Angela Merkel im Parlament
Geschäftsführende Bundeskanzlerin vor geschäftsführendem Kabinett / picture alliance

GroKo-Regierungsbildung - Was dürfen diese Minister überhaupt?

In Berlin kursieren derzeit allerhand Listen, mit potenziellen Ministern des neuen Kabinetts. Aber wie viel Macht hat ein Minister wirklich? Und wieso können Minister so flott das Fachressort wechseln? Die wichtigsten Fragen und Antworten

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Yves Bellinghausen ist freier Journalist, lebt und arbeitet in Berlin und schreibt für den Cicero.

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Im politischen Berlin wird gerade mit Spannung erwartet, wer welches Ministeramt bekleiden könnte. Aber wie unabhängig ist ein Minister eigentlich und wie war das mit der Richtlinienkompetenz noch mal? Und wieso trauert die CDU eigentlich ausgerechnet dem Finanzministerium so hinterher? Lesen Sie hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Bei den Diskussionen um künftigen Minister tritt fachliche Kompetenz zuweilen in den Hintergrund. Muss ein Minister sich eigentlich in seinem Ressort auskennen? 

Natürlich sollte ein Minister sein Ressort kennen, aber wie in den meisten westlichen Demokratien ist es in Deutschland eher unüblich, dass Fachleute Minister werden. Die inhaltliche Arbeit machen Beamte in den einzelnen Referaten des Ministeriums – da sitzen die Fachleute. Der Politologe Oskar Niedermayer sagte der dpa gegenüber bei Ministern gehe es „auch um Fachwissen, aber wichtiger sind politische Führungsfähigkeiten.“ Es gelte in erster Linie, schnell ein Gespür für so einen großen Apparat wie ein Ministerium zu entwickeln. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist für Niedermayer ein gutes Beispiel für einen Fall, in dem das nicht geklappt hat. Sie habe die Probleme in ihrem Haus nicht recht verstanden und die Bundeswehr schlecht nach außen repräsentiert. Allgemein gilt, dass der Minister die groben politischen Linien vorgibt, die seine Beamten dann umsetzen. Er selbst wiederum erhält die Richtlinien vom Kanzler – Stichwort Richtlinienkompetenz.

Was ist die Richtlinienkompetenz?

Die Richtlinienkompetenz steht in Artikel 65 des Grundgesetzes festgeschrieben. Da heißt es schwammig: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung (…)“ Der Politologe Wilhelm Hennis hat über die Richtlinienkompetenz den berühmten Satz geschrieben „Dieses Recht gilt nur mit Wenn und Aber.“ Denn die Macht eines Bundeskanzlers ist indirekt. Wie genau diese Richtlinie aussieht, steht nirgends festgeschrieben. Anders als in einem Präsidialsystem kann der Bundeskanzler in Deutschland nicht „durchregieren“.

Wie viel Entscheidungsspielraum haben die Minister?

Auf der einen Seite steht zwar das Ressortprinzip, dass jedem Minister eine gewisse Beinfreiheit in seinem Ministerium zugesteht. Bei wichtigen Entscheidungen kann der Kanzler allerdings Weisungen an seine Minister erteilen – das sogenannte Kanzlerprinzip. In der Praxis kommt es innerhalb des Kabinetts allerdings selten vor, dass sich der Kanzler konfrontativ gegen einen Minister durchsetzt. Die wichtigen Entscheidungen werden im Normalfall im Koalitionsausschuss beraten. 2005 etwa, als Merkel frisch gewählt wurde, zweifelten viele noch an ihrer Fähigkeit Machtworte zu sprechen(!). Der Parteienforscher Franz Walter sagte damals, ihre Richtlinienkompetenz sei „keinen Cent wert.“ Ohnehin sei diese noch nie angewandt worden.

Welche Ressorts sind die wichtigsten?

Eine klare Reihenfolge gibt es hier natürlich nicht. Zu den sogenannten „klassischen Ressorts“ gehören das Innen-, Außen-, Justiz- und Verteidigungsministerium. Einen Bedeutungszuwachs bekommt in der anstehenden Legislaturperiode das Innenministerium, das zu einem „Heimatministerium“ ausgebaut werden soll und dazu noch die Kompetenzen fürs Bauen erhält. Traditionell haben außerdem das Justizministerium, das Finanzministerium und das Verteidigungsministerium eine herausragende Rolle. Sie werden als einzige Ministerien im Grundgesetz ausdrücklich genannt. Der Verteidigungsminister, weil es im Friedensfall die Kommandogewalt über die Streitkräfte hat, der Justizminister hat alle Gesetze zu prüfen, die andere Ministerien erlassen und der Finanzminister kontrolliert den Vollzug der Haushaltsplans. 

Warum ist für die CDU gerade der Verlust des Finanzministerium so schmerzlich? 

Seit der Eurokrise hat die Relevanz des Finanzministeriums stark zugenommen. Damals waren es die Finanzminister der Eurozone, die Europa zusammenhielten – oder entzweiten. Je nach Lesart. Dem ZDF gegenüber äußerten schon einige Unionsabgeordnete Sorge, dass das Finanzministerium in SPD-Hand den europapolitischen Austeritätskurs verlassen könne. Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union, sagte der dpa, jetzt müsse man besonders wachsam sein, wenn es um eine stabile Haushaltspolitik gehe. Tatsächlich ist aber der gesamte Bundestag an Haushaltsentscheidungen beteiligt. 

Wer regiert denn dann gerade das Land?

Damit die Bundesrepublik nicht nach jeder Bundestagswahl gelähmt ist, sieht das Grundgesetz eine „geschäftsführende Bundesregierung“ vor. Gemäß dem viel zitierten Artikel 69 des Grundgesetzes, bittet der Bundespräsident den Bundeskanzler darum, die Amtsgeschäfte weiterzuführen. Der Bundeskanzler bittet dann seine Minister, auch noch im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung steht. Das alles geschieht, bevor der neu gewählte Bundestag zum ersten Mal tagt – also spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl. 

Dann ist doch alles gut! Was soll denn die Eile?

Die neue Bundesregierung hat zwar formal dieselben Rechte wie eine reguläre Bundesregierung, bislang war es aber Praxis, dass geschäftsführende Minister keine Initiative ergreifen, sondern lediglich ihre Ressorts verwalten. Zieht sich eine Regierungsbildung, ist nicht nur monatelanger Stillstand die Folge. Auch erscheinen die Minister weniger glaubwürdig. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel etwa wird auf der internationalen Bühne seit Monaten als „lame duck“, als lahme Ente wahrgenommen, die keine Entscheidungen treffen kann. Und zur Krönung scheinen auch einige Minister die Bundeskanzlerin nicht mehr ganz Ernst nehmen. So entschied vergangenen November der kommissarischen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt in Brüssel für die Weiternutzung von Glyphosat zu stimmen – im Alleingang, gegen Umweltministerin Barbara Hendricks und Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einer regulären Bundesregierung hätte ein Minister wohl kaum so offen die Kanzlerin bloßgestellt.  
 

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Dirk Klostermann | Do., 15. Februar 2018 - 15:35

Ein Minister ohne fachliche Qualifikation wird zum Grüßaugust, oder zur "Grüßagusta" wie im Fall von der Leyen (besser: von der Laien). Wer nur repräsentieren will, ist als Minister untragbar. Es ist richtig, dass in den Ministerien ausgezeichnete Fachleute sitzen. Doch oft wird gegen ihre Expertise entschieden. v.d.L hat aus der Bundeswehr einen Schrotthaufen gemacht. Merkel hat Deutschland und Europa vor die Wand gefahren. Eine Regierung braucht Politiker mit abgeschlossener Berufsausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung.

Susanne Dorn | Do., 15. Februar 2018 - 16:24

„Die inhaltliche Arbeit machen Beamte in den einzelnen Referaten des Ministeriums – da sitzen die Fachleute.“

Wenn unsere Minister keine Ahnung von den Aufgaben und der Arbeit in ihren Ministerien haben, wie können denn hier um Gottes Willen die richtigen Entscheidungen getroffen werden? Wer kontrolliert die Arbeit der „Fachleute“. Wer entscheidet? Wer trägt dafür die Verantwortung? Wer erteilt diesen Beamten Anweisungen? Wer setzt Ziele und prüft deren Umsetzung?

Wofür werden die Minister eigentlich bezahlt?

Wenn ich die heutige Ministerriege anschaue, kann ich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Das Ergebnis einer Legislaturperiode ist erschütternd für uns Bürger und unser Land…

Bernd Fischer | Do., 15. Februar 2018 - 19:35

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel etwa wird auf der internationalen Bühne seit Monaten als „lame duck“, als lahme Ente wahrgenommen,
Zitatende:
Sigmar Gabriel: Gefangen zwischen deutscher Häme und Pöbelei gegenüber Trump, und dem Diktat der USA Sanktionen gegenüber Russland mit zu machen.
Was will er im Nahen Osten..auf dem Balkan..in Syrien... oder Jemen oder sonst wo ..in der Welt bewirken?
Dort haben schon andere "Player das große Sagen", unter sich ausgemacht, ohne die Deutschen.
Die deutsche Außenpolitik beschränkt sich seit den letzten 15 Jahren auf ( überraschende ) Truppenbesuche in AFG ( um den Stand des Brunnenbaus zu überprüfen ) und in Mali den französischen Uranabbau erfolgreich verteidigen.

Gundi Vabra | Do., 15. Februar 2018 - 20:10

Es fällt der SPD vor die Füße. Die klammen Kommunen wollen und können die Kosten der Asylpolitik der GroKo nicht tragen und fordern mit Recht Geld vom Bund.
Das wird der SPD und ihrer Weigerung nach einer "Obergrenze" noch schwer zu schaffen machen.

Dr. Merkel hat das Amt leichten Herzens abgegeben. Jetzt muss ein Sozi über die finanziellen Begehrlichkeiten der Kommunen entscheiden. Und das wo in so vielen Städte SPD-OBs regieren. Der Zwist ist vorprogrammiert.

Ralph Lewenhardt | Fr., 16. Februar 2018 - 09:33

stehen über Sachkompetenz und verfolgen trotzig Selbsterhaltungsziele für sich, ihre Parteien und ihre Lobbyisten. Deshalb
- funktioniert die Technik unserer Armee nicht,
- wurde das Pflegeproblem schleifen gelassen,
- stehen wir in der Digitalisierung hinter Rumänien,
- sind Schulen und Straßen marode,
- dümpelt das Niveau unserer Volksbildung dahin,
- verfehlen wir die eigenen Umweltziele,
- verlieren wir unsere nationale Identität und den
Erhalt der Werte, die uns stark machten,
- muss das Volk nicht befragt werden, wohin es sich entwickeln will.
Dieses System ist krank und überholt und kostet uns jetzt schwindelerregende Milliarden, die sie benutzen um zu kaschieren und sich wieder glänzen zu lassen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 16. Februar 2018 - 10:56

Ein wirklich überfälliger Artikel, den ich in die Rubrik Staatskunde einreihen würde und der UNS Dimensionen des Politischen aufzeigt, ohne die man den politischen Alltag nicht verstehen kann, meines Erachtens.

Christiane Bohm | Fr., 16. Februar 2018 - 14:18

Für mich stellt sich eher die Frage, ob die Regierung überhaupt viel Gestaltungsraum hat.Was ist mit der Kanzlerakte? Gilt die nicht bis 2099? Wieviel % vom Steuerkuchen gehen als Reparationen für WKII ab?
Billionen Schulden müssen aufgenommen werden, um fremde Völkerscharen zu alimentieren, dafür werden deutsche Rentner nach und nach enteignet.
Die europäischen Staaten sollen aufgelöst werden, ist da vieles nicht einfach nur noch Haschen nach Wind? Kann man das Rad noch anhalten?
Vielleicht gäbe es unter Trump noch Verhandlungsmöglichkeit. Wenn man denn wollte.

Bernd Wollmann | Fr., 16. Februar 2018 - 15:29

Fr. Barley von der SPD wird mittlerweile als neue Außenministerin gehandelt. In ihrer Heimat verlor sie die Wahl zur Landrätin gegen den CDU Kandidaten. Dann wurde sie überraschend zur SPD-Generalsekretärin berufen um nach kurzer Zeit durch Herrn Heil ersetzt zu werden. Völlige Ahnungslosigkeit u. Inkompetenz sind offenbar Voraussetzungen für höchste Regierungsämter (siehe von der Leyen).

Gerhard Schmidt | Fr., 16. Februar 2018 - 19:48

Die politische Logik ist oft eine andere als die sachliche...Am besten gibt Kanzler/Kanzlerin das Finanzressort der Person oder Partei, die am lautesten "Freibier für alle" verkündet und prunkvoll die Spendierhosen ausstellt. Wer das Finanzressort im Ergebnis erfolgreich managen will, liegt dann im Prokrustesbett entgegenwirkender Kräfte. Verschleudert er wie angekündigt, wird Versagen als Finanzchef offenbar; hält er das Geld zusammen, muss er Versprechen fressen.

So hat der kluge G. Schröder einst schon Lafontaine schachmatt gesetzt...der erkannte die Falle, forderte gewaltig erweiterte Kompetenzen und hoffte, die Verweigerung durch Schröders sei sicher...Dann hätte er einen bequemen Vorwand provoziert sich seinerseits zu weigern und auszubüchsen. Den Gefallen tat ihm Schröder nicht. Der Rest ist bekannt.