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Angelas neues Kabinett - Die Köpfe der GroKo

Knapp drei Monate nach der Wahl ist die große Koalition bereit zum Regieren. Das schwarz-rote Kabinett birgt einige Überraschungen. Unter anderen wechseln vier Minister ihr Ressort.

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Christian Tretbar ist stellvertretender Redaktionsleiter des Tagesspiegels Online. Er arbeitet außerdem in der Berliner Parlamentsredaktion der Zeitung.

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Auch am Tag danach strahlte der Stolz über den klaren Erfolg des Mitgliedervotums Sigmar Gabriel noch aus allen Knopflöchern. Als der Parteichef am Sonntag im Willy-Brandt-Haus die SPD- Kabinettsmitglieder vorstellte, machte er erst einen Scherz mit den um mehr Abstand bittenden Fotografen („Wir sollen jetzt schon zurücktreten?“) und pries dann die weibliche Seite sozialdemokratischer Macht. „Wir werden eine deutlich stärkere Vertretung von Frauen haben“, verkündete er. Umringt wurde der neue Vizekanzler von drei künftigen Ministerinnen, einer Integrationsbeauftragten sowie zwei männlichen Ministern in spe.

Seit Gabriel versprochen hat, der SPD ein weiblicheres Gesicht zu geben, hatten die Frauen Druck gemacht – und der zeigte Wirkung. Nicht nur an den Kabinettstisch werde seine Partei mehr Frauen als Männer schicken, versprach Gabriel. Von ihren 19 wichtigen Funktionen wolle die SPD zwölf weiblich besetzen, kündigte er an, was vor allem die Ämter parlamentarischer Staatssekretärinnen und Staatssekretäre betreffen dürfte.

Auch beim künftigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier soll zumindest eine Staatsministerin arbeiten. Die heißt Maria Böhmer und kommt von der CDU. Weil ihr im Kanzleramt angesiedelter Posten als Integrationsbeauftrage an die SPD geht, bekommt die Union die Aufgabe im Auswärtigen Amt. Mit der Böhmer-Nachfolgerin Aydan Özoguz werde „erstmals eine Frau mit türkischen Wurzeln“ im Kabinett vertreten sein, lobte Gabriel.

Ursula von der Leyen wird Verteidigungsministerin


Bei der CDU ist die größte Überraschung ist die Personalie von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Sie wird die erste Verteidigungsministerin der Bundesrepublik. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (ebenfalls CDU) wird erneut Innenminister, Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) wechselt ins Agrarressort, Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ins Kanzleramt. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe übernimmt das Gesundheitsressort, CSU-General Alexander Dobrindt die Bereiche Verkehr und digitale Infrastruktur, Gerd Müller (CSU) wird Entwicklungsminister. Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bildungsministerin Johanna Wanka (beide CDU) bleiben im Amt.

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Auch in der SPD-Fraktion hatten die Frauen Druck gemacht, doch Generalsekretärin Andrea Nahles zog es ins Kabinett. Weil mit Thomas Oppermann nun ein Mann Fraktionschef wird, soll Anfang der Woche Fraktionsvize Christine Lambrecht zur Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin aufsteigen.

Bleibt der Generalsekretärsposten, den Nahles bald freimacht. Gabriel hatte schon lange auf den Koordinator der Parteilinken im Parteivorstand, Ralf Stegner, gesetzt. Der Parteichef wollte damit auch die Disziplin des linken Flügels im schwierigen Wahljahr honorieren. Der scharfzüngige Kieler SPD-Landeschef, der sich auf Abgrenzung versteht, war für Gabriel ein verlässlicher Partner, weil er nach Kompromissen auch Mehrheiten sicherte. Stegner sei ein geeigneter Kandidat, sagte Gabriel, er wolle „ganz persönlich“ nicht auf dessen Mitarbeit in der engeren Parteiführung verzichten.

Der Parteivorstand beschloss deshalb eine ungewöhnliche Lösung: Die Zahl der stellvertretenden Parteichefs wird auf sechs erhöht, damit Stegner in die engere Führung aufrücken kann. Hinter verschlossenen Türen war dieses Verfahren in dem Gremium umstritten: Vertreter der pragmatischen Netzwerker wollten vor der festen Zusage an Stegner erst die Besetzung von Generalsekretärs- und Schatzmeisterposten geklärt wissen. Die Mehrheit entschied anders.

Damit steht fest: Nahles bekommt eine Nachfolgerin. Doch die ist noch nicht in Sicht. Man wolle sich bei der Besetzung dieses Amtes und dem der Schatzmeisterin „ein bisschen Zeit lassen“, meinte Gabriel.Häufig genannt wird die Gewerkschaftssekretärin Yasmin Fahimi aus Hannover, für die sich Parteilinke starkmachen, aber auch andere Namen sind im Umlauf. Gewählt werden soll auf dem SPD-Europawahlparteitag am 26. Januar.

Umwelt und Bau: Barbara Hendricks

Barbara Hendricks (SPD) übernimmt ein stark geschwächtes Umweltressort. Die Zuständigkeit für erneuerbare Energien muss sie an SPD-Chef Sigmar Gabriel im Wirtschaftsministerium abgeben. Sie bleibt aber zuständig für den Klimaschutz. Darüber wird sie sich vor allem mit Gabriel auseinandersetzen müssen, denn die Energiewende steht im Zentrum der deutschen Klimapolitik. Das gleiche gilt für ihre im Umweltministerium neue Zuständigkeit für das Thema Bauen. Ihre wichtigste Aufgabe wird es sein, das Tempo bei der energetischen Gebäudesanierung zu erhöhen.

Auch da ist sie auf Gabriel angewiesen, in dessen Haus offenbar die Zuständigkeit für das Thema Energieeffizienz verbleiben soll. Als Staatssekretär wird sich Florian Pronold um das Thema kümmern. Zudem bekommt Hendricks den Chef des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, und die baden-württembergische Abgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter an die Seite.

Die 61-Jährige bisherige SPD-Schatzmeisterin wird sich als so ziemlich erste Tat mit der Frage auseinandersetzen müssen, wo die Castoren mit radioaktivem Müll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield unterkommen sollen. Denn als Nebenvereinbarung zum Standortauswahlgesetz war beschlossen worden, dass sie nicht mehr ins Zwischenlager Gorleben transportiert werden sollen. Das war ihrem Vorgänger, Peter Altmaier (CDU), nicht gelungen.

Hendricks, die jahrelang Staatssekretärin im Finanzministerium war, steht im Umweltministerium für Kontinuität: Außer Klaus Töpfer hatte kein Amtschef schon vorher Erfahrungen in der Umweltpolitik. Hendricks kommt aus Nordrhein- Westfalen, sie dürfte die Probleme der dortigen Kommunen genau kennen. Ob sie das als Auftrag für das Bauministerium versteht, dürfte nur sie wissen. Sicher ist aber, dass das mit ihrer Zuständigkeit für den Naturschutz kollidieren wird.

Justiz und Verbraucher: Heiko Maas
 

Bis 2001 hatten die Agrarminister mit Verbraucherschutz nichts am Hut. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das war’s für Ertl, Kiechle & Co. Doch dann kam die Grüne Renate Künast und wollte die Gegensätze zusammenbringen. Was nie wirklich funktioniert hat. Auf der einen Seite die knallharten Interessen der Ernährungsindustrie, auf der anderen die Bewahrung vor ebendiesen, und alles im selben Haus? Es ist es nur konsequent, dass der Verbraucherschutz nun wieder aus der Lobbyisten-Anlaufstelle abgezogen wird und dorthin wandert, wo er auch ordentlich Rechtswirksamkeit entfalten kann: im Justizressort. Der Zuständige für beides ist die wohl größte Überraschung im Personaltableau der SPD. Heiko Maas, den Vize-Regierungschef aus dem Saarland, hatte nun wirklich keiner für die Bundespolitik auf dem Schirm.

Drei Wahlen hat Maas in der einstmals roten Hochburg an der Saar als Spitzenkandidat verloren, an sein Regierungsamt dort kam er nur als Juniorpartner der CDU. Doch der Nimbus des Talentierten ist dem einstigen Zögling von Oskar Lafontaine geblieben – und sein derzeitiger Ministerposten ist auch Ausdruck einer gewissen Allrounder-Fähigkeit. Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Energie, das muss man erst mal zusammenbringen. Landesumweltminister war er übrigens auch schon mal. Der stets jünger wirkende 47-Jährige hat sich mit den Jahren vom Linken zum Parteipragmatiker entwickelt, er hat beste Drähte zu Sigmar Gabriel, und er verfügt als Hobby-Triathlet auch über eine beachtliche Zähigkeit. Fürs Justizministerium qualifizieren den Sohn eines Berufssoldaten zwei juristische Staatsexamina. Unterstützt wird Maas vom bisherigen Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Gerd Billen, Ulrich Kelber und Christian Lange, die Staatssekretäre werden.

Verkehr und Digitales

Alexander Dobrindt, einst als „Doofbrindt“ verspottet, wird nun der wichtigste Mann für CSU-Chef Horst Seehofer in Berlin. Denn Dobrindt bekommt ein um das Digitale aufgemotztes Verkehrsministerium, womit er für zwei ganz wesentliche CSU-Projekte verantwortlich ist: die Pkw-Maut für Ausländer und den Breitbandausbau. Dabei wird er von zwei Staatssekretärinnen und einem Staatssekretär unterstützt: Dorothee Bär (CSU) wechselt vom Posten der Dobrindt-Vize als CSU-Generalsekretärin ins Ministerium und soll dort fürs Digitale zuständig sein. Die Brandenburgerin Katherina Reiche (CDU) wechselt aus dem Umweltministerium ins Verkehrsministerium. Enak Ferlemann (CDU) bleibt auf seinem Posten.

Dass Peter Ramsauer, ohnehin kein enger Freund Seehofers, nicht nur das Ministerium, sondern das Kabinett gleich ganz verlassen muss, hängt auch mit der Maut zusammen. Ramsauer war nie ein großer Freund der Maut und als vor wenigen Tagen noch bekannt wurde, dass es im Ministerium noch nicht mal ein Konzept gebe, dürfte Seehofers Geduld am Ende gewesen sein. Nun wird mit Dobrindt ein enger Vertrauter Seehofers im Ministerium das Projekt beschleunigen.

Um Beschleunigung geht es auch beim Breitbandausbau. Bayern hinkt da im nationalen Vergleich deutlich hinterher. Gerade einmal 50 Prozent haben laut Bundeswirtschaftsministerium in Bayern einen schnellen Netzanschluss, in NRW sind es fast 70, in Berlin sogar fast 88 Prozent. Vor allem viele Klein- und mittelständische Betriebe leiden unter dieser Situation. Dobrindt wird da eng mit dem bayerischen Finanzminister Markus Söder zusammenarbeiten, der den Breitbandausbau kürzlich als Teil der „Daseinsvorsorge“ bezeichnet hatte. Die Debatten mit dem Bundesfinanzminister dürften da schwieriger werden.

Ob sich durch Dobrindt an der Politik des Bundes in Bezug auf den Flughafen BER etwas ändert, bleibt abzuwarten. Im Koalitionsvertrag haben sich die Parteien zum BER bekannt.

Gesundheit


Ein komplett Fachfremder als Chef in einem Ressort, um dessen komplizierte Materie nicht nur die Wald- und Wiesen-Abgeordneten gerne einen weiten Bogen machen, sondern auch die Parteiführungen. Und in dem man den wohl aggressivsten Lobbyisten der Berliner Szene standhalten muss. Im Internet spotten Mediziner bereits über die Berufung des gelernten Rechtsanwalts und bisherigen CDU-Generals Hermann Gröhe zum Gesundheitsminister. Ein Beleg wieder mal für den Usus, verdiente Politiker unabhängig von ihrer Qualifikation mit Spitzenposten in gerade verfügbaren Ministerien zu versorgen? Und hätte man für den Gesundheitsdschungel diesmal nicht gleich mehrere bestens ausgewiesene Experten gehabt – vom gesundheitspolitischen Sprecher Jens Spahn über die gelernte Ärztin Ursula von der Leyen bis hin zum SPD-Professor Karl Lauterbach?

Fakt ist, dass Leyen nicht wollte, den Roten die Zuständigkeit für Arbeit und Soziales wichtiger war und der loyale Wahlmanager Gröhe aus Merkels Sicht auch mal einen Kabinettsposten erhalten sollte. Fakt ist auch, dass es in den Ministerien bei der Detailarbeit weniger auf die Führungsfigur als auf die Kompetenz der Staatssekretäre ankommt. Merkel möchte Ruhe an der Gesundheitsfront. Der Rheinländer Gröhe hat sich auf seinem Generalsposten durch seine ausgleichende Art bewährt. Dem Vater von vier Kindern gelang es, die Konservativen einzubinden und den Kontakt zu den Grünen warmzuhalten. Und der 52- Jährige steht fürs „Soziale“ – als engagierter Protestant und Mitglied der EKD-Synode. Für die Einsicht in die überfällige Pflegereform dürfte das nicht von Nachteil sein.

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