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Hauptsache der Abstand reicht / dpa

Der Flaneur - Die Wiederkehr der Warteschlange

Anstehen - Das Hobby der Briten, so sagt man. Warum auch wir uns immer wieder in lange Schlangen einreihen und was Warten mit Demokratie zu tun hat, erklärt Stefan aus dem Siepen.

Stefan aus dem Siepen

Autoreninfo

Stefan aus dem Siepen ist Diplomat und Schriftsteller. Von ihm erschien zuletzt im Verlag zu Klampen „Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Missgriffs“. (Foto: © Susanne Schleyer / autorenarchiv.de)

So erreichen Sie Stefan aus dem Siepen:

Seltsame Szenen auf Bürgersteigen. Die Seuche drängt die Kunden aus den Geschäften nach draußen, und weil Abstandhalten erste Bürgerpflicht ist, zieht sich selbst eine kleine Schlange beträchtlich in die Länge. Bei gutem wie schlechtem Wetter findet man sich unter freiem Himmel wieder, wartet geduldig und mit glasigem Blick vor dem Bäcker an der Ecke, vor dem Lieblingsrestaurant, das seine Gerichte wie eine Pommesbude über die Straße verkauft, vor dem systemrelevanten Buchladen. Die Schlange ist ein Symbol dafür, dass etwas nicht Geheures, unbestimmt Unheilvolles geschieht; man fühlt sich in überwundene Zeiten zurückgeworfen, und die Brötchen oder das Taschenbuch, für die man ansteht, steigen im Wert. Dabei weiß man natürlich, dass kein Mangel besteht, der Überfluss geht weiter; es sind bloß die Bilder, die einen angreifen, auf halb sarkastische Weise das Unheil vorführen. Die Schlange zeigt an, wie es wäre, wenn es ernst wäre.

Anstehen für das neueste IPhone

Fast schon eine nostalgische Erinnerung: die Schlange vor dem Apple-­Store. Wenn ein neues Gadget seine spektakuläre, mit Getöse angekündigte Premiere hat, drängen sich morgens die Computer-Umnebelten vor den Türen. Der „early user“, der die begehrte Novität ergattert, gehört für ein oder zwei Tage zu einer Avantgarde, die nur in seinem Kopf existiert. Trotz der Banalität ein Bild der Zeit: Die rasende Abfolge der technischen Neuerungen, die eigentlich abschreckend wirken, den Widerstand der Intelligenz wachrufen sollte, animiert im Gegenteil zur Schlangenbildung. 

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Bernd Muhlack | Mi., 17. März 2021 - 16:00

Schlangen als auch Spinnen sind bekanntlich nicht jedermanns Sache, nicht wahr?
Ich bin grundsätzlich kein Tierfreund, außer in Metzgereien.
"Schlange Stehen" kenne ich nur von Fußballspielen oder Rockkonzerten.

Man soll also bei hornbach, hagebau etc. einen Termin vereinbaren um etwa einen Satz Steinbohrer zu kaufen?
"Bitte warten Sie vor unserem Shop und beachten Sie bitte die AHA-Regeln - Vielen Dank!"
Nee Leute, mit mir nicht.
Und direkt gegenüber sind kaufland sowie fressnapf geöffnet!
Derselbe große Parkplatz, ca veut dire, die Kunden vermischen sich doch sowieso!
Es ist die reine Willkür!

Auch die Anwesenheit von "Models und Kunststudenten" (Kunststudierende?) vor Baumärkten würde meine Meinung nicht ändern, Im Gegenteil!

Nein, die Vatikanischen Museen kenne ich nicht, jedoch waren wir zweimal im Louvre, und den Uffizien - sehenswert!

Corona wird uns noch sehr lange begleiten, überall!
Also bitte die Regeln einhalten und ÖFFNEN!

Nochmals Sláinte!
an alle Ciceronen!

Liebe Ureinwohner aus dem ehemaligen nicht sozialistischen Ausland D.

Auch werdet ihr euch in Zukunft an so manches gewöhnen müssen:
-eben Schlange stehen (auch wenn man oft nicht genau weiß, was & wie lange & ob es bis zu mir auch reicht
- bück-tisch-Ware (nur mit Beziehung nach Rom)
- reisen erst dann, wenn du genügend Bienchen hast & geimpft bist & du auch ordentlich deine Pionierarbeit gemacht hast
Amazon mit mehrmonatiger Bestellung
- Auto & alles was Strom frißt, ist ein Luxusgut & wird mit Luxusgütersteuer zu horrenden Preisen angeboten
- mal einfach was am Haus oder am Garten machen - wo lebt ihr denn. Wir sind doch nicht bei Wünsch dir was
-Berufliche Perspektive eurer Enkelkinder? Aber nur, wenn sie den politisch richtigen Weg nehmem. Und Beziehungen zu solchen Objekten wie meine Person - geht gar nicht.
Entwicklungsgefährtend!!!
- Gespartes oder Aufgebautes?
Fucce Nido - weg ist es. Weggeflogen,
Ja, der Staat ist immer hungrig. Und wo einsmals Speck war - ja er wahr ;>

Norbert Heyer | Mi., 17. März 2021 - 16:08

Früher gab es Schlangen beim Eintritt in ein Fußballstadion oder einem Theater und Konzertgebäude - diese Schlangen gibt es mangels Ausfall solcher Veranstaltungen
nicht mehr. Heute schlängeln sich Menschen vor Arztpraxen und lassen sich das gewünschte Rezept nach draußen reichen. Das Restaurant, in dem meine Frau und ich gerne speisten, bietet Essen auf Anruf an. Man formuliert seine Wünsche, bekommt eine Abholangabe und kann dann maskiert und devot gegen Geldzahlung die Mahlzeiten abholen. Sollten mehrere Abholer vor dem Restaurant warten, halten -fast- alle den amtlich verordneten Abstand ein. An Bushaltestellen warten auch komplett Maskierte auf den Bus. Apotheken, Bäckereien, Schuster oder Friseure, bei allen das gleiche triste Bild einer total angepassten Masse, die sich willenlos dem Diktat der Macht unterwirft. Gelegentlich kommen amtliche Personen im Dienstwagen vorbei und achten mit deutscher Gründlichkeit auf Einhaltung der sich ständig wechselnden Regeln. Preußen pur ..

Heidemarie Heim | Mi., 17. März 2021 - 16:31

Persönlich gesehen eher keine Option zu einem Hobby zu werden;) Zu viel Konfliktpotential wenn man mich frägt! Die einzige Schlangenbildung die ich mit Müh und Not halbwegs innerlich ruhig bewältige, ist die vorm check in-Schalter in der Hoffnung daheim richtig gewogen zu haben, gefolgt von der ebenso klammen Warteposition bei der Sicherheitsüberprüfung, wo zahlreiche Hindernisse auf dem Weg durch das mit Detektoren gespickte Tor warten, das man irgendwie entblößt durchschreitet und schuldbewusst zusammen zuckt bei jedem Biep! Und ja, da muss ich jedes Mal sehr meine Gedanken auf Urlaub oder sonst etwas Lohnenswertes richten, um an Orten wie diesen durchzuhalten;). Andererseits kann ich aber durchaus großmütig sein und die Reihenfolge außer Kraft setzen indem ich Jemand mit ein, zwei Artikeln, dem Handwerker in der kurzen Pause usw. an der Kasse den Vortritt lasse und meist ein Lächeln abgreife;), was in der Schlange eher selten angesiedelt ist. Gut fürs Karma;-)! MfG

Günter Johannsen | Mi., 17. März 2021 - 17:03

war doch eigentlich das Alleinstellungsmerkmal der untergegangen DDR!
Schlangen, wenn´s mal Bananen gab … oder Mandarinen (Nur um Weihnachten), oder Rosinen (ebenfalls nur um Weihnachten) … Schallplatten mit Rock-Musik aus dem bösen Westen (da musste man sich sogar am Abend vorher anstellen!) … Klopapier und vieles … vieles mehr!
Das selbst beruhigende und ironische gemeinte Standartwort dafür war dann in Anlehnung an die Schöpfungsgeschichte um Adam und Eva: "Kein Paradies ohne Schlangen!"
Sollte uns Rot-Rot-Grün ab Herbst ereilen, werden wir das Paradies wieder hautnah und nachhaltig erleben dürfen!

Stefan Jarzombek | Mi., 17. März 2021 - 20:11

Geht auch alles online ohne Schlange, zum Warten ist mir meine Lebenszeit zu schade.
Schlimm genug das Frau Merkel und Co. derzeit so massiv meine Freiheit beschränken.
Die Wahlen in BW und RP haben der Regierung ja nun wohl einen kleinen Vorgeschmack auf den Herbst gegeben.
Also weiter so und viel Glück mit bald 10%.
Das Volk fährt derweil mal nach Malle.

Quirin Anders | Do., 18. März 2021 - 00:32

Das mag vielleicht für den Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs zutreffen. Kulturinteressierte kennen das Phänomen aber auch als Luxusproblem aus "dem Westen": Während der Abiturreise in den 70ern warteten wir in langen Schlangen auf Einlass in die Vatikanischen Museen, bis wir inmitten der Schlange in gleichbleibendem Tempo durch die Museen geschoben wurden; ohne Chance, stehen zu bleiben, um ein Kunstwerk näher zu betrachten. Bekannt sind auch die Schlangen vor anderen Sehenswürdigkeiten, etwa Kampanile und Dogenpalast am
Markusplatz in Venedig, vor dem schiefen Turm von Pisa (als er noch bestiegen werden durfte), und vor Museen, insbesondere anlässlich von Sonderausstellungen. Wenn man sich diese Schlangen vergegenwärtigt, könnte man fast meinen, manche geniessen diese Chance zur "Entschleunigung". Jedenfalls gab es auch für Wessis diverse Gelegenheiten, für jenes Anstehen zu trainieren, das Sie uns für den Fall eines bestimmten Wahlausgangs im Herbst avisiert haben ;-)

"Während der Abiturreise in den 70ern warteten wir in langen Schlangen auf Einlass in die Vatikanischen Museen, bis wir inmitten der Schlange … !
Sie Glücklicher konnten zur Abiturreise und auch sonst die Welt sehen. Für uns war dier Welt in der CSSR, Polen oder Ungarn zu Ende!
Wenn das rot-rot-grüne Paradies uns überkommt, dann dürfen wir mit Sicherheit noch eine Weile reisen, aber irgendwann wird man uns auch vor den bösen Einflüssen der "kapitalistisch-dekadenten Welt" des Westens beschützen … Mit einer Mauer … ? Man wird es sehen, wenn es zu spät ist!

... finde ich sachlich falsch dargestellt, denn mit online oder vorbestellten Karten gibt es bekanntlich oft eine fastline, ebenso wenn beispielsweise bei einem Besuch an der Themse am Riesenrad gleich ein paar Pfund mehr bezahlt werden.
Übrigens: Ich kann ich mir besseres zum''Entschleunigen''vorstellen als in Warteschlangen zu stehen.

Lieber Herr Jarzombek: Ich beneide Sie ein wenig, dass Sie schon in den frühen 70ern des letzten Jahrhunderts die Möglichkeit einer online-Bestellung kannten, während mir da noch nicht einmal das Wort "online" und seine Bedeutung bekannt waren ;-) Ansonsten habe ich nur ein paar beobachtete Tatsachen erwähnt, ganz wertfrei. Was daran falsch sein könnte, habe ich leider noch nicht verstanden.
Und ja: Mangels freier Zeichen habe ich versäumt, die "Entschleunigung" ausdrücklich als Ironie zu markieren; mea culpa. Ich kann Warteschlangen genausowenig ausstehen wie wahrscheinlich Sie, und meide sie wo immer möglich.

Lieber Herr Johannsen: Nicht ohne Grund habe ich den von mir genannten Warteschlangen das Wort "Luxusproblem" vorangestellt. Und ebenso wie Sie fürchte ich, dass die Mehrheit (falls überhaupt, dann allenfalls) erst aufwachen wird, wenn es zu spät ist.

Lieber Herr Müller: Als (früher) langjähriger "Berufspendler" musste ich auch sofort an Autoschlangen denken; aber 1000 Z....

Ist der Stau auf der Autobahn nicht eigentlich auch eine Warteschlange? Und seit neustem gibt es Staus auch online, siehe Corona-Impfanmeldung. Die Warteschlangen vor Appleläden, wenn mal wieder etwas Neues zu haben ist, scheinen mir aber eher künstlich zu sein.