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Oliver Rüther

Schwarze Offizierin - Der Hingucker in der Bundeswehr

Oberleutnant Catherine Haag macht Karriere in der deutschen Luftwaffe. Eine schwarze Frau gibt in einer Domäne des weißen Mannes Befehle. Geht das?

Autoreninfo

Jasmin Kalarickal ist eine freie Journalistin mit indischen Wurzeln und lebt in Berlin.

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Wenn Oberleutnant Catherine Haag in der Truppenküche des Fliegerhorsts Büchel Mittag macht, ereignen sich immer noch kleine Kulturschocks. Haag sitzt im Tarn­anzug am Tisch, vor ihr steht ein Teller Geschnetzeltes mit Reis. Niemand tuschelt, aber von den Nebentischen her richten sich immer wieder scheue Blicke auf sie, einige bleiben einen Moment länger hängen als normal. Sie registriert die Blicke, aber sie lächelt und isst weiter. Sie sagt: „Ich bin eben ein Hingucker.“

Haag, 31 Jahre alt, ist in der Bundeswehr gleich doppelt in der Minderheit. Sie ist Frau und sie ist schwarz. Oder ­Mischling, farbig, Cappuccino – sie selbst schert sich nicht um politisch korrekte Bezeichnungen, obwohl sie oft gefragt wird, was man denn sagen dürfe. Hauptsache, nicht böswillig beleidigend, antwortet sie. Überhaupt: Sie könne sich bei der Arbeit nicht ständig fragen, ob irgendwer ein Problem mit ihr hat. Catherine Haag will Normalität.

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Das wäre schon ein gewaltiger Schritt, denn die Bundeswehr ist in Deutschland so etwas wie die letzte Domäne des weißen Mannes. Heute liegt der Frauenanteil in der Truppe bei 9,8 Prozent. Eine repräsentative Befragung des ehemaligen Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr ergab 2009, dass rund 12 Prozent der Soldatinnen und Soldaten einen Migrationshintergrund haben. Eine Offizierin mit einem Vater aus Ghana: Das ist selten. Haag weiß nicht genau, wie oft sie die Frage beantwortet hat, wie es als schwarze Frau in der Bundeswehr ist. „Oft.“

Ihre Heimat war immer schon Deutschland


Aber sie ist jetzt mittendrin. Am Vormittag steht sie mit verschränkten Armen im ländlichen Idyll der Eifel. Ein 17 Kilometer langer Stacheldrahtzaun umgibt den Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz, der seit 1957 das Jagdbombergeschwader 33 beheimatet. Haag trägt „Feldanzug Grün“ und schwarze Boots. „Darum geht es bei uns bei der Luftwaffe“, sagt sie und zeigt auf einen Tornado, der auf der Startbahn beschleunigt. „Und jetzt halten Sie sich besser die Ohren zu.“

Haag arbeitet als Materialoffizierin in der Nachschub- und Transportstaffel. Ihr Aufgabenbereich ist die Logistik. Sie sorgt dafür, dass die Kampfflugzeuge im Krisenfall gut gerüstet in den Einsatz fliegen: Treibstoff, Munition, Ersatzteile.

Ihr Vater ging in den Siebzigern aus Ghana zum Studium nach England, lernte ihre Mutter, eine weiße Deutsche, bei einem Besuch in München kennen. Sie bekamen drei Kinder, Haag ist die Älteste. Dumme Sprüche habe sie in ihrer Kindheit in Kaiserslautern ertragen müssen, ja, aber nicht über die Maßen. Ihre Heimat war immer Deutschland. Ghana sei ihr fremd, sie war nie da. Das erzählt sie in ihrer süddeutschen Tonart, „gell“.

Nach dem Abitur wurde sie Fachinformatikerin, irgendwann sehnte sie sich nach Verantwortung im Berufsalltag. Ein Freund schlug die Bundeswehr vor. Sie lachte erst, dann bewarb sie sich doch um eine Offizierslaufbahn, studierte BWL an der Bundeswehruniversität in Hamburg, kam nach dem Abschluss nach Büchel. Sie macht Karriere in der Bundeswehr, so einfach ist das. Oder nicht?

„Es gibt immer wieder mal Herren, die mit ihren Ängsten zu kämpfen haben“, sagt sie. Aber die Hierarchie wirke. „Hier in Büchel hatten die alten Staber Zeit, sich an Frauen zu gewöhnen.“ Manche Stabsfeldwebel sind zehn Mal länger dabei als sie, ihr aber trotzdem unterstellt. Einem begegnet sie in der Hauptlagerhalle, er verzichtet auf den militärischen Gruß, stattdessen umarmt er sie. „Ihrer Vorgängerin habe ich jeden Tag gesagt, Frauen hätten in der Bundeswehr nichts zu suchen“, sagt er. Letztlich habe sie bewiesen, „dass auch eine Frau ihren Mann stehen kann“.Haag schweigt dazu. Sie fühlt sich nicht diskriminiert. Stereotype sind ihr einfach lästig.

Neue deutsche Normalität


Sie gehört dem Verein Deutscher Soldat e. V. an, in dem Offiziere mit familiären Wurzeln außerhalb Deutschlands organisiert sind. Für eine Kampagne des Vereins ließ sich Haag mit einer Kameradin fotografieren. Die andere, weiße Haut, blonde Haare, grüne Augen, und sie Rücken an Rücken. Klick. „Sie war Migrantin, fiel aber nie auf, ich dagegen, in Deutschland geboren, schon.“ Darunter schrieben sie: „Was denken Sie, wer Deutsche ist?“

Hätte Haag ihren Chef nicht vertreten müssen, wäre sie jetzt in Mali. Ob ein afrikanisches Land etwas in ihr auslösen könnte? Sie seufzt. Als Soldatin hat sie geschworen, ihr Land, Deutschland, mit dem Leben zu verteidigen. „Vielleicht guckt man mich dort nicht mehr so an, das wäre ja mal eine andere Erfahrung.“

Aber wie gesagt: Sie muss in Büchel stellvertretend 178 Soldaten und 44 zivile Angestellte führen – überwiegend Männer. Sie sitzt im Büro und verschickt Befehle per E-Mail. Sie arbeitet sich durch eine Tabelle der Elektronikstaffel, es geht um fehlende Ersatzteile, Abkürzungen wie PHDD, ET/AT ASST A3 kommen vor. Es klopft. „Ja, bitte.“ Die Tür öffnet sich, militärischer Gruß, „Oberleutnant Haag, verzeihen Sie die Störung, ich brauche zwei Autogramme.“ Sie unterschreibt, alles in Ordnung. Neue deutsche Normalität.

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