Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Drohnen-Ausschuss - Thomas de Maizières Amtsverständnis auf dem Prüfstand

Der Untersuchungsausschuss soll herausfinden, ob Verteidigungsminister Thomas de Maizière beim Drohnen-Projekt „Euro Hawk“ die Wahrheit gesagt hat. Was genau kann der Ausschuss leisten? Und wann könnte es für den Verteidigungsminister gefährlich werden? Ein Überblick

Autoreninfo

Sirleschtov, Antje

So erreichen Sie Antje Sirleschtov:

Es war eines der ganz großen strategischen Rüstungsprojekte der Bundeswehr: Das Aufklärungssystem Euro Hawk, mit dem Deutschland rund um die Uhr Krisenherde, Einsatzziele aber auch Katastrophengebiete aus großer Höhe überwachen wollte. Zum Schutz von Soldaten und auch um zivile Einsätze vorbereiten zu können. Als das Projekt vor 13 Jahren gestartet ist, war bereits klar, dass die Aufklärungstechnik am besten in ein unbemanntes Flugobjekt eingebaut und damit auf das technologische Niveau der Zukunft gehoben werden soll.

500 Millionen Euro sind bisher in die Entwicklung eines Prototyps investiert worden, den das amerikanische Unternehmen Northrop Grunman gebaut hat.

Doch im Mai hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) das Projekt plötzlich gestoppt. Seine Begründung: Die Drohne, das Flugobjekt, könne keine Genehmigung zur Teilnahme am Flugverkehr in Deutschland bekommen.

Ob das die richtige Entscheidung war, ob sie zu früh oder zu spät gefällt wurde und welche Kosten dadurch entstanden sind, das soll nun ein Untersuchungsausschuss klären. Und natürlich will die Opposition nachweisen, dass der Minister schon viel länger, als er bisher zugegeben hat, von den unlösbaren Probleme der Zulassung des Euro Hawk gewusst hat. Schließlich sind es nur noch ein paar Wochen bis zur Bundestagswahl – und Thomas de Maizière gehört zu den engsten Verbündeten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Wie will der Ausschuss die Wahrheit herausfinden?

Nur zwei Wochen hat sich der Ausschuss Zeit gegeben, um Zeugen zu befragen. Schließlich sind alle Ausschussmitglieder im Wahlkampf engagiert und verplant. Viel Zeit bleibt also nicht und bisher gibt es auch noch keine Dokumente, die zweifelsfrei belegen, wann de Maizière was gewusst hat. Den Ausschuss führt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Susanne Kastner (SPD). Sie gibt jedem Zeugen die Gelegenheit, zunächst in einigen Worten seine Sicht auf die Entwicklung des Rüstungsprojekts darzustellen. Danach darf jede Fraktion Fragen stellen. Und zwar nach der so genannten „Berliner Stunde“. Die CDU/CSU-Vertreter haben 23 Minuten Zeit, die SPD 14. FDP, Linke und zum Schluss die Grünen teilen sich den Rest der „Stunde“. Gibt es nach der ersten Fragerunde weitere Fragen, startet die Vorsitzende eine zweite oder sogar dritte Runde.

Als erstes haben die Ausschussmitglieder am Montagmorgen den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, befragt. Die Befragung hat gut zwei Stunden gedauert. Am Montag wurden außerdem die früheren Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Franz-Josef Jung (CDU) im Zeugenstand verhört, um zu klären, wie es zu dem Projekt kam und ob die Gründe für dessen Scheitern schon früh absehbar gewesen sind. De Maizière hatte nämlich von „Geburtsfehlern“ des Euro Hawk gesprochen.

Außerdem werden Mitarbeiter des Ministeriums, der Rüstungsunternehmen und der Bundeswehr vernommen. Kommende Woche dann wird es spannend: Dann sollen de Maizères Staatssekretär Stéphane Beemelmans und der Minister selbst vor den Abgeordneten aussagen. Die Befragungen der Zeugen ist öffentlich, das heißt, akkreditierte Journalisten dürfen zuhören. Ausnahmen gibt es, wenn sich Fragen oder Antworten auf Dokumente beziehen, die „vertraulich“ oder sogar „streng geheim“ sind. Dann müssen alle Ausschussmitglieder in einen speziellen abhörsicheren Raum wechseln, wo die Befragung dann fortgesetzt wird – ohne Öffentlichkeit.

War das Scheitern des Euro Hawk schon von Beginn an absehbar?

Dieser Frage gingen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses am Montag nach. Und vom ehemaligen Generalinspekteur Schneiderhan erhielten sie auch gleich eine klare Antwort: „Probleme?“, sagte er, „Probleme hat es von Anfang an gegeben. Aber mit welchem Rüstungsprojekt hatten wir keine Probleme?“ Schneiderhan zeigte deutlich auf, dass schon Anfang 2000 klar war, dass die Bundeswehr eine Kompetenzlücke bei der Aufklärung großer Gebiete haben würde. Deshalb wurde eine sogenannte Konzeptstudie in Auftrag gegeben, die herausfand, dass nur der Einbau der Technik in ein unbemanntes Flugobjekt, die Drohne, eine technologische Lösung darstellen würde, die, wie es Schneiderhahn nannte, „nicht aus dem vorigen Jahrhundert stammt“. Dass die deutschen Luftverkehrsgesetze damals (und auch heute noch) nicht auf die Zulassung eines unbemanntes Objektes vorbereitet waren, das sei, so Schneiderhan, schon sehr früh bekannt gewesen. Aber ebenso sei es „übereinstimmende Auffassung gewesen, dass die Probleme lösbar sind“. Weder die Industrie, noch die Fachleute im Ministerium, noch der Bundesrechnungshof, sagte Schneiderhan, hätten bis 2009 Signale gegeben, das Projekt wegen zu hoher Kosten oder Zulassungsprobleme in Frage zu stellen. Bis zum Ende seiner Amtszeit 2009 hätten die Probleme „immer eine lösbare Dimension“ gehabt, sagte Schneiderhan. Soweit also wird die Version des Verteidigungsministeriums und des Ministers gestützt, nach der die Probleme lange bekannt und dennoch als lösbar eingestuft worden seien.

Dennoch steht der Vorwurf de Maizières im Raum, es habe „Geburtsfehler“ gegeben. Doch weder Schneiderhan noch der Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping wollen davon etwas wissen. Ersterer spricht eher von einer „schwierigen pränatalen Phase“, die allerdings überwunden wurde. Und Scharping weist die Kritik seines Nachfolgers im Amt ganz und gar zurück. „Nee, Geburtsfehler gab es nicht“, sagte er. Ganz im Gegenteil: „Das Projekt ist eines von beachtlicher strategischer Bedeutung“, erinnert sich Scharping, weshalb er „regelmäßig“ mit „allen Verantwortlichen“ darüber gesprochen habe.

Was könnte Verteidigungsminister de Maizière gefährlich werden?

Zwei Dinge: Zum einen könnten Dokumente auftauchen oder Zeugen Aussagen tätigen, die zweifelsfrei (!) belegen, dass de Maizière doch früher, als er bisher selbst zugegeben hat, von der Unlösbarkeit der Probleme gewusst hat. Und zum anderen steht sein Amtsverständnis in Frage. Rudolf Scharping drückte es so aus: „Wenn ein Minister ein strategisch so wichtiges Projekt hat, dann muss er sich selbst immer wieder darüber informieren lassen – und zwar nicht nur durch Vorlagen des Beamtenapparates“.

 

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.