- Die Maut ist unvermeidlich
Der CSU-Vorschlag einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen wurde von Spediteuren und Autofahrern mit Schrecken aufgenommen. Dabei ist diese Gebühr unvermeidlich, wenn das Land nicht den Verkehrsinfarkt auf den Fernstraßen riskieren will.
Es sagt sich leicht: „Maut ist Abzocke“. Die Spediteure empörten sich mit diesen Worten schon vor sieben Jahren darüber, dass sie für ihre Lastwagen der Bundesrepublik in Zukunft Wegezoll bezahlen sollten. Heute schimpfen die ganz normalen Pkw-Fahrer genauso: Kostenfreie Fahrt für freie Bürger! Und: Sind unsere alten, überholten Autobahnen überhaupt eine Pkw-Maut wert?
Seit langem wurde ihr Ausbau vernachlässigt. Jeder Autofahrer steht im Jahr 70 Stunden im Stau, so der statistische Durchschnitt. 400.000 Kilometer sind die jährlichen Blechschlangen insgesamt lang, Stoßstange an Stoßstange könnten sie sich zehnmal um den Erdball winden. Unglaubliche 185.000-mal im Jahr steht irgendwo in Deutschland der Verkehr still – und zwar meist auf Autobahnen. Der Grund sind fehlende Spuren und ewige Baustellen, auf denen Wochenende um Wochenende nichts vorangeht.
Den Autofahrern, die sich längst mehr als „Autosteher“ empfinden, scheint es unverschämt, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und die Bundesregierungspartei CSU ihnen für diese Verschwendung an Zeit und Sprit nun auch noch Geld abknöpfen wollen. Sie wollen keine 80 oder 100 Euro im Jahr zusätzlich zahlen, bevor ihnen nicht endlich freie Fahrt zugesichert wird.
In der Tat zahlen sie jetzt schon kräftig in die Staatskasse. Alle deutschen Autofahrer zusammen bringen jedes Jahr – sofern sie in Deutschland tanken – über 50 Milliarden Euro an Steuern, Gebühren und Abgaben auf. Davon fließen jedoch nur zehn Prozent zurück in den Straßenbau. Den großen Rest verteilt der Bundesfinanzminister in alle möglichen Töpfe. Und so fehlt dem Verkehrsministerium schlicht das Geld, unser international einst so gelobtes Autobahnnetz ausreichend zu warten und auszubauen.
Eine Pkw-Maut wird auf Dauer daher nicht zu verhindern sein. Sie wird nicht mehr in dieser Wahlperiode kommen, denn so schnell schaffen es Bund und Länder nicht. Aber sie wird kommen – egal, wer ab 2013 regiert.
Die Regierenden werden bei der Durchsetzung allerdings einen falschen Grund vorgeben: Gleichbehandlung. Weil Deutschland umzingelt sei von Staaten, die es sich teuer bezahlen lassen, ihre Autobahnen zu nutzen, müsse es auch umgekehrt so laufen. Die Schweiz nimmt über 30, die tschechische Republik über 50 und Österreich fast 80 Euro jedem Autofahrer ab, der auch nur einmal im Jahr zügig über den Nachbar-Asphalt seinen Urlaubsort ansteuert. Wieso sollte Deutschland seine Transitgäste nicht auch Wegegeld zahlen lassen? Das fragt Verkehrsminister Peter Ramsauer derzeit besonders gern.
Doch nur fünf Prozent der Personenkraftwagen auf deutschen Autobahnen tragen ausländische Kennzeichen. Keine 200 Millionen Euro würden diese Ausländer uns Deutschen nach derzeitigen Kalkulationen an Mautsumme bringen. Der Bund braucht aber mindestens das Zehnfache im Jahr zusätzlich für seine Straßen. Er wird sich das Geld von den deutschen Autobahnfahrern holen. Früher oder später.
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Wohlweislich spricht Ramsauer derzeit nur vage von „möglichen Kompensationen“, etwa dem Wegfall der Kraftfahrzeugsteuer. Versprechen tut er nichts. Denn am Ende wird jeder Maut-Cent benötigt.
Der Grund ist ein enormes Verkehrswachstum. Bis 2013 wird sich der Güterverkehr auf den Straßen seit der Jahrtausendwende verdoppelt haben. Für jedes weitere Jahr ist ein Wachstum von fünf Prozent an Verkehrsleistung vorhergesagt. Die massiv zunehmenden Gütertransporte können zum Verkehrsinfarkt führen, wenn die Milliarden für den Straßen-, Brücken- und Rastplatzbau weiterhin fehlen.
In Deutschland wurden im letzten Jahr insgesamt 3,7 Milliarden Tonnen Güter befördert, über 70 Prozent davon auf der Straße. Denn echte Alternativen gibt es nicht. Die anderen Verkehrswege – auf Schienen und übers Wasser – wurden in der Vergangenheit derart vernachlässigt, dass sie auch in naher Zukunft weniger attraktiv sind für die Transportunternehmen.
Es gibt mit fast 13.000 Kilometern Autobahnen fast doppelt so viel Strecke wie die 7.300 Kilometer Wasserstraßennetz. Zwar fahren Bahnen noch auf 34.000 Kilometer Schienen, aber die Deutsche Bahn lässt ihr Netz kontinuierlich weiter schrumpfen. Güterverkehr wird dort nicht als Zukunftsmarkt gesehen, weil am Ende der Schienenstrang nie bis an die Firmenlager reicht.
So beklagenswert es ökologisch ist: Auch in den kommenden Jahrzehnten werden die Autobahnen nötig sein, damit der Handel rund läuft. Deshalb wird nun schon die Einführung von „Lang-Lkw“ getestet, wie sie der Bundesverkehrsminister möglichst harmlos-sachlich nennt. Er mag Wörter wie „Giga-Liner“ oder „Monster-Truck“ nicht, weil die Angst schüren.
Ein solcher Lang-Lkw aber ist mit seinen 25 Metern und maximal 44 Tonnen auf bis zu neun Achsen eine so brachiale Erscheinung, dass Semantik nicht helfen wird, sie klein zu reden. Klar ist: Die Riesen werden kommen. Und sie brauchen breite und heile Autobahnen.
Warum aber wird dann nicht einfach die Lkw-Maut drastisch erhöht? Die unbequeme Antwort des Verkehrsministeriums lautet: weil das EU-rechtlich nicht möglich wäre. Aber selbst wenn sich das als falsch erwiese: Am Ende würde die Rechnung sowieso beim Normalverbraucher landen. Die Spediteure würden die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterreichen, und die wiederum an ihre, so dass am Ende fast jeder Deutsche zahlen würde – nicht nur diejenigen, die unsere Autobahnen tatsächlich nutzen.
Trotz allem Ärger über zusätzliche Kosten: Die Pkw-Maut wäre dann halbwegs fair, wenn sie komplett in den Autobahnbau zurückfließen würde. Denn dann hätten die vielen Maut-Zahler am Ende vieler Baustellenjahre schließlich selbst etwas davon: endlich wieder freie Fahrt und mehr Zeit am Ziel.
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