzern, einigen katholischen Bistümern, geworden. Als Beilage in der Zeit sollte das Blatt weiterleben. Diesmal war es Giovanni di Lorenzo, Chef der Hamburger Wochenzeitung, der Christiane Florin die Leitung der Redaktion übertrug. Sie ist seitdem das Gesicht des Mediums, tritt im Presseclub auf und wird zur Papstwahl befragt. Ihre Redaktion sitzt zwar weiterhin in der alten Bundeshauptstadt, trotzdem zählt sie zu den Führungskräften des Hamburger Verlags und damit zu den 30 Prozent.

Ähnlich wie Handelsblatt-Mann Gabor Steingart gehört Giovanni di Lorenzo zu den „spät Bekehrten“, wie der Verein ProQuote sie nannte. Beide führten in ihren Häusern einen weiblichen Mindestanteil für Führungspositionen ein. Zwar schwang in den Erklärungen immer noch die Sorge vor „positiver Diskriminierung“ mit, doch offenbar wog die Unzufriedenheit der vielen Journalistinnen mehr. 300 von ihnen hatten vor genau einem Jahr einen offenen Brief verfasst, der sich an Verlage und Rundfunkanstalten richtete. Nur zwei Prozent aller deutschen Tageszeitungen würden von einer Frau geleitet, führte ProQuote an. Auch wenn in der Rechnung alle Posten vom Chefredakteur bis zum stellvertretenden Ressortleiter berücksichtigt werden, bleiben die Anteile weiblicher Führungskräfte überschaubar. Besonders gering sind sie bei Süddeutscher Zeitung und FAZ mit 9 Prozent, sowie der Stuttgarter Zeitung mit 4,8 Prozent.

„Es ist derzeit eine populäre Formel, einen kulturellen Wandel in den Unternehmen zu fordern“, sagt Soziologe Carsten Wippermann. Vereinzelte Chefs ändern ihre Personalpolitik, fangen an Kolleginnen bewusst zu fördern. „Es bleibt aber meistens bei Ausnahmen“, sagt er.
Katrin Elger, Gabi Ludwig und Christiane Florin sind solche Ausnahmen. Sie haben Talent und Können, sie beherrschen ihren Job. Doch ganz ohne die Hilfe eines Mannes wären sie nicht auf ihrem jetzigen Posten.  Es gab einen männlichen Chef, der sie zur Führungsebene hochzog, ihnen da half, wo die Karriere der meisten Frauen ansonsten endet.

Die Quote ist eine Art Brechstange. Sie hebelt die gläserne Decke auf, sie zwingt zur Veränderung.  Nur mit einem solchen „kraftvollen Anstoß“, meint Carsten Wippermann, könnte die Decke zerspringen. Nur so kann frische Luft in die Chefetagen gelangen.

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