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FDP - Bangen vor der Fünf-Prozent-Hürde

Bei den Liberalen herrscht Endzeitstimmung. Nach der Schlappe bei der Bayernwahl befürchtet die FDP, auch am Sonntag aus dem Bundestag zu fliegen. Doch die Partei hat eine Strategie

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Sirleschtov, Antje

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Bilder sagen manchmal mehr als Worte. Wer wüsste das besser als Hans-Dietrich Genscher. Der 86 Jahre alte FDP-Politiker hatte sich im Herbst 1989 ganz allein auf einen Balkon der deutschen Botschaft in Prag gestellt und unter dem Jubel den DDR-Bürgern unten im Garten die Freiheit gebracht. Das Bild von Genscher, oben auf dem Balkon, ist seither eines der Synonyme für das Ende des Sozialismus.

An diesem Dienstag, es sind noch ganze fünf Tage bis zur Bundestagswahl, sieht man Genscher in der Berliner FDP- Zentrale wieder vor einem Fotoapparat sitzen.

Er lässt sich für ein ungewöhnlich großes (ganzseitiges) Interview in der „Bild“-Zeitung ablichten. Rechts neben ihm der letzte FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle und links daneben der amtierende, Philipp Rösler. Nach dem Absturz der FDP in Bayern auf 3,3 Prozent lautet die Botschaft der Drei von der FDP: „Jetzt geht’s ums Ganze.“

Wirklich? Geht es nächsten Sonntag um das Überleben der FDP im Parteienspektrum, verschwindet gar eine politische Kraft von der Bildfläche, die die deutsche Nachkriegsgeschichte entscheidend mitgeprägt hat? Geht es also auch „um die Zukunft von Deutschland“, wie Philipp Rösler am vergangenen Sonntagabend gesagt hatte? Die Wahrheit ist: Nein.

Schon oft hat die FDP bei Landtagswahlen derart schlecht abgeschnitten

Schon oft hat die FDP in der Geschichte der Bundesrepublik bei Landtagswahlen so schlecht abgeschnitten, dass sie den Einzug ins Parlament über die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft hat. Und Jahre später dann wieder doch. Und auch die mediale Warnung vor dem Exodus der FDP aus dem Bundestag ist übertrieben – und noch dazu nicht neu. Seit am 7. September 1949 der erste Bundestag der Bundesrepublik zusammen trat, ist die FDP immer in Fraktionsstärke ins Parlament eingezogen. Trotz ihrer sehr wechselvollen Geschichte schaffte sie immer die Fünf-Prozent-Hürde. Weshalb man die Endzeitstimmung, die die Parteiführung seit Sonntag in der Öffentlichkeit verbreitet – auch das ist kein neues Phänomen der FDP-Wahlstrategen –, auch als sehr geschickten Schachzug der Wahlkämpfer einordnen kann, wenige Tage vor der Wahl ihre Anhänger noch einmal wachzurütteln und zur Abstimmung aufzurufen. Und womit lockt man gemeinhin die meisten an? Mit dem alten Händlerspruch: „Räumungsverkauf! Noch eine Woche, dann ist Schluss!“

 

Dennoch: Die Verunsicherung sitzt tief

Schaut man dieser Tage hinein in die FDP, dann versteht man aber auch, dass die Warnung ihrer Wahlkämpfer vor dem Untergang der FDP womöglich mehr ist, als das übliche „Trommelschlagen“ vor einer Bundestagswahl. Es ist auch Ausdruck einer tief sitzenden Verunsicherung. Zwar hatten die Liberalen damit gerechnet, dass sie in Bayern kein überzeugendes Wahlergebnis werden erreichen können. Zu dominant war der bisherige Koalitionspartner CSU im Wahlkampf aufgetreten und viel zu wenig von dem, was die Liberalen als ihr politisches Selbstverständnis bezeichnet hatten, hatte man von der bayerischen FDP in den vergangenen fünf Jahren gehört und gesehen.

Aber mit einem Rausschmiss aus dem Münchner Landtag und einem Ergebnis um die drei Prozent hatte niemand ernsthaft gerechnet. Als die FDP- Führung am Sonntagabend in der Berliner Parteizentrale im Fernsehen die ersten Prognosen und Hochrechnungen sah, ging daher die schiere Angst um: Könnte es sein, dass die Wähler das Abstrafen der FDP ernstmeinen. Dass sie nächsten Sonntag in ganz Deutschland nicht die Regierungschefin und ihre Union, dafür aber die FDP als Sinnbild einer ungeliebten schwarz-gelben Regierung abwählen werden? Sozusagen stellvertretend für alles, was in den vergangenen vier Jahren schiefgelaufen ist?

Mit dieser Sorge im Hinterkopf setzen die FDP-Oberen seit Sonntag nicht mehr wirklich auf eine Fortsetzung ihrer Koalition mit Merkel. Es geht schlicht nur noch darum, in den Bundestag einzuziehen. 5,1 Prozent: So lautet die Parole. Denn jeder weiß, dass ein Ergebnis darunter, die außerparlamentarische Opposition also, für die FDP ein Desaster bedeuten würde.

 

Das Bild der Einigkeit gibt es nicht

Nach außen wird große Einigkeit zur Schau getragen. Philipp Rösler, der Parteichef, und Rainer Brüderle, der Spitzenkandidat, stehen seit Sonntagabend gemeinsam vor den Kameras und zeigen ein Bild der Einmütigkeit, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Selbst die Tatsache, dass der oberste Wahlkämpfer, Brüderle, zum Medientermin mit Genscher und Westerwelle nicht eingeladen wurde, wird heruntergespielt und kleingeredet mit dem Hinweis darauf, dass „alles gut ist, was der Partei dient“. Die Wahrheit ist, dass die Abwesenheit Brüderles, des Gesichts der Partei in diesem Wahlkampf, bereits ein Hinweis auf die personellen Auseinandersetzungen ist, die ab kommender Woche wie ein Gewitter über der FDP aufziehen werden, wenn das Wahlergebnis so ausfällt, wie es die Demoskopen voraussagen.

Und Gründe für das „Köpferollen“ finden sich leicht. 14,6 Prozent hatte Westerwelle 2009 auf das Konto seiner Partei eingezahlt. Allein der Hinweis darauf und den – wahrscheinlichen – gewaltigen Abstand zum Ergebnis dieser Wahl gibt Anlass dazu. Brüderle, der mit seinen „Butter-und-Brot“-Themen um solide Haushalte und dem Versprechen, keine Erhöhung der Belastungen für Steuerzahler zuzulassen, einen eher konservativen Wahlkampf um die Stimmen der „Stammwähler“ im kleinen Mittelstand und bei Handwerkern geführt hat, wird als erstes um sein politisches Überleben bangen müssen. Dass Brüderle durch seinen schweren Sturz im Frühsommer noch immer körperlich angeschlagen ist, wird ihn nicht davor bewahren.

Aber auch Rösler, der Parteivorsitzende, muss um sein Amt bangen, wenn die FDP ihre Regierungsbeteiligung nicht bestätigen kann. Denn ihm ist anzulasten, dass er, seit er 2011 an die Spitze zog, seiner Partei keinen Kurs vorgeben konnte. Einen Kurs, mit dem sie sich bis zur Bundestagswahl als frische neue liberale Kraft präsentieren konnte, die mehr ist als der traurige Rest des Wirtschaftsliberalismus, mit dem Westerwelle 2009 zwar die Deutschen überzeugt hatte, der dann jedoch in Verruf gekommen ist – und mehr auch, als die freiheitliche Verlängerung der Union von Angela Merkel.

Könnte die Angst-Strategie der FDP Erfolg haben?

Bis Sonntag setzt die FDP nun auf die Angst. Die Angst von Anhängern der Union davor, dass die Kanzlerin mit der SPD nach dem Wahlabend eine große Koalition bilden könnte und beim zwangsläufigen Feilschen um den Koalitionsvertrag Zugeständnisse macht, die ihr Bild von der sozialdemokratisierten CDU-Vorsitzenden bestätigen könnte.

Letzte Aktion vor der Wahl: Die Liberalen setzen auf eine Zweitsimmenkampagne. Foto: dpa

Merkel wäre dann „eine Kanzlerin von Gabriels Gnaden“, warnt Brüderle und fügt an, nur mit seiner FDP könnten Eurobonds, Mindestlohn und Steuererhöhungen verhindert werden. Es ist keine Botschaft voller Angebote, mit der die FDP um die Gunst der Wähler wirbt, es ist einzig die Warnung vor dem Verlust des Status Quo.

Als sich am Montag in Berlin die FDP- Spitzen aus ganz Deutschland versammelten, machte denn auch rasch der Begriff von der „Mitleidsmasche“ die Runde. Insbesondere der schleswig-holsteinische Landeschef Wolfgang Kubicki lehnte die massive Zweitstimmenkampagne seiner Partei vehement ab. Er wolle nicht „von der Gnade der Union“ abhängig in den Bundestag einziehen, sagte er. Auch andere Wahlkämpfer fanden den massiven Aufruf zum Stimmensplitting zwischen Union und FDP nicht gerade selbstbewusst. Die Parteiführung hatte allerdings längst auf den Slogan „Merkel bleibt Kanzlerin nur mit uns“ gesetzt. Auch diese Entscheidung wird ab Montag in der Partei bewertet werden.

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