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Rösler und Brüderle - Ende eines glücklosen FDP-Spitzenduos

Die FDP am Tag danach: Schock, Rücktritte, ein Schuldeingeständnis. Philipp Rösler und Rainer Brüderle stehen vor einem politischen Scherbenhaufen. Die beiden Männer, die sich oft selbst behinderten, teilen ein Schicksal

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Wenn die FDP am Boden lag, hat sich noch immer ein Sündenbock gefunden. Diesmal sind es gleich zwei: Parteichef Philipp Rösler und Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle. Oder besser, sie haben sich selbst angeboten.

Beide räumten am Montag ihre Verantwortung für das Wahldebakel ein. Jetzt sei „Selbstreflexion“ nötig, sagte Brüderle; Rösler betonte gleich zweimal, dass der Wahlabend „bitter“ gewesen sei. Von fremden Schuldzuweisungen hielt der Parteichef Abstand: Die FDP sei „bewusst abgewählt“ worden. Rösler bot wie die übrigen Präsidiumsmitglieder seinen Rücktritt an, damit „inhaltlich und personell“ ein neuer Start möglich werde.

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Christian Lindner bot sich bereits als neuer Parteichef an. Ihm sei es bereits in Nordrhein-Westfalen gelungen, die FDP zurück in den Landtag zu führen. Das wolle er nun auch im Bund versuchen. „Mein Ziel ist es, dass die FDP bei der nächsten Bundestagswahl wieder dem Parlament angehört“, sagte Lindner. Es dürfe kein „Weiter so“ geben.

Rösler und Brüderle – sie waren ein tragisches Duo. Mal gewitzt, mal intrigant, aber im Schicksal miteinander verbunden. Der rüstige Spitzenkandidat und der junge Parteichef sollten die FDP im Wahlkampf eigentlich zum Erfolg, und nicht zu Grabe tragen. Vielleicht hängt der Niedergang ihrer Partei auch mit diesen beiden Personalien zusammen.

Auf Rösler ruhten alle Hoffnungen


Es begann vor zwei Jahren. Da war die Partei unter Guido Westerwelle schon einmal tief in der Krise. Auf Röslers Generation ruhten alle Hoffnungen – und er hatte den Segen seiner Partei, als er die Alten wegputschte. Rösler verdrängte Brüderle aus dem Wirtschaftsministerium; der musste sich daraufhin mit dem Fraktionsvorsitz begnügen. Der Pfälzer zeigte sich zwar loyal, doch dem Ministerposten trauerte er noch lange nach. Es war jenes Amt, auf das er in seinem Leben am längsten hingearbeitet hatte. Rösler wurde neuer Parteichef, das Gesundheitsressort übernahm Daniel Bahr.

Es war keine gute Basis für eine wirklich vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Spitzenliberalen.

Philipp Rösler musste nun gleich in zwei Mammutämtern reüssieren: dem Wirtschaftsministerium und dem Parteivorsitz. Ersteres überließ er in der Eurokrise eher Angela Merkel und seinem Finanzkollegen Wolfgang Schäuble. Beim zweiten versuchte er es mit einer Umkehr von seinen früheren sozialliberalen Thesen. 2008 hatte Rösler in dem Papier „Was uns fehlt“ noch mehr gesellschaftliches Engagement der FDP angemahnt, bei Themen wie Bildung, Sozialstaat, Energiepolitik. Als er endlich in einer Machtposition war, setzte er jedoch nichts davon um. Stattdessen verkündete der neue FDP-Parteichef einen konsequenten Wirtschaftskurs: die FDP als Partei der Steuersenkung, als Partei des Wachstums. Es ist ein Anachronismus, dass nichts davon in der schwarz-gelben Regierung eingelöst wurde. Die einzige Steuererleichterung setzten die Liberalen für die Hotelbesitzer durch – kurz nach der Mövenpick-Spende. Es war diese unselige Politik, die den Wählern von der FDP im Kopf blieb.

Rainer Brüderle talkte sich unterdessen durch die Republik. Er sollte die Rolle einnehmen, die er aus Sicht seiner Parteifreunde am besten kann: den Wadenbeißer, den Einpeitscher. Brüderle warnte vor Rot-Grün, vor Rot-Rot-Grün, vor hessischen Verhältnissen im Bund. Als nichts mehr ging, versuchte er es mit einer verunglückten Zweitstimmenkampagne: „Zweitstimme ist Merkelstimme“, sagte er und: „Wer Merkel will, muss FDP wählen.“ Ein fataler Irrtum. Die Wähler goutierten es keineswegs, dass sich eine Partei selbst in den Schmutz wirft, um Stimmen bettelt und nicht – wie es sich für marktwirtschaftlich denkende Liberale gehört – in den Wettbewerb begibt.

Dass zwischen Brüderle und Rösler weiterhin ein Machtkampf tobte, wurde durch kleine Spitzen deutlich. Unvergessen ist Brüderles Anspielung auf Röslers asiatische Herkunft vor zwei Jahren: „Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche.“ Deswegen sei „die Eiche hier heimisch und nicht das Bambusrohr.“ Rösler ertrug die Angriffe stoisch. „Der Bambus wiegt sich im Wind und biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht“, konterte Rösler. Es muss ihn trotzdem verletzt haben.

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Der Politikbetrieb ist manchmal gnadenlos. Man erhält keinen Dank, wird stattdessen persönlich für jeden Fehler verantwortlich gemacht. Und auch diesen einen Fehler sollten beide begehen. Rösler hatte sich bei der Nominierung Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten über seine Chefin Angela Merkel hinweggesetzt. Allein diese wohlplatzierte Illoyalität war das eine. Das andere, wie er sie mit einem unglücklichen Frosch-Vergleich in einer Talkshow anschließend bloßstellte. Der Vizekanzler hatte seitdem das Vertrauen der Regierungschefin verloren. Möglich, dass diese Episode auch die Handlungsoptionen der FDP nachhaltig beschädigt hat.

Aus Elefantenrunde rausgeflogen


Brüderle dagegen handelte sich mit dem kurzen Flirtversuch mit einer Stern-Reporterin mit voller Wucht den Sexismus-Vorwurf ein. Es war eine zähe, schlauchende Debatte, die am Ende beiden Beteiligten schadete und tiefe Spuren bei dem 68-Jährigen hinterließ. Ein Stück seines rheinischen Frohsinns blieb damals auf der Strecke. In den nachfolgenden Monaten hielt sich Brüderle, zu dem Zeitpunkt längst als Spitzenkandidat erkoren, lange in der Deckung. Er umging jede öffentliche Äußerung.

Schon am Sonntagabend zögerten Rösler und Brüderle nicht, die Verantwortung für das 4,8-Prozent-Debakel zu übernehmen. Beide boten indirekt ihren Vorsitz an.

Die ultimative Demütigung muss dann die „Elefantenrunde“ am späten Sonntagabend gewesen sein. Bei dem Gespräch der Spitzenkandidaten bei ARD und ZDF war Brüderle nicht dabei. Eingeladen wurden nur jene Parteien, die voraussichtlich die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würden.

Das Wahlergebnis hatte schließlich die Fraktion, ihren Vorsitzenden Brüderle sowie 600 FDP-Mitarbeiter bundesweit hinweggefegt. Es war der Schlusspunkt einer Serie von liberalen Pannen und der vorläufige Schlusspunkt zweier Spitzenkarrieren. Vielleicht war es aber auch der Neuanfang einer anderen FDP.

 

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