bert-flossbach-corona-wirtschaftskrise-planwirtschaft-boerse-ezb-eurozone
So viel Staat war lange nicht: Bert Flossbach warnt vor zu großem politischen Einfluss auf die Wirtschaft / picture alliance

Bert Flossbach über die Corona-Wirtschaftskrise - „Immer mehr in die Planwirtschaft“

Ob 9/11 oder Finanzkrise – einen solchen Wirtschaftskollaps wie die Corona-Krise gab es nie. Die EU-Kommission befürchtet für die Eurozone einen dramatischen Rückgang von 7,75 Prozent. Was geschieht danach? Wer bezahlt unsere Schulden? Fragen an den Vermögensverwalter Bert Flossbach.

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

So erreichen Sie Bastian Brauns:

Herr Flossbach, was macht die Börse?
Bert Flossbach: Die Bewegungen sind unglaublich. Starkes Hoch, Breaking News. Starkes Tief, Breaking News. Dann geht es wieder hoch, Breaking News. Dass ein Kurs plötzlich um 10 Prozent steigt und dann um 10 Prozent fällt, ist jetzt der Normalzustand. Eine extrem intensive Zeit.

Die Welt ist in Aufruhr.
Ja. Und die Börse ist ein Medium, das viele noch immer nicht so richtig begriffen haben. Aber sie ist letztlich der demokratischste Platz, den wir haben. Hier können sich alle Meinungen konkret in Form von Preisen Ausdruck verleihen. Hier agiert jeder. Und hinzu kommen die enormen Maßnahmen der Staaten und vor allem auch der Notenbanken.

Wie würden Sie diese Zeiten von Corona beschreiben?
Normalerweise haben Auswirkungen von Krisen eine gewisse Halbwertszeit. Deshalb spielen sie im Tagesgeschäft oftmals gar nicht eine so schwerwiegende Rolle, jedenfalls nicht so wie in der Politik. Mit Corona aber haben wir ein Ereignis, das man als so stark und gewichtig beschreiben kann, dass es eine Zeit davor und danach geben wird. Das kennen wir aus der Nachkriegszeit und in gewissem Maße auch aus der Finanzkrise, die zumindest eine andere Sichtweise auf Banken, Finanzinstrumente und auch neue Regulierungen geschaffen hat.

Nur haben die Menschen die Finanzkrise nicht in allen Bereichen so bewusst wahrgenommen wie diese Pandemie.
Das ist der große Unterschied. Als 1998 die LTCM-Pleite die Märkte fallen ließ oder 2000 die Dotcom-Blase platzte, standen wir in den Büros in Frankfurt beziehungsweise in Köln und guckten runter auf die Straße. Ich hab dann immer gefragt: Schaut mal, die Leute da unten, bekommen die eigentlich jetzt mit, was hier so passiert oder worüber wir uns Gedanken machen und was die Konsequenzen sind? Dabei war der scharfe Einbruch damals auch schon eine ernst zu nehmende Situation. Dann kam die Krise 2001, die durch die Terroranschläge verschärft wurde. In der Konsequenz hat man dann vielleicht seine Reiseziele leicht verändert. Aber auch das war relativ schnell wieder weg. Selbst die dramatische Eurokrise war geografisch begrenzt. Das, was wir jetzt erleben, tangiert alle, in allen Regionen der Welt mit einem zeitlichen Verzug. Und es betrifft gleichzeitig die Angebots- wie die Nachfrageseite.

Wie antizipiert ein Vermögensverwalter, was sich durch so eine Ausnahmesituation verändern wird?
Natürlich mache ich mir ein Bild der Lage, so wie immer. Aber wissen Sie, mir ist das gestern Abend aufgefallen: Ich habe die Serie „Silicon Valley“ geschaut; diese ganzen Verhaltensweisen im Büro, abends im Restaurant oder bei einer Veranstaltung. Wie die sich bewegen, begrüßen, umarmen und Hände schütteln. Das, was noch vor wenigen Wochen normal war, erscheint mir schon jetzt völlig anormal. Und das hat Einfluss auf alles, nicht nur unmittelbar auf die Wirtschaft. Diese enormen Auswirkungen auf unser Miteinander versucht der Markt zu beantworten.

Und wie fällt die Antwort aus?
Sie steht noch aus. Wir hatten Corona seit seinem Ausbruch auf dem Schirm. Eine Kollegin aus Schanghai hielt uns früh über die Situation in China auf dem Laufenden. Wir konnten aber noch nicht sagen, was sich daraus entwickelt. Auch noch beim ersten deutschen Corona-­Fall bei der Firma Webasto blieb das so. Das änderte sich schlagartig, als der erste Todesfall in der westlichen Welt in Italien bekannt wurde. Ich erinnere mich noch an den Tag. Es war ein Sonntagmorgen. Einen Tag später, am 24. Februar, war die Abbruchkante da. Dann ging das tack, tack, tack. Eine kurze Erholung im März. Dann die ersten schlimmen Bilder aus Italien. Es wurde klar, das gerät aus den Fugen und ist nicht mehr kontrollierbar. Die Börse hat zunächst den Schluss gezogen, dass all das zu einem totalen Kollaps der Wirtschaft führt. Und dann auch des Bankensystems.

Wie dramatisch wird es?
Die ersten Maßnahmen können die Folgen dämpfen, aber nicht aufhalten. Die Zinssenkung der Fed, die Reaktion der EZB, die Programme der verschiedenen Regierungen. Aber anders als während der Großen Depression in den dreißiger Jahren haben die Staaten gelernt, sofort massiv gegenzusteuern. Wir lassen die Banken nicht einfach pleitegehen. Das ist ein Grund, weshalb es trotz allem nur einen begrenzten Einbruch an den Märkten gibt.

Das klingt nach einer teuer erkauften Schussfahrt ins Tal.
Die prozentualen Einbrüche seit Jahresbeginn sind mit 20 Prozent beim Dax absolut überschaubar. Trotzdem sehr unschön. Das liegt aber auch an skurrilsten Maßnahmen, wie wir sie uns noch gestern nicht vorstellen konnten. Banken müssen bei der Kreditvergabe überhaupt nicht mehr haften. Wir haben es letztlich mit einem weltweiten staatlich organisierten All-in zu tun. Das hat den Markt auf ein Niveau getragen, das ich mir ehrlich gesagt vor einigen Wochen niemals so hätte vorstellen können.
 

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Klaus Peitzmeier | Mi., 6. Mai 2020 - 14:19

Interessant wird der Artikel am Ende, wo es um den € u Europa geht.
Zitat:Da "haben wir das Problem unterschiedlicher Fiskalpolitiken. Und das ist für die Eurozone der Killer. Denn dann kommt in irgendeinem Land irgendwann eine Regierung an die Macht, die die Sache vollkommen anders sieht und sich einfach nicht mehr schert um die Maastricht-Kriterien. Irgendwann geht die Sache schief". "Das ist tatsächlich keine Sache mehr von Jahren. Schon in den nächsten zwölf Monaten wird man sehen, wie weit das auseinanderdriftet".
Das mit den Maastricht Kriterien ist ein echter Scherz. Als wenn es Italien, Spanien, Griechenland u Frankreich nicht gäbe.
Die €-Einführung u die EU-Erweiterung waren nicht die großen integrierenden, sondern die Europa sprengenden Entscheidungen. Die Träumer u fantasielosen Gutmenschen haben uns das eingebrockt. Und die nächsten Träumer u Gutmenschen stehen schon wieder bereit u wollen uns mit €-Bonds u EU-Erweiterung noch tiefer in den Sumpf hineinreiten.

Sie müssten in allen Euroländern Verfassungsrang haben. Wenn eine Regierung sie nicht einhalten kann oder will, dann müsste sie von Gesetzes wegen zurücktreten - Neuwahlen. Nichts diszipliniert Politiker mehr als die Gefahr ihre Macht, und alles was dazugehört, zu verlieren. Ohne einen solchen " inneren Verfassungszwang " in der Eurozone kann keine Währungsunion funktionieren. Wer das nicht will, der soll ausscheiden. Die EU scheitert nicht am Ausscheiden eines Mitglieds der Eurozone. Das war wohl der größte Stumpfsinn von 2010.

Stimmt Herr Kopp. Griechenland nicht aus der Eurozone zu entlassen war Insolvenzverschleppung. Und saud...sorry, selten intelligent. Wahrscheinlich können wir die Forderungen sowieso abschreiben, aber wenigstens würden wir für die aktuellen Schrottanleihen nicht mehr haften. Und wenn jetzt italienische Banken mit Eurobonds „gerettet“ werden sollen, wird derselbe Fehler wiederholt. Und so gehen sie denn dahin, unsere erarbeitenden Gelder. Milliarden um Milliarden.....

Jürgen Keil | Mi., 6. Mai 2020 - 14:59

Eine realistische Betrachtung, aber keine schönen Aussichten. Wichtig ist die Aussage, die Probleme bestanden schon, sie werden allerdings durch Corona noch verstärkt. "Das Projekt des Euros ist ein politisches, und deshalb müssen es auch die Politiker lösen. Ich kann nur sagen, dass es auf Dauer nicht funktionieren wird." Herr Flossbach hat recht. Aber die Politiker werden es nicht lösen, vielleicht weiter hinauszögern; darauf werde ich mich einstellen. Vereinigte Staaten von Europa? Solche Einheitskonstruktionen gab es schon: UdSSR, Jugoslawien. Nicht langlebig, nicht sehr erfolgreich! Die "Ewigzukünftigen" werden es trotzdem versuchen.
Mir ist bewusst, dass man mich nun als "Euroleugner" bezeichnen wird. Was solls, ich kontere: die Eurogläubigen sind „Realitätsleugner“!

"Europa - das Ganze ist eine wunderbare Idee, aber das war der Kommunismus auch".

Georg Czech | Do., 7. Mai 2020 - 12:30

Antwort auf von D. Gabs

So als würde Karl Marx lapidar sagen: „Tut mir leid. War halt so eine Idee von mir“

Ernst-Günther Konrad | Fr., 8. Mai 2020 - 11:49

Antwort auf von Jürgen Keil

Ob wir allein im Weltall sind, weiß ich nicht. Aber mit Ihrer Meinung verehrter Herr Keil sind Sie nicht allein. Mit mir sind wir mindestens schon mal zu zweit. Und so, wie ich hier viele Kommentatoren bislang in ihren Argumenten verstehe, kommen da noch etliche hinzu, die Ihre Kritik und Aussagen teilen.
Mir war die Einführung des Euro schon suspekt. Uns wurde das Geld mindestens zur Hälfte abgewertet, da die Preise gleich blieben, eben nur in Euro ausgezeichnet wurde unsere gute alte DM geviertelt. Ich weiß, dass sehen die Realitätsverweigerer anders. Eine kleine stabile Eurozone hätte gut gehen können. Aber 19 Staaten, darunter die ewigen Bankrotteure Griechenland, Italien, Portugal und Spanien, versteckt die Franzosen das kann nicht gutgehen.

Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass sich gerade jetzt die Vertreter der Neid-Debatte "Böser Kapitalismus - Guter Kommunismus" und „böse Marktwirtschaft – Gute Planwirtschaft“ bemüßigt fühlen, alle rot etikettierten Register zu ziehen. Wittern sie in der Not der Menschen Morgenluft für ihre kommunistische Ideologie ??? Das sogenannte Volkseigentum in der - Gott sei Dank - untergegangenen DDR gehörte nicht dem Volk, sondern einer Clique elitärer Moral-Kommunisten, die sich "ihr Eigentum" (ca. 68 Milliarden Ostmark) nach der Wende 1989 für ihre privaten Zwecke, aber hauptsächlich für gewisse linke Vereine & Stiftungen zur Seite schafften.
Der sogenannte Kommunismus war und ist nichts anderes als ungebremster Staats-Kapitalismus, bei dem sich eine Horde linksradikaler Bonzen auf Kosten des Volkes bereichern!