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Bild-Berichterstattung über Griechenland - Nackt-Oma frisst Nazi

Seit fünf Jahren läuft die Bild-Kampagne gegen Griechenland, seit fünf Jahren muss sich das Springer-Blatt dafür rechtfertigen. Vizechef Béla Anda ärgert es, dass sich seine Redaktion auf einem Podium von Bild-Kritikern nicht habe verteidigen dürfen. Das aber ist Unsinn, wie ein persönlicher Brief von Kai Diekmann zeigt

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Wenn Sie sich über die Überschrift zu diesem Artikel wundern, können wir Sie beruhigen: Sie hat rein gar nichts mit den hier beschriebenen Sachverhalten zu tun. Sie wurde zufällig mit dem Schlagzeil-o-mat des Bildblog generiert. Es geht nicht darum, aufzuklären, sondern maximale Aufmerksamkeit zu erlangen.

So in etwa funktioniert das auch bei der Bild.

Der stellvertretende Chefredakteur Béla Anda,hat das etwa am Donnerstag in Bezug auf die Griechenland-Krise versucht (auch, wenn daraus mehr ein matter Sprachwitz wurde): „Klartextos bitte!“. Anlass war der Antrittsbesuch des griechischen Premiers Alexis Tsipras beim Europäischen Rat.

Der Kommentar liest sich scharf, kritisch, aber doch sachlich. Nicht anders, als jene 35 Kommentare aus fünf Jahren Griechenland-Krise, die das Blatt am Mittwoch dokumentierte – nicht ohne die PR-trächtige Bild-Nabelschau in großen Lettern: „Seit 2010 hat Bild das Griechen-Desaster vorhergesagt“ (übrigens auch alle andere Zeitungen und Magazine von der taz bis zur FAZ, vom Spiegel bis zum Cicero, nur weniger aufgeregt).

Aufschlussreicher ist aber, was in der Donnerstagsausgabe gleich darunter zu lesen ist: „Warum hasst ihr uns Deutsche?“, lautet der Titel. Subtext dieser Umfrage unter drei Athenern: Zwietracht zu säen. Da hilft es auch nicht, wenn der Fischhändler betont: „Deutsches Volk, wir hassen nicht Euch!“ Die Bild-Zeile knallt, die Leser gucken hin, und nur darum geht es.

In der Griechenland-Berichterstattung sind dem Axel-Springer-Blatt offenbar die Maßstäbe verrutscht: Die Kritik zielt nicht (nur) auf das Handeln griechischer Politiker und Parteien, auf Banken, Ämter oder Steuerbehörden – auf Institutionen also, die der Rechenschaftspflicht unterliegen und insofern auch zurecht verurteilt werden dürfen – sondern immer wieder auf Individuen. Und das vor allem in der Überschrift.

Anti-Griechenland-Kampagne als Karriere-Beschleuniger?
 

Man muss nicht gleich von „Hetze“ sprechen, wie die Macher des Bildblogs. Trotzdem lohnt es, sich einmal durch die akribisch zusammengetragenen Beispiele jenes medienkritischen Portals zu klicken, das ganz nebenbei bewiesen hat, wie sich Journalismus im Netz sehr wohl refinanzieren kann: „Pleite-Griechen“ ist etwa so ein Unwort, das sich durch fünf Jahre Bild-Berichterstattung zieht – statt korrekt von einer drohenden „Staatspleite“ zu sprechen, wurde durch diesen lexischen Kniff gleich ein ganzes Volk verunglimpft. „Verkauft doch eure Inseln… und die Akropolis gleich mit!“, titelte die Bild, äußerte „Griechenland-Wut“, sprach von einer „sozialistischen Regierung“ oder suggerierte missverständlich, die Hellenen seien „doppelt so reich wie die Deutschen“. Das Branchenportal meedia.de mutmaßte gar, dass die Anti-Griechenland-Kampagne der Bild „als Karriere-Beschleuniger“ gewirkt haben möge.

Die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung – die das Kind gern mit dem Bade ausschüttet und der Bild abspricht, überhaupt „Journalismus“ zu betreiben – kritisierte bereits 2011 die Griechenland-Berichterstattung des Boulevardblatts mit den vier großen Buchstaben: Es erzähle eine „Geschichte von den faulen und betrügerischen Griechen, die an das Geld des deutschen Steuerzahlers wollen“, hieß es in der ersten von insgesamt drei Bild-Studien.

Rückwirkend versuchte das Blatt die Ereignisse für sich gewinnbringend umzudeuten: Vor zwei Wochen schrieb Politikchef Béla Anda in seinem Morgennewsletter, dass er vor vier Jahren eine Einladung zu einer Podiumsdiskussion in Berlin erhalten habe. In der für Mitte Mai 2011 angesetzten Veranstaltung sollte es um die Griechenland-Berichterstattung der Bild und die Studie der Otto Brenner-Stiftung gehen. Damals war der gelernte Springer- und Bild-Journalist noch Pressesprecher für AWD-Chef Carsten Maschmeyer, erst 2012 kehrte er als stellvertretender Chefredakteur zur Bild-Zeitung zurück.

In dem Newsletter behauptete Béla Anda: „Verteidigen konnte sich kein Mitglied der Redaktion, da kein Bild-Redaktionsmitglied auf dem Podium oder erkennbar im Zuschauerraum saß. Also tat ich's. Heute bin ich froh drüber.“

Tatsächlich hatte der Geschäftsführer der Brenner-Stiftung, Jupp Legrand, sehr wohl die Bild-Zeitung eingeladen, auf dem Podium zu sprechen. Chefredakteur Kai Diekmann bestätigte ihm am 28. April sogar den Erhalt der Einladung schriftlich. „Leider werde ich an Ihrer Veranstaltung am 10. bzw. 17. Mai nicht teilnehmen können“, heißt es in dem Brief, der Cicero Online vorliegt. Die Bild sei durch die Unterlagen allerdings auf eine Journalismusauszeichnung der Stiftung aufmerksam geworden – den Otto Brenner Preis –, „für den wir uns mit unserer Griechenland-Serie sehr gerne bewerben“.

Vorbildlich oder verantwortungslos?
 

OBS-Geschäftsführer Legrand bedauerte Diekmanns Antwort in einem Schreiben vom 5. Mai: „Da Sie persönlich nicht können, bitte ich Sie, einen persönlichen Vertreter zu benennen, der die Bild-Interessen auf dem Podium vertritt. Zumindest für die Veranstaltung in Berlin am 17. Mai müsste dies, wie wir denken, auch in Ihrem Interesse sein (Einladung zur Kenntnis anbei).“

Die Bild selbst erklärte auf Cicero-Online-Anfrage: „Es ist eine Tatsache, dass Bild sich bei der Diskussionsrunde nicht verteidigen konnte, weil schlicht kein Bild-Vertreter anwesend war.“ Springer-Sprecherin Sandra Petersen ergänzte, „wir können schon allein aus zeitlichen Gründen nicht jede Diskussion besetzen, für die wir angefragt sind“.

Übrigens half der Stiftungsvorsitzende Legrand Kai Diekmann noch, sich richtig an dem Preisausschreiben der unabhängigen Jury zu beteiligen: „Wir benötigen eine ‚offizielle‘ Bewerbung mit den entsprechenden Unterlagen.“ Er schickte ihm sogar den Link zum Onlineformular, das Diekmann nicht ausgefüllt hatte.

Vier Tage später reichte die Bild ihre Unterlagen ein: Das Blatt bewarb sich mit der Serie „Geheimakte Griechenland“ (29. Oktober bis 3. November 2010) der Autoren Paul Ronzheimer und Nikolaus Blome.

Den Otto-Brenner-Preis gewann die Bild trotzdem nicht.

Stattdessen zeichnete die wirtschaftsnahe Johanna-Quandt-Stiftung das Blatt aus: Ronzheimer und Blome bekamen für ihre „Geheimakte“ den Heribert Quandt Medien-Preis. Der frühere Chef der „Wirtschaftswoche“, Roland Tichy, hielt die Laudatio auf die Bild-Autoren, lobte deren Recherchearbeit, die vielen teils vertraulichen Schriftstücke und Memoranden, die „knappe und präzise“ Sprache. Tichy räumte ein, dass die Jury sich gefragt habe: „Handelt es sich hier nur um den seriösen Teil einer in sich unseriösen Kampagne gegen Griechenland?“ Die Quandt-Stiftung fand das trotzdem preiswürdig.

Kritiker wie Stefan Niggemeier zeigten sich entsetzt.

Ist die Bild-Berichterstattung zu Griechenland vorbildlich oder verantwortungslos? Bis heute teilt sich die Branche bei dieser Frage in zwei Lager. Bleibt nur eins: Die Bild-„Klartextos“ weiter zu beobachten.

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