Illustrationen Marie Wolf

Die neuen Bundesländer - Der Osten ist erwachsen geworden

Nach den jüngsten Landtagswahlen stehen die sogenannten neuen Bundesländer unter verschärfter Beobachtung. Westdeutsche Intellektuelle und Politiker werfen den Ostdeutschen mangelhaftes Demokratieverständnis vor. Hier erklärt ein gelernter Ossi, was da wirklich los ist.

Porträt Mathias Brodkorb

Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

So erreichen Sie Mathias Brodkorb:

„Bloß keine Wählerbeschimpfung! Doch, genau das muss jetzt leider sein.“ So ätzte der Kabarettist Florian Schroeder kurz nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen. Bei allem, was dann noch folgte, fühlte man sich zwangsläufig an den sprichwörtlich „arroganten Wessi“ von Anfang der 1990er Jahre erinnert:

Die „Selbstkasteiung etablierter Parteien“ hätte gar keinen Sinn; wer die migrationskritischen Parteien AfD oder Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wähle, mache damit nur deutlich, vom „Prinzip Freiheit leider überfordert“ zu sein. Im Osten gebe es schließlich viel weniger Ausländer als im Westen. Wer dennoch AfD oder BSW wähle, sei also entweder einfach „grottendoof oder hinterfotzig“. Es ist allerdings nicht der Osten, an dem die Vollendung der Wiedervereinigung derzeit scheitert. Es sind Leute vom Geiste Schroeders.

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Ingo Frank | Di., 15. Oktober 2024 - 18:15

Artikels nicht auch Mitglied einer Partei der „Vaterlandslosen Gesellen“ könnte man vieles geschriebene anerkennen was zum Verhältnis Ost & West angemerkt wurde.
Will sagen, immer schön an die eigene parteipolitische Nase fassen und Druck der Kursänderung auf die eigenen Parteioberen ausüben. Dann kommen wir der Einheit ein ganzes Stück näher
Mit besten Grüßen aus der Erfurter Republik

Urban Will | Di., 15. Oktober 2024 - 19:04

wenig das hinein, was der Artikel kritisiert.
Der Osten musste nie „erwachsen“ werden, das sage ich als im westlichen Westen Geborener, der die Wiedervereinigung kurz nach seiner Wehrdienstzeit (damals noch „böser Rotblock“, incl. DDR gegen „gutes Blauland“) erleben durfte. Geprägt durch runde 40 J Diktatur waren sie weit „erwachsener“ als wir wohlstandsverwöhnten Wessis. Und sie sind es noch.
Der Osten konnte ebenso wenig die Dinge unmittelbar nach '45 steuern wie der Westen.
Und so kam es wie es kam.
Ja, auch ich ärgerte mich kurz nach der Wende oft über so wahrgenommene „Undankbarkeit“ der Ossis.
Aber ich habe lange nicht begrifffen, was es heißt, sich in einer friedlichen Revolution die Demokratie zurückzuholen. Es war die Demokratie Westdeutschlands. Und nun sehen sie, wie der noch immer dominante Westen sie wieder hergibt.
Seit Merkel lässt er sich das Denken vorschreiben.
Aber nicht die „Erwachsenen“ im Osten.
Und das zeigen sie auf dem Wahlzettel.
Chapeau!!

und Sie haben wieder Recht. Genau so ist es. Wer einmal vom süßen Saft der Freiheit genascht hat (aus der Perspektive der Unterdrücker aus Ost wie West)
der ist bereit diese an der Wahlurne einzufordern. Nebenbei, die gelebte Freiheit ab 2015 hat mit der 89 errungenen damaligen „westdeutschen Freiheit“ nichts aber auch gar nichts mehr zu tun.
Mit besten Grüßen aus der Erfurter Republik

Gotthard Steimer | Di., 15. Oktober 2024 - 19:31

..FS ist einer der widerlichsten Vertreter, gänzlich ohne eigene Meinung, und stets online mit dem Schwaetzer-Pack in den zuständigen rot-grünen Ministerien, seinem Auftrag zum 'Klimawandel' für die Ampel verbunden.

Jens Böhme | Di., 15. Oktober 2024 - 19:32

Es wird immer Großmächte geben. Mal sind sie stärker, mal schwächer, aber nie weg. USA, Russland, China, Indien. Alle anderen Staaten müssen/dürfen sich entscheiden, wohin man sich uldvoll neigt, um einen militärischen Sicherheitsgarant zu haben. Tatort-Komissar Schimanski sagte am Ende eines Tatort-Krimis:"Für mich ist die ganze Welt ein großer Arsch. Und die rechte Arschbacke, das sind die Amerikaner, ja. Die linke Arschbacke sind die Russen und wir hier in Europa, wir sind das Arschloch."

Markus Michaelis | Di., 15. Oktober 2024 - 19:37

Ich sehe auch wichtige und kritische Probleme im Westen (was nicht heißt, dass es nicht auch Probleme im Osten und gemeinsame gäbe).

Die "staatstragenden Menschen" im Westen haben sich zuwenig mit Kritik auseinandersetzen müssen und waren zu lange erfolgreich. Sie haben dann irgendwann angefangen nicht mehr zwischen ihren Werten und Demokratie zu unterscheiden und sie haben ihre Werte irgendwann für universell gehalten.

Zentrale Punkte sind etwa Weltoffenheit und für alle Menschen zu denken, nicht nur für sich selber. Das scheitert aber an zu vielen Stellen an einer Welt, die nicht tiefer daran interessiert ist einfach ein Teil von uns zu werden. Das Denken für alle Menschen reibt sich daran, dass der Rest der Welt meist lieber selber denkt.

Es ist eher der Westen, der den Diskrepanzen zwischen seiner Weltsicht und der Welt im Moment eher überfordert gegenübersteht.

Christa Wallau | Di., 15. Oktober 2024 - 19:49

lieber Herr Brodkorb, dann komme ich mir vor wie ein "Ossi", obwohl ich immer im tiefsten Westen unseres Landes gelebt habe.
Ich verstehe die Argumentation meiner mitteldeutschen Mitbürger sehr gut und kann nachvollziehen, wie ihnen zumute ist.
Ihrem Verständnis nach sollte Demokratie natürlicherweise viel mit Vaterlandsliebe u. Verantwortungsbewußtsein für Deutschland zu tun haben - sowohl beim Bürger als auch - selbstverständlich - bei jedem Politiker.
Genau diese wichtigen Prämissen finden die Menschen in den neuen Bundesländern aber kaum bei den Altparteien. Daher ist die Zahl der Stimmen für die AfD hier so hoch!
Die "Ossis" wollen nicht vordringlich Weltpolitik betreiben, sondern wünschen sich Regierungen, die ihre Haupt-Interessen bedienen, nämlich Friedenssicherung, Erhalt der Arbeitsplätze, des Wohlstandes sowie der Sozialsysteme u. Schutz von Heimatkultur.
Dies ist genau das, was i c h mir auch wünsche.
Man mag das für "beschränkt" halten, aber ist es deshalb illegitim?

Völlige Übereinstimmung, sehr geehrte Frau Wallau im Westen der Republik. Ihrer Einschätzung würde ich nur hinzufügen wollen, dass wir im Osten uns nicht von einem westdeutschen linksgrünen Wähler-Mehrheitswillen dominieren lassen. wollen, der auf naive Gutmenschen-Art die Welt retten will, koste es, was es wolle.
Ich habe den Eindruck, viele Leute westlich von Elbe und Werra meinen oder hoffen, damit die deutschen Untaten des 2. WK kompensieren zu können. Das ist selbstverständlich ok, sollte aber mit Vernunft und Bedacht erfolgen, ohne das eigene Land gegen die Wand zu fahren, wie es zur Zeit geschieht.
Hinzugefügt werden muss, dass wir im Osten durch immense Reparationen nach 1945 und 40 Jahre russischen Kommunismus auf niedrigem Wohlstandsniveau schon eine Menge "Wiedergutmachung" leisten mussten. Auch das bitte ich zu berücksichtigen, wenn es um Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Ost und West geht: Recht bescheidener Wohlstand, der nun wieder gefährdet ist

A Otto | Di., 15. Oktober 2024 - 19:52

Die Darstellung von Herrn Brodkorb beschreibt 100 %IG die Realität. Ich bin Wessi, arbeite seit mehr als 30 Jahren in den USA und habe seit den 80er Jahren ostdeutsche Freunde wir uns häufig treffen und austauschen. Wir haben dieselben Diskussionen und Einschätzungen. Dabei machen wir den USA gar keinen Vorwurf. Deren Politik ist genau in ihrem strategischen Interesse. Eine Eigenschaft, die die deutsche Politik fast nicht kennt. Noch ein Punkt, die Emanzipation der östlichen Länder hat als wesentlichen Katalysator in den letzten Jahren eine grottenschlechte Politik, die sich nicht nur in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation sondern auch in allen Umfragen im Westen zeigt. Ob aber die CDU intellektuell in der Lage ist, daran viel zu ändern, ist auch sehr fraglich.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 16. Oktober 2024 - 11:33

Antwort auf von A Otto

sonst ist sie nicht.
Ich mag nicht hochintelligent sein, aber vielseitig.
Ihr letzter Satz , Herr Otto, sagt mir ganz besonders zu.
Alleine traue ich es der CDU gar nicht zu. Gewählt wird sie trotzdem, weil sie schliesslich, wie die anderen Parteien, "Partial"interessen bedient.
Da finde ich mich in der SPD wieder, sehe aber dort im Moment auch niemanden, der die Partei intellektuell weiterbringen könnte.
Oppermann hätte es gekonnt mit Antennen für ganz Deutschland.
Aber um eine intellektuelle Entwicklung in den Parteien voranzutreiben, bedarf es öffentlicher Intellektueller gleich welcher Coleur.
Ich denke, dass wir hier unseren Teil dazu beitragen.
Herr Brodkorb ist ein Glücksfall für den Cicero, weil von Links kommend, in tragender politischer Verantwortung in der SPD gewesen(Minister), als Intellektueller breit überblickend und vielleicht noch lange auf der Reise, im Lebend stehend durch seinen derzeitigen Job.
Was denkt Brodkorb über eine steuernde! Finanzmarkttransaktionssteuer?

Walter Bühler | Di., 15. Oktober 2024 - 19:58

... dem ich aufgrund eigener Erfahrungen nur zustimmen kann, auch wenn ich selbst gar kein Ossi bin.

Die Besserwisser, die Westdeutschen, die mit inquisitorischer Lust über die Ossis, über die "Dunkeldeutschen" ihre Vorurteile ausschütten, sind in Wahrheit auch für das westliche "Helldeutschland" ein großes Problem.

Denn sie kultivieren einen Sündenbock, der den helldeutschen Besserwissern als Ausrede dafür liefert, nicht nach EIGENEN politischen Fehlern suchen zu müssen.

Dadurch werden Besserwessis in ihrer LernUNfähigkeit gewissermaßen einzementiert. Irgendwann zeigt sich das dann auch zuhause, auch im hellen Westen.

Heidemarie Heim | Di., 15. Oktober 2024 - 20:54

How dare you !! Und nachdem wir uns nun alle beruhigt haben;), glauben Sie geehrter Herr Brodkorb wirklich, dass all die wahrhaftigen Demokraten der Mitte, also die Parteien welche letztens im Osten eins vom Wähler gehörig auf den Sack bekommen haben, nach den Wahlen ihr Geschwätz von gestern von wegen "Die, und die da erst recht kommen mir aber nicht in mein Bälle-Paradies!" noch kümmert? Die leiden noch vor Beginn der Elefantenrunde bis auf den alternativen Paria am Tisch geschlossen an einer Form retrograder Amnesie, die mindestens über die Dauer der Koalitionsverhandlungen anhält. Denn für so was wie eine Minderheitsregierung unter Einbindung aller vorhandenen Fraktionen zur Bewältigung der Probleme des Landes sowie die Fähigkeit die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft aufzuheben, sehe ich momentan keine der zur Wahl stehenden Parteien in der Lage. Und was empfehlen Sie und ihre Grill-Gang lieber Herr Brodkorb;) einem echten Westgewächs wie mir, die an allen Parteien irgend was auszusetzen hat bzw. Unvereinbarkeiten mit dem nicht nur politischen Gewissen bestehen? Ich bin es nämlich wie wahrscheinlich viele meiner Mitbürger leid mich zwischen Pest u. Cholera entscheiden o. Kompromisse eingehen zu müssen, die Einem nicht nur auf den Zeiger gehen, sondern auch im Nachhinein belasten können. Gibt es da was von "Wahlopharm"? MfG

Wolfgang Borchardt | Di., 15. Oktober 2024 - 21:24

Arrogsnz schaut hier auf den Osten. Welche Demokratie ist gemeint? Die selbst angefertigte dieser Regierung, die sie verbissen gegen Andersdenkende vertedigt? Ostdeutsche haben drei zusätzliche historische Erfahrungen: 1. die DDR (die Fortsetzung der Hitler-Diktatur mit umgekehrtem Vorzeichen), 2. der Zusammenbruch der DDR mit erheblichen persönlichen Herausforderungen, Erfolgen und Verlusten + das "Wirken" der Treuhand, 3. die Rückkehr der DDR in einigen Aspekten der Innenpolitik. Mindestens ältere Ostdeutsche haben ein seismografiscjes Gespür für das, was Demokratie nicht ist. Z. B die Audgrenzung Andersdenkendet, das feige Verstecken hinter Brandmauern. Und schließlich: Man glaubt den alt gewordenen Parteien nicht, dass sie die Probleme lösen werden, die sie in den vergangenen Jahrzehnten selbst initiiert haben. Wo ist die demokratische Opposition, die so dringend gebraucht wird? Würde die FDP ihrem Namen gerecht werden, gäbe es weder AfD noch BSW. .

Tomas Poth | Di., 15. Oktober 2024 - 22:15

Der Osten ist auch hinsichtlich Demokratieverständnis weiter entwickelt als die Alt-BRD und erkennt Zwangsbeglückung durch Regierungen besser als der Westen.

Johannes | Di., 15. Oktober 2024 - 22:23

den Schlusssatz mit 35 Jahren Besserwisserei. Da fehlt das Plattmachen und der Missbrauch des Parteiensystems von A. Merkel

Wolfgang Z. Keller | Di., 15. Oktober 2024 - 23:04

... aber der Spruch von den "vaterlandslosen Gesellen" war - wohl von Kaiser Wilhelm ll - 1897 u.a. auf die SPD gemünzt, die neben dem Zentrum und der Freisinnigen Volkspartei gegen seinen Antrag zur erheblichen Vergrößerung der Kriegsflotte gestimmt hatte.
Von daher hinkt für mich dieses Zitat in Bezug auf „die Wessi-Politiker und -Eliten“ ziemlich, tut aber Ihrem ansonsten gelungenen Artikel keinerlei Abbruch - danke dafür!

Stefan Jarzombek | Di., 15. Oktober 2024 - 23:41

"Es ist allerdings nicht der Osten, an dem die Vollendung der Wiedervereinigung derzeit scheitert. Es sind Leute vom Geiste Schroeders."
Willst du nicht mein Bruder sein,so schlag ich dir verbal den Schädel ein.
Der Westen ist dabei das ganze Land an die Wand zu fahren und schimpft auf den Osten, weil's die Bürger dort anscheinend begriffen haben, daß ein Kuchen nur bedingt teilbar ist.
Anstatt der gesamten deutschen Bevölkerung gutes zu tun,tut der Gutmenschenwesten anderen gut mit denen wohl eher niemand jemals zuvor etwas zu tun hatte oder zu tun haben wollte.
Genau wie der Kabarettist Florian Schroeder,der hofft das es Sterntaler regnet, sobald das letzte Hemd verschenkt worden ist, meinen viele hierzulande wohl auch durch eine Art von Ablasshandel die eigene Seele von ihren Sünden reinwaschen zu können.
Alles nicht im Sinne des Erfinders.
Es gibt Grenzen,die es zu respektieren gilt und wer diese nicht respektiert, respektiert auch nicht den Staat in den er einwandern möchte.

Volker Naumann | Mi., 16. Oktober 2024 - 00:32

Vorweg; ich mag seine Beiträge und stimme Ihnen oft vollständig zu.

Bei Wikipedia kann es jeder selbst nachlesen.
1977 in Rostock geboren, mit den Eltern 1987 nach Österreich gezogen, 1992 zurück in den Osten gekommen. Politisch zuerst bei der PDS in der kommunistischen Plattform, dann SPD und nun Sympathien für das BSW.

Alles seine persönlichen Sachen und geht auch keinen etwas an, aber das ist einfach kein "gelernter Ossi". Dazu würde ein kompletter Schuldurchlauf, Lehre, Studium und eine Berufstätigkeit in der DDR gehören.

Die benannten Probleme und Entwicklungen sind nicht falsch dargestellt. Er ging vom Westen wieder in den Osten, aber es gab auch viele, die in den Jahre nach 1990 in den Westen gehen mussten und danach wieder (z. B. Renteneintritt, Familie) zurückgingen und einen ganz anderen Blick haben auf das Geschehen.

Ob es in Sachsen und Thüringen zum Bündnis zwischen CDU und BSW kommt (wie er hofft), wage ich sehr zu bezweifeln. Die CDU-chefs haben zu hoch gepokert.

MfG

Thomas Hechinger | Mi., 16. Oktober 2024 - 06:52

Vielen Dank, Herr Brodkorb, für diesen Einblick in die Psyche eines richtigen Ossis. Nun bin ich ein richtiger Wessi. Ich möchte mich aber dagegen verwahren, mit den Leuten, die sie als „der Westen“ bezeichnen, in einen Topf geworfen zu werden. Das ist nur eine gewisse Schicht, die die kulturelle und gesellschaftliche Herrschaft übernommen hat und sich in der Verwaltung, den Behörden, den Stiftungen, den Kirchen, den Vorfeldorganisationen der Politik, den Medien und den Organen der sogenannten „Zivilgesellschaft“ festgesetzt hat und die Hegemonie über den Diskurs ausübt. Viele Menschen ordnen sich diesem Druck unter, obwohl sie im Innern anders ticken. Und viele eher unpolitische Menschen interessiert das Ganze sowieso nicht. Sie bekommen es gar nicht mit. Bisher war das jedenfalls so. Es ändert sich aber gerade, weil die Transformationspolitik inzwischen auch in ihr Leben eingreift.

Ingbert Jüdt | Mi., 16. Oktober 2024 - 07:36

Schöner Artikel! Der Wessi kann heute vom Ossi viel lernen. Sage ich als Wessi. Aber anscheinend erstickt er lieber an seiner Arroganz. Die ist insbesondere daran abzulesen, wie er die dysfunktionale Elitendemokratie, die längst von undemokratischen internationalen Organisationen in der Hand der Privatwirtschaft beherrscht wird, für den Gipfel der politischen Evolution hält. Nein, Demokratie ist das nicht mehr. Und des Wessis »Haltung« ist nur ein anderes Wort für Realitätsverlust.

Christoph Kuhlmann | Mi., 16. Oktober 2024 - 08:45

Es wäre Irrsinn die Mitgliedschaft infrage zu stellen. Selbstverständlich kann man mit eine, starken europäischem Pfeiler auch außenpolitisch mehr Spielraum gewinnen. Aber hallo? Wir alle kennen den Haushaltsentwirf für 2025. Deshalb wird Deutschland, wie auch alle anderen Europäer fein säuberlich in der amerikanischen Spur gehen. Wer auch immer die dann zieht. Trump will 3 Prozent BIP für die Rüstung, nicht nur 2 Prozent, wie Deutschland mit "Sondervermögen" temporär erreicht hat. Seig ihr sicher, dass Harris gewinnt? Ich hätte dann gerne die Finanzierungsvorschläge zum Bundeswehrhaushalt vor der Wahl. Russlands hässliche Seite wird offenbart sich seit fast drei Jahren im Ukrainekrieg. Wer meint mit Putin ohne Truppen verhandeln zu können, der wird täglich eines Besseren belehrt. Kuschelkurs mit Moskau mitten im Krieg. Ich fasse es nicht.

Albert Schultheis | Mi., 16. Oktober 2024 - 08:53

Das Problem ist doch nicht, "Der Osten ist erwachsen geworden"! - Das Problem ist, der Westen ist total infantilisiert und verblödet! Infantilisiert und verblödet durch infantilisierte und verblödete Erzieher und Lehrer, durch Medien und insbesondere durch eine infantilisierende und verblödende Glotze!
Es gibt nur eine Lektion, um infantilisierte und verblödete Kinder und Erwachsene zur Vernunft zu bringen: Verelendung und dystopische Gewalt. Beide Erziehungsmaßnahmen hat man sich bereits selbst verordnet - durch Infantilisierung und Verblödung. Der Prozess der Rekonvaleszenz ist extrem schmerzhaft, langwierig, aber normalerweise nachhaltig (in Deutschland immer nur eingeschränkt nachhaltig, wie uns die Geschichte lehrt).

Gerhard Lenz | Mi., 16. Oktober 2024 - 09:21

stellt sich manches anders dar. Selbst einige Ossis (z.B. Wolf Biermann) kommen zu einem differenzierteren Urteil.
Viele Menschen im Osten sind im demokratischen Deutschland angekommen. Andere nicht. Was erklärbar, aber nicht immer entschuldbar ist. Die Geschichte dieser Ostdeutschen ist die ewiger Opfer. Nach der NS-Diktatur von den Kommunisten unterdrückt, nun vom Westen vergessen, wenn nicht gar betrogen. So scheint vielerorts das Fazit zu sein, wenn man dort an das vereinte Deutschland denkt. Da ist die Wut so groß, dass man sich ausgerechnet von Extremisten "Rettung" erhofft - die AfD, die ist "für's Volk!". Da sucht man sogar die Nähe zu den ehemaligen Unterdrückern, den Russen - denn der Westen, von dem wurde man doch so enttäuscht.
Überhaupt: Enttäuschung, bedingt durch falsche Erwartungen nach der Wende - Ost-Sicherheit und West-Wohlstand sollten sich ergänzen, blieben aber für manche aus! Ergebnis? Erwachsene, die endlich Veranwortung übernehmen? Oder eher beleidigter Trotz?

Herr Lenz, vielleicht lesen Sie mal die vielen Kommentare zu diesem Artikel, die von Wessis stammen, sich aber von Ihrem Kommentar (und all den vielen früheren Kommentaren aus Ihrer Feder) doch sehr deutlich unterscheiden. Drehen Sie sich mal und zählen sie mal die Gesinnungsgenossen, die wirklich hinter ihnen stehen.

Nich ganz "erwachsen" und "beleidigt"? So was soll übrigens auch in Helldeutschland vorkommen.

Vielleicht, Herr Lenz, ist einfach der Zeitpunkt in Ostdeutschland früher gekommen, sich nicht mehr verarschen lassen zu wollen.
Der Westen braucht da noch etwas länger wie es aussieht.
Aber glauben sie mir auch im Westen geht der Krug nur solange zum Brunnen,bis er bricht.

Ingofrank | Mi., 16. Oktober 2024 - 17:11

Antwort auf von Stefan Jarzombek

Ich denke die Ursachen liegen in „unterschiedlichen Polstern“ auf dem der Westdeutsche gegenüber dem Ostdeutschen gebettet ist.
Begonnen mit der (ökonomisch sinnvollen! ) Halbierung der Spaarguthaben, dem Arbeitsplatzverlust in Größenordnung, das Verscherbeln des Volkseigentums für 1 DM an den westdeutschen Investor o d e r an einen SED Altkader der eben als Betriebsleiter zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle saß.
Berufliche Neuanfang in Westdeutschland verbunden mit jahrelangem Pendeln von Ost nach West mit einem Einstellungshehalt als Dipl. Bauing. welches dem eines Lehrlings als Bauzeichner im dritten Lehrjahr entsprach. Will sagen, der Neuanfang war nicht einfach und es dauerte schon eine geraume Zeit durch Fleiß und Arrangement wieder auf die Füße zu fallen. Und heute soll ich dann auf meinen mir erarbeiteten bescheidenen Wohlstand verzichten, und einer Solidargemeinschaft zu fröhnen und jeden Glücksritter der dieses Land betritt mit Bürgergeld zu stützen …
MfGad Erf.Rep.

Herr Bühler,

ein Turn- und Geschichtslehrer (gleichwohl mit erschreckenden Wissenslücken in Bezug auf NS-Gesichte, wie er vor Gericht "offenbarte), in NRW geboren, in Rheinland-Pfalz aufgewachsen und in Hessen verbeamtet, der sich in Thüringen niederliess, um dort - für die Ostdeutschen, die das nicht alleine schaffen - die Wende zu "vollenden", was mag der wohl von den "Ossis"halten? Gemeint ist natürlich der "große Deutsche Bernd Hoecke".

Ein bekennendes AfD-Mitglied, das in diesem Forum perment ganze Kübel voller Lob über die Ostdeutschen ausschüttet, zuletzt wegen ihrer - Achtung - Vaterlandsliebe und Heimatkultur - was nach Ansicht der Dame dazu führt, dass sie so zahlreich AfD wählen.....

Was haben diese beiden Wessis wohl eine Meinung von den Ossis?

Besonders sensibel und aufmerksam,was politische Entwicklungen angeht......oder leichte Manövriermasse?

Wer's nicht kapiert.....

Herr Schultheis: Ach der US-Jude Sorros ist es mal wieder....und überhaupt der Westen. Klar doch.

"Viele Menschen im Osten sind im demokratischen Deutschland angekommen. Andere nicht." - Haut der Lenz einfach mal so raus! Wer zu den einen gehört und wer zu den anderen, das entscheidet natürlich auch - der Lenz und seine faschistoide RotGelbGrüne Stasi-Mischpoke! Haben ja sonst nix zu tun.
"Da sucht man sogar die Nähe zu den ehemaligen Unterdrückern, den Russen - denn der Westen, von dem wurde man doch so enttäuscht." - ... die Russen, die auf so perfide Weise einfach ihre Unterdrückung abgesagt und von heut' auf morgen gegangen sind! Einfach so - ohne auch nur etwas vom Tafelsilber einzusacken. Bis auf den letzten Mann! Und die anderen, die Amis lungern immer noch da rum! Sie ziehen sogar stetig in Richtung Osten, wo gerade die Russen abgezogen sind, und installieren ihre Atomsprengköpfe, ihre Agenten, ihre Soros-$$ für Demokratie und Freiheit! Die können ein Machtvakuum einfach nicht ertragen.
Für 1 Sekunde wart ihr frei, liebe Ossis, ihr habt mein aufrichtiges Mitgefühl!

der abgehoben in seiner Wessi-Bude hockt und sich anmaßt, über andere zu urteilen.
Herr Schultheis hat Ihnen bereits die richtige Antwort gegeben. Ich ergänze noch: Haben Sie vielleicht mal eine Sekunde darüber nachgedacht, w a r u m die Russen in Ostdeutschland waren? Und vielleicht mal, (siehe Beitrag Schultheis), einzuschätzen versucht, welch ein Geschenk es war, dass sie dann komplett abzogen (im Ggs. zu den Amis, die uns nach wie vor als ihre Büttel halten). Was für ein Geschenk die guten Beziehungen zu d Russen waren? Schröder sei Dank und auch Merkel hielt sich zunächst daran.
Warum wohl alles in die Binsen ging? Wer expandierte denn wohin? Die Russen nach Westen oder die NATO nach Osten? Ja, es war die Entscheidung der ehem. Ostblockstaaten, aber die Bedeutung der Ukraine für R wurde nie kapiert. Bis der Bogen überspannt war.
So wie d USA nie dulden würden, dass bspw. Mexiko einem Militärbündnis Russland, China, Nordkorea beitreten und deren Waffen bei sich stationieren würde.

S. Kaiser | Mi., 16. Oktober 2024 - 10:02

Danke, Herr Brodkorb, aber ob’s hilft? Auch wenn Sie hier ausführlich auf die Nachwendezeit eingegangen sind, meistens wird doch auf DDR-Sozialisation rekurriert. Der Fall der Mauer ist 35 J her. Das Durchschnittsalter (auch im Osten) liegt bei ca. 47 J, was bedeutet, dass die jetzigen „Ossis“ um 1990 im Schnitt im frühen Teenie-alter waren. Das allein kann also die unterschiedl Wahrnehmung im Jetzt nicht erklären. Ganz im Gegenteil, eher bekommt man das Gefühl, dass man die „Wessis“ analysieren müsste.
Warum: „Populistische“ Parteien werden europaweit immer stärker, sind somit kein singulär dtsch Phänomen. Was aber in Dtschl bemerkenswert ist: die alte Grenze zw Ost und West ist auf der Wahlkreiskarte klar erkennbar, während man woanders tendenziell eher ein Stadt-Land-Gefälle sieht. Müsste man also nicht eher feststellen, dass der Osten sogar ähnlicher zu anderen europäischen, sogar eher sozialdemokratisch geprägten Nachbarländern wie Schweden und Niederlande wählt, als Westdtschl?

Marija Ern | Mi., 16. Oktober 2024 - 11:18

Lieber Hr. Brotkorb, vielen Dank für Ihren Artikel. Endlich schreibt jemand mit Insider Kenntnis über "Ossis" und erklärt sachlich und klar warum die politische Lage in Osten so anderes ist. Obwohl ein Teil der Wähler auch in Westen AfD (auch BSW) wählen wird, so ausgeprägt wie in Osten wird es nicht werden...

Die politische Elite muss noch viel über Demokratie lernen und Belehrung und Diffamierung sein lassen. Endlich begreifen das Ursache und Wirkung zusammen gehören und eigene Politik in Frage stellen!
Mir persönlich tut es unendlich Leid dass Wille des
Volkes ins Osten nicht akzeptiert wird: man wird irgendwelche zusammengewürfelte Regierungen bilden um zu verhindern dass die Partei regiert die Mehrheit der Wählerstimmen bekommen hat.
Ob die Wähler DAS als demokratisch empfinden wage ich sehr zu bezweifeln...
Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Jasper | Mi., 16. Oktober 2024 - 11:37

Die Aufbauphase im Westen der alten Bundesrepublik, war natürlich zunächst eine Rezeption us- amerikanischer Sicht. Wenn man bestimmte Ergebnisse jedoch nicht wollte, wurde auch mit bestimmten Theorien gebrochen. Auch hat die alte Bundesrepublik im Lauf ihrer Entwicklung bestimmte zerstörerische Kräfte erkannt und gegengesteuert. Auch mit ihrer faschistischen Vergangenheit aufgeräumt durch Aufklärung. Kollektive und egalisierende Konzepte („Wir“) machten für westliche Staats- und Stadtbürger auch keinen Sinn. Entwicklung war im Westen immer Wettbewerb.

Nach der Wende im Osten (Ende „Kalter Krieg“), wurde eine allgemeine Ent-Ideologisierung erhofft. Die scheint jedoch nicht gegriffen zu haben. Die Unterschiede und Konflikte treten wieder deutlich zutage. Nach 34 Jahren ist der Osten Erwachsen geworden? Ist man eigentlich ein Faschist, wenn man Faschisten wählt? Die Frage bleibt offen.

Lisa werle | Mi., 16. Oktober 2024 - 11:56

In meinen Augen ist Demokratie, wenn eine Regierung entsteht, die den Willen der Mehrheit repräsentiert. Und diese Mehrheit ist eindeutig derzeit CDU/CSU und AfD. Wenn eine CDU aus machtpolitischen Gründen mit dieser 1-Frau-Organisation Wagenknecht koaliert - trotz deren Auslasungen zu Israel, dann verliert sie bei mir endgültig jede Glaubwürdigkeit. Hätte Weidel im Interview der WELT auch nur annähernd sich so ausgelassen, daa Wort NAZI in Übergröße wäre mindestens tagelang durch alle Mainstream-Medien gepeitscht worden, und genau diese Ausführungen wären zusätzlich für ein Parteiverbot benutzt worden. Die linken Parteien hatten ihre Chsnce und haben sie gründlich versemmelt. Jetzt dürfen die anderen, und damit auch die AfD.

Gerhard Hellriegel | Mi., 16. Oktober 2024 - 14:04

Ich kenne nur wenige Ossis. Deswegen vorsichtig angefragt:

Könnte es sein, dass sie damals unter "Freiheit" vor allem "Konsumfreiheit" verstanden? "Entweder kommt die Mark zu uns oder wir kommen zur Mark." Den Schock danach kann ich etwas nachfühlen, ich war selbst einmal eine Zeitlang arbeitslos. Ohne Geld ist die Freiheit weniger lustig.

AfD und BSW einigt wohl die Position zu Russland, zur Ukraine. Geht es wirklich um Frieden, oder nicht eher um billiges Gas und Geld für sich statt für die Ukraine?
Wenn es eher so wäre, dann unterscheiden sich die Ossis doch gar nicht so sehr von uns Wessis.

Wer für sich selbst "Freiheit" fordert, ist damit noch lange nicht freiheitlich gesinnt.
Wer für sich mehr Geld fordert, ist damit noch lange nicht sozial gesinnt.
All das wünschten und nahmen sich auch die deutschen Könige und Fürsten. Waren sie deswegen freiheitlich oder sozial?

Klaus Funke | Mi., 16. Oktober 2024 - 14:05

Schon in dieser Überschrift steckt die ganze Hybris der Wessis. Nein, wir hatten schon ein Leben, da schaute der Westen noch verächtlich auf uns, so wie er es jetzt noch immer tut. Dann wurde die Vereinigung romantisiert, und der Gorbi tat sein Übriges dazu. Bis heute sind die alten Vorurteile lebendig, bis heute waren viele Westdeutsche noch nicht im Osten. Wer hat die DDR-Regierung verjagt? Wer hat die Einheit bewerkstelligt und zum Teil erlitten? Wir, die Ostdeutschen. Ein Westdeutscher hat nichts dazu getan. Nein, viele von denen wollten, nachdem die Grenzen offen waren, noch ihr Schnäppchen machen. Und mit den Immobilien hat es ja auch geklappt. Der Osten - die verlängerte Werkbank. Wir haben zu allem Elend
wie Arbeitslosigkeit und Lebensumbrüche die Einheit auch noch zum großen Teil selber bezahlt. Aber wir wissen, wie es geht. Dieses Bewusstsein lassen wir uns nicht nehmen. Die AfD und das BSW sind unsere Rache. Und schau, wie sie wieder zittern, unsere Brüder und Schwestern.