Auch in New York gibt es Trump-Anhänger / dpa

US-Wahlen - Sechs Gründe für Trumps Wahlsieg

Abseits von Glitzer und Glanz gibt es Millionen Amerikaner, für die das reichste Land der Welt nicht funktioniert. Doch nicht nur sie sehen Donald Trump als einen, der eine neue Ära einläutet.

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Für viele Menschen in anderen Ländern mag es schwer nachvollziehbar sein, warum Millionen Amerikaner Donald Trump erneut in Regierungsverantwortung sehen wollen. Doch es gibt Gründe:

Der persönliche Faktor

Obwohl Donald Trump Milliardär und seit Jahrzehnten Teil der amerikanischen Elite ist, wirkt er für viele US-Bürger nahbar. Er redet wie der Typ an der Bar, dem auch mal ein falsches Wort herausrutscht. Er sagt frei heraus, was er denkt, und kann auch auf den Tisch hauen. Und er ist als Kämpfer bekannt, nicht erst seit den Attentatsversuchen auf ihn. Das scheinen Qualitäten zu sein, die Wähler auch im Weißen Haus sehen wollen. Hingegen wird die Professionalität von Vizepräsidentin Kamala Harris und ihre Fähigkeit, fokussiert zu bleiben, von einigen als elitär und nicht authentisch wahrgenommen. 

Dass alles heißt aber nicht, dass die meisten Amerikaner Trump mögen oder sogar lieben. Tatsächlich gehen Umfragen davon aus, dass die Mehrheit einen unvorteilhaften Eindruck von seiner Persönlichkeit hat. Für diese Menschen ist Trump oft trotzdem wählbar. Zum einen, weil einige als Präsidenten gerade keinen Heiligen wollen. Zum anderen, weil Trump Positionen vertritt, die ihnen wichtig sind. 

Die Weltuntergangsrhetorik der Demokraten für eine zweite Amtszeit des verurteilten Straftäters Trump hat bei vielen nicht gezogen – schließlich war der 78-Jährige ja schon einmal für vier Jahre im Weißen Haus und fing weder Kriege an noch zerstörte er die amerikanische Wirtschaft. Damalige Skandale, Chaos und Kontroversen können leichter abgetan werden.

Money, Money, Money

Wohl keine Gesellschaft der Welt hat sich mehr einem Turbokapitalismus verschrieben, der stark auf liberalisierte Märkte, geringe staatliche Eingriffe und die Idee des freien Unternehmertums setzt. Das Thema Wirtschaft steht bei vielen Wählern stets oben auf der Agenda. Doch im Wahlkampf war damit selten (das starke) Wachstum gemeint oder die allgemeine Ausrichtung der Volkswirtschaft. Es war viel einfacher: Wie teuer sind Joghurt, Eier, Chips und Bier im Supermarkt – und wie viel kostet das Benzin? 

Infolge der Corona-Pandemie hatte die Inflation die Preise – nicht nur in den USA – nach oben getrieben. Das spürte jeder Wähler jeden Tag im Portemonnaie, auch wenn die Löhne mit der Zeit aufholten. Schuld gaben viele der Wirtschaftspolitik von Präsident Joe Biden und seiner Stellvertreterin Harris. Ihrem Frust verliehen sie mit ihrer Stimme Ausdruck.

Die Abgehängten

Trumps treueste Basis sind vor allem weiße Männer ohne Universitätsabschluss. Statistiken zeigen, dass das Einkommen dieser Gruppe in den USA 1980 deutlich über dem amerikanischen Durchschnitt lag – heute liegen sie klar darunter. In einer Gesellschaft, in der die Techbranche oder die Finanzindustrie den immensen Reichtum des Landes noch stärker in Metropolen vor allem an den Küsten konzentrieren, funktioniert das System für die Arbeiter in den früher industriell geprägten Bundesstaaten wie etwa Pennsylvania nicht mehr. 

Doch Trump legte nun auch bei anderen Bevölkerungsgruppen zu, unter anderem bei den Latinos, die bislang für die Demokraten eine sehr wichtige Zielgruppe waren. Bei diesem großen Wählerblock von Menschen mit einem lateinamerikanischen Hintergrund konnte Harris nicht so stark punkten wie gehofft. Und selbst bei schwarzen Männern hatte der amtierende Präsident Joe Biden vor vier Jahren ersten Daten zufolge besser abgeschnitten als nun seine Stellvertreterin Harris. 

Die Angst vor dem „Weiter so“

In den USA gibt es ein Sprichwort: Man muss Eier zerschlagen, um ein Omelette zu braten. Will heißen: Manchmal muss man Dinge kaputt machen, um sie zu reparieren. Harris wurde von vielen als Establishment-Kandidatin gesehen. Trump, der Anti-System-Mann, versprach im Wahlkampf hingegen radikalen Wandel: Unter ihm als Präsident werde alles anders, Harris dagegen stehe als Mitglied der aktuellen Regierung für ein „Weiter so“, lautete die Argumentation. 

Damit traf er einen Nerv: Viele in den USA haben den Eindruck, dass sich etwas ändern muss. Sie fühlten sich angesprochen, wenn Trump die USA düster als Land im Niedergang beschrieb, das von Migranten überrannt werde. Der 78-Jährige scheint einen untrüglichen Instinkt dafür zu haben, was den Menschen Sorgen macht. In Nachwahlbefragungen gaben 73 Prozent seiner Wähler an, am wichtigsten sei ihnen gewesen, dass Trump einen notwendigen Wandel herbeiführen könne.

Harris, der Vizepräsidentin, gelang es nicht, sich ausreichend vom amtierenden Präsidenten Joe Biden abzusetzen. Es gebe nicht viel, dass sie in den vergangenen vier Jahren anders gemacht hätte, sagte sie im Wahlkampf. Außerdem hatte sie nicht viel Zeit, sich mit eigenen Ideen bekannt zu machen. Gut möglich, dass bei den Demokraten nun die Debatte ausbrechen wird, ob Bidens Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen zu spät kam – und Harris letztlich den Sieg kostete. 

Keine schwarze Frau als Präsidentin

Es gibt Bevölkerungsgruppen, die sich noch immer nicht vorstellen können, dass eine Frau das mächtigste Land der Welt führt. Zwar haben in den USA in den vergangenen Jahren mehr Frauen etwa als Gouverneurinnen politische Führung übernommen. Doch vor allem in den Südstaaten und anderen konservativ geprägten und oft ländlichen Teilen des Landes denken viele anders. Im soge-nannten Bible Belt ist evangelikaler Protestantismus integraler Bestandteil der Kultur – und Feminismus für viele fast schon ein Schimpfwort. Dass Harris keine leiblichen Kinder hat, kommt dort auch nicht gut an.

Laut Nachwahlbefragungen hat Trump bei evangelikalen Christen, bei Protestanten und bei Katholiken mit großem Abstand mehr Stimmen geholt als Harris. Viele Trump-Wähler machten ihre Wahlentscheidung demnach davon abhängig, wem sie das Führen zutrauen. Harris-Wählern dagegen war zum Beispiel wichtiger, wer ein gutes Urteilsvermögen hat.

Die weltpolitischen Aussichten

Oft war vor der Wahl spekuliert worden, ob der Nahostkonflikt die Demokraten Stimmen kosten würde. Vielen jüdischen Amerikanern ging Bidens Unterstützung Israels nicht weit genug – und vielen arabischstämmigen Bürgern wiederum zu weit. Das spiegelt sich in den Nachwahlbefragungen: Eine große Mehrheit der Trump-Wähler gab an, die USA sollten Israel stärker unterstützen. 

Noch mehr könnte aber den Ausschlag gegeben haben, dass Trump die USA aus internationalen Konflikten weitgehend heraushalten will. Er verspricht zum Beispiel, den Krieg in der Ukraine schnell zu beenden – wahrscheinlich mit schlimmen Folgen für das von Russland angegriffene Land. Manche US-Bürger sehen dabei aber vor allem, dass dann weniger von ihrem Steuergeld dorthin fließen muss. dpa

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Norbert Heyer | Mi., 6. November 2024 - 17:05

Trump wieder US-Präsident, schlimmer konnte es für die Ampel nicht kommen. Schon bei seiner ersten Wahl behandelte Merkel ihn wie Abschaum. Er har den satten, unbeweglichen und geistlosen Europäern den Marsch geblasen und man ist ohne gegenseitige Verständigung
auseinander gegangen. Jetzt also wieder Trump, der morgen den Ukraine-Krieg beendet? Das natürlich nicht, er wird aber die Unterstützung der USA massiv einschränken und hoffentlich kurzfristig einen Waffenstillstand erreichen. Das wäre schon ein großer Erfolg. Unsere „feministische“ Außenpolitik steht jetzt vor den totalen Trümmern seiner Kriegshetze. Es läuft nicht gut für die Ampel, überall Niedergang wegen grottenschlechter Politik und dann noch ein US-Präsident, zu dem man keinen Zugang hat. Dazu müsste man jemandem als Vermittler einschalten, den wir auch ignorieren: Orban ist der einzige, der guten Zugang zum neuen Präsidenten hat, was für eine politische und diplomatische Pleite für unsere unfähige Trampolinspringerin.

Reinhard Benditte | Mi., 6. November 2024 - 17:27

Die Aussage "Trumps treueste Basis sind vor allem weiße Männer ohne Universitätsabschluß" ist falsch!
Was sagen die Wahl-Analysen?
1. Ausbildung der Wähler:
Trump liegt bei den "Blue Couleur Workers" mit 21% Punkten und bei denen mit einem "College Degree" mit 19% Punkten vor Harris. Bei den "College Graduates" liegt Trump mit 6% Punkten vor Harris, bei den Postgraduates liegt Trump mit 1% Punkt hinter Harris.
2. Einkommen der Wähler:
Ergebnis gestaffelt nach Einkommen:
< $25,000 = 51%, $25,001 bis $49,999 = 56%,
$50,000 bis $74,999 = 60%, $75,000 bis $99,999 = 58%, $100,000 und höher = 54%!
Auch Ihre Aussage "Es gibt Bevölkerungsgruppen, die sich noch immer nicht vorstellen können, dass eine Frau das mächtigste Land der Welt führt.." Ist nicht richtig!
Was sind die Fakten? Bei der Wahl haben 56% der Frauen in den Städten für Harris gestimmt, in den Vororten hat Trump 50% der Frauenstimmen 1% Punkt mehr als Harris bekommen, auf dem Land haben 64% der Frauen für Trump gestimmt.

R. Schacht | Mi., 6. November 2024 - 17:43

Hab mir mal den Spaß gemacht und Überschrift samt Untertext dieses Artikels auf Deutschland projiziert.
"Sechs Gründe für das Erstarken der AfD"
****Abseits von Glitzer und Glanz gibt es Millionen Deutsche, für die das reiche Deutschland nicht (mehr) funktioniert. Sie sehen in der AfD eine Art Notwehrpartei, die eine neue Ära einläuten könnte****
Entsprechend abgewandelt, trifft der Artikel auf viele Länder/Regierungen der Welt zu. Er spiegelt die Hoffnungen enttäuschter Menschen auf Veränderung/Besserung ihrer persönlichen Lage. Wer sich nicht mehr von der Politik gesehen, verstanden und mitgenommen fühlt, wird halt zum Frustwähler.

Ingbert Jüdt | Mi., 6. November 2024 - 18:55

Interessante Lesart. Ein Ende des Gemetzels ist also eine »schlimme Folge« für die Ukraine. Dann ist das metallische Klirren, das ich im Hintergrund vernehme, wohl bereits jetzt das Wetzen der Messer für die Legende vom Ukraine-Dolchstoß. »Im Felde unbesiegt«, aber von Trumps Politik verraten. Damit hätte Westen seinen Schuldigen für die Niederlage der Selenskyi-Regierung und Europa könnte seine Mitverantwortung für diesen Krieg weiterhin verleugnen.

Wer den Sieg Trumps bloß als Stich in die woke Polit-Blase des linksgrünen Deutschlands wahrnimmt, könnte sich nach einem Ende der Ampel daher verwundert die Augen reiben über die Russenpanik, Rüstungshysterie und das Militarisierungsgeschrei, das eine Regierung Merz lostreten und die Geopolitik der USA nach ihrem Ableben fortsetzen würde wie weiland noch Syagrius, der letzte Römer Galliens, das schon tote Römische Reich verteidigte.

Der politische Selbstbetrug Deutschlands ist mit Beginn einer neuen Ära Trump noch lange nicht erledigt.

Reinhold Schramm | Mi., 6. November 2024 - 18:57

Armut und Reichtum in den USA.
43 Prozent aller Familien können ihre Grundbedürfnisse nicht erfüllen. Über alle Familienstrukturen hinweg verfügen 59 bzw. 66 Prozent der schwarzen und hispanischen Familien über Mittel, die nicht ausreichen, um die Grundbedürfnisse der Familie zu decken, gegenüber 37 Prozent der weißen Familien.

Noch schlimmer sind die Zahlen für Alleinerziehende und Familien mit mehr als zwei Kindern. Ein-Eltern-Familien sind überproportional häufig schwarz und hispanisch – sie machen 55 Prozent bzw. 33 Prozent der Familien mit Kindern unter 18 Jahren aus, verglichen mit 24 Prozent der weißen Familien. Wie die Übersicht zeigt, haben diese Familien überwiegend Probleme, wobei 80 bis 90 Prozent bedürftig zu sind.

Statt der 11 bis 12 Prozent der Familien, nach der offiziellen Armutsquote, haben mehr als zwei von fünf Familien zu kämpfen (mehr als 40 %), wobei die Zahlen für farbige Familien noch viel erschreckender sind. {...}

Nachtrag, Teil II.

Reinhold Schramm | Mi., 6. November 2024 - 19:00

{...}
Statt der 11 bis 12 Prozent der Familien, nach der offiziellen Armutsquote, haben mehr als zwei von fünf Familien zu kämpfen (mehr als 40 %), wobei die Zahlen für farbige Familien noch viel erschreckender sind. In diesem Sinne ist die wahre „Armuts“-Quote viel höher, als üblicherweise berichtet wird.

Reichtum in den USA.

Wie im "USA Wealth Report 2024" von Henley & Partners ausgeführt wird, leben in den Vereinigten Staaten derzeit rund 5,5 Millionen Menschen, deren verfügbaren finanziellen Mittel bei über 1 Million Dollar liegen. In den vergangenen zehn Jahren nahm ihre Zahl in den USA um 62 Prozent zu. In den letzten fünf Jahren lag die Zunahme der Millionäre bei 35 Prozent, annähernd doppelt so hoch wie in China. Die im Hinblick auf das Vermögen ihrer Einwohner reichste Stadt der USA ist nach wie vor New York mit nicht weniger als 349.500 Millionären.

Im Jahr 2022 kamen 955 aller Milliardäre und Milliardärinnen aus den USA.
{...}

Henri Lassalle | Mi., 6. November 2024 - 20:31

im Vordergrund stehen, weil sich der Amerikaner fragt, wozu das alles nützt, und wem - und es ist kein Ende des Krieges abzusehen, "die Länge hat die Last". Falls die US-Unterstützung ausbleiben sollte, dann werden die Belastungen gerade jetzt nicht mehr tragbar - oder will eine Bundesregierung den Deutschen noch mehr Lasten als bisher aufbürden, für die Ukraine?

Naumanna | Do., 7. November 2024 - 07:03

Man kann ihn mögen oder nicht - eine Alternative war nirgendwo in Sicht. Die Menschen haben die Irrationalität des Woke Bloedsinns satt und wollen eine Politik der Rationalität - Trump wird Kriege beenden keine neuen Kriege anzetteln und auf Wirtschaftswachstum setzen. Die illegale Migration beenden und Vernunft obsiegen lassen. Ich glaube auch nicht wirklich dass er der deutschen Wirtschaft schaden wird - das ist alles Sturm im Wasserglas.

Brigitte Miller | Do., 7. November 2024 - 08:01

kann man es nicht sagen: "
Die Wahl Trumps ist ein Sieg der Vernunft über die Verblendung."
Alex Burruker bei nius.de heute