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Elizabeth Warren - Die Anti-Hillary

Die US-Demokratin Elizabeth Warren könnte Hillary Clinton den Rang ablaufen: Die Parteilinke will, dass sie bei den Präsidentschaftswahlen 2016 kandidiert. Denn die Harvard-Professorin gilt als Kapitalismuskritikerin

Autoreninfo

Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Ein bisschen wie eine Schullehrerin wirkt sie – bieder, ehrlich, intellektuell. Gar nicht wie die radikallinke Kapitalismuskritikerin, als die sie gehandelt wird. Elizabeth Warren, demokratische Senatorin in Massachusetts, hat ihre Autobiografie veröffentlich, „A Fighting Chance“. Ein Wortspiel, das „Eine knappe Chance“ bedeutet, aber auch: „Eine Chance, wenn man kämpft“. Zusammen mit Thomas Pikettys „Capital In The Twenty-First Century“ ist es ganz vorne in den US-Bestseller-Listen. Dabei ist Warren gar keine Arbeiterbewegte, sie ist eine Verteidigerin der Mittelklasse. Aber in den USA, wo die Mittelklasse verarmt, wo Millionen ihr Häuschen, ihren Job, ihre Krankenversicherung verloren haben, klingt sie wie Rosa Luxemburg. „Das Spiel ist gezinkt – gezinkt, damit es für die funktioniert, die Geld und Macht haben,“ schreibt sie in „A Fighting Chance“, und: „Großkonzerne engagieren Armeen von Lobbyisten, um milliardenschwere Steuerschlupflöcher zu finden und ihre Freunde im Kongress zu überzeugen, Gesetze zu verabschieden, damit die Chancen ungleich verteilt bleiben.“

„Kandidiere Liz, kandidiere“
 

Barnes & Noble am New Yorker Union Square vor einer Woche. Der größte Buchladen der Stadt ist randvoll. Viele sind Stunden vor der Lesung gekommen. Während Warren spricht, werden Fragen auf Kartonkarten eingesammelt. Welche ist die häufigste, will der Moderator dann wissen. „Ob ich als Präsidentin kandidiere“, sagt die Senatorin. „Run, Liz, run!“ – kandidiere, Liz, kandidiere, ruft daraufhin eine Frau im Publikum, das in Applaus ausbricht. Warren lächelt und schüttelt den Kopf. „Nein, ich kandidiere nicht“, sagt sie. Darauf das Publikum einstimmig: „Ooch!“

Elizabeth Warren, eine 64-jährige Hochschulprofessorin und Juristin, die in Harvard lehrte, ist die Anti-Hillary. Sie ist die Demokratin, von der die Parteilinke hofft, dass sie kandidieren wird, wenn der Präsidentschaftswahlkampf 2016 beginnt. Ob Warren in einer Partei, die stets ängstlich auf den rechten Rand schielt, eine knappe Chance hat, ist eine andere Frage. Dass sie sich heute nicht offen positioniert, ist selbstverständlich. Aber in der amerikanischen Politik kann man gar nicht früh genug anfangen. Linke Gruppen wie „Progressive Change Campaign Committee“ oder „Americans for Financial Reform“ rühren bereits für sie die Werbetrommel oder verkaufen ihr Buch, auch MoveOn.org, die von George Soros finanzierte liberale Plattform, dazu Universitäten und Frauengruppen wie EMILY's List, ein Political Action Committee, das liberale Frauen unterstützt. Und ihr Buch liest sich ohnehin wie ein Wahlkampf-Manifesto.

Warrens späte Karriere ist ein Produkt der Krise von 2008, als die Wall Street, nach wilden, ungezügelten Spekulations-Jahrzehnten einbrach und mit Milliarden von Steuergeldern gerettet wurde, während die Mittelklasse auf der Strecke blieb. Noch heute hat sich der Arbeitsmarkt nicht erholt, während die schmale Schicht der Ultrareichen noch reicher wurde. Warren beriet damals den Kongress; sie war Juristin, spezialisiert auf Konkursrecht für Privatpersonen. Das hatte sie schon als Kind berührt, in Oklahoma, als ihr Vater nach einem Herzinfarkt seinen Job verlor und die Familie fast bankrott ging. Sie musste damals nach der Schule als Kellnerin arbeiten. Im November 2008 berief der demokratische Mehrheitsführer Harry Reid sie zur Vorsitzenden des „Congressional Oversight Panels“, das Aufsichtsgremium, das über TARP wachte, das „Troubled Asset Relief Program“, das Wohltaten an Banker verteilte.

Zunächst galt sie als moderat, sie hatte sogar einst den Republikanern nahegestanden. Aber dann trat sie in Michael Moores Filmen und in Jon Stewarts Daily Show auf. Sie wurde zur herben Wall-Street-Kritikerin und zur Konsumenten-Advokatin. Nicht immer erfolgreich; sie konnte es nicht verhindern, dass es privaten Schuldnern erschwert wurde, Konkurs anzumelden. Aber sie gab nicht auf. Sie setzte sich für das „Consumer Financial Protection Bureau“ ein, ein Amt zum Schutz der Bürger in Finanzdingen. Es ging um Kreditkartenschulden, die sich im amerikanischen Schneeballsystem exponentiell vermehren, um Schulden, die Studenten wegen der immensen Studiengebühren haben, und, natürlich, um Hauskredite. Mit der Finanzkrise hatten die Banken die Schuldzinsen erhöht, während viele Immobilien an Wert verloren, das brach den betroffenen Familien finanziell den Hals. Das Amt wurde tatsächlich gegründet, Obama berief sie aber nicht zur Vorsitzenden – die Republikaner waren dagegen Sturm gelaufen. Damit hatte sich die GOP keinen Gefallen getan. Warren beschloss nun, in die aktive Politik zu gehen und als Senatorin zu kandidieren.

Warren kämpfte um das Senatoren-Amt in Massachusetts
 

Sie tat das ausgerechnet in dem Staat, den die Republikaner endlich erobert hatten; Massachusetts, wo Scott Brown den langjährigen demokratischen Senator Ted Kennedy beerbt hatte. Der Wahlkampf war teuer – fast 40 Millionen Dollar – und heftig: Brown warf Warren vor, sie habe ihre Professorenstelle in Harvard nur auf einem Minderheitenticket bekommen, weil sie behauptet habe, 1/32 Cherokee zu sein. Dabei könne doch jeder sehen, dass die blonde, blauäugige Frau weiß sei. Ein Streit, wie es ihn nur in Amerika geben kann. Warren sagte, dass sei eben „Familienfolklore“ (praktisch jeder zweite Amerikaner bildet sich ein, ein bisschen Cherokee zu sein). Letztlich war es offenbar Harvard, das einen Affirmative-Action-Posten mit ihr füllte und nicht sie, die sich damit beworben hatte. Als Brown-Sympathisanten in „Redface“ auftauchten und Tomahawks schwangen, musste sich Brown sogar bei den Cherokee entschuldigen. Danach versuchte Brown, Warren als Klassenkämpferin zu denunzieren, da sie sich für Steuererhöhungen für Reiche ausgesprochen hatte; sie aber erinnerte daran, dass der Reichtum Amerikas auf der Infrastruktur beruhe, den Straßen, den Eisenbahnen, den Häfen. Brown verlor.

2011 war sie zurück in Washington als Senatorin. Nun war sie wieder im Banking Committee, das die Wall Street überwacht. Ihr erster Gesetzesentwurf, zusammen mit dem Sozialdemokraten Bernie Sanders, wollte es Studenten ermöglichen, zu den gleichen günstigen Bedingungen Kredite zu bekommen wie Banken. Selbstredend wurde das Gesetz nicht verabschiedet. Einen Nerv trifft es schon. Viele Studenten haben hunderttausende von Dollar Schulden, aber gute Jobs werden immer weniger. Und Hillary, das denken viele, steht der Wall Street zu nahe, um etwas zu ändern.

 

 

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