Neue Seidenstraße
Der erste Containerzug als Teil der chinesischen Seidenstraßeninitiative 2019 im Hafen von Mukran auf Rügen / dpa

Chinas „Belt and Road Initiative“ - Die „Neue Seidenstraße“ wird zur Sackgasse

Etliche Großprojekte von Chinas weltumspannendem Infrastrukturplan sind ins Stocken geraten. Nicht zuletzt, weil Peking als erpresserischer Kreditgeber gilt, der viele Gläubiger in die Schuldenfalle treibt. Inzwischen bieten Japan und die G7 Alternativen zur „Neuen Seidenstraße“ an.

Autoreninfo

Victoria Laura Herczegh, die fließend Mandarin, Spanisch, Französisch und Englisch spricht, ist Analystin bei Geopolitical Futures und Doktorandin für Internationale Beziehungen und Politikwissenschaft der Corvinus-Universität in Budapest.

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Vorige Woche hat der Leiter der Zentralen Kommission für Disziplinaraufsicht Chinas die wichtigsten Ziele der Aufsichtsbehörde für dieses Jahr dargelegt. Sein Bericht konzentrierte sich auf die Beseitigung von Korruption und ungesunden Praktiken im Zusammenhang mit Pekings gigantischem, weltumspannendem Infrastrukturentwicklungsplan, der Neuen Seidenstraße („Belt and Road Initiative“, BRI). Dies folgt auf die Erklärung von Präsident Xi Jinping, der eine Verlagerung weg von Großprojekten hin zu den „kleinen, aber feinen“ Projekten angekündigt hat. Einst als Symbol für den Aufstieg Chinas zur Weltmacht gefeiert, sind in jüngster Zeit Zweifel an der Integrität und Durchführbarkeit der BRI-Projekte aufgekommen. Wenn der neue Ansatz Pekings umgesetzt wird, könnte er das Risiko verringern und gleichzeitig die Effizienz seiner Investitionen verbessern. Doch zunächst muss China die noch bestehenden Probleme angehen, die mit seinem früheren Ansatz verbunden sind.

Geheimgehaltene Konditionen

Die BRI wurde vor mehr als einem Jahrzehnt konzipiert, als Chinas wirtschaftlicher Aufstieg unaufhaltsam zu sein schien. Ursprünglich sollte sie einen erweiterten, voneinander abhängigen Markt für China schaffen und so die geoökonomische und geopolitische Macht des Landes stärken. In einigen Fällen ist sie jedoch zu einem Reputationsrisiko und einem finanziellen Risiko für Peking geworden. Wichtige Empfänger chinesischer Investitionen wie Sambia und Sri Lanka sind in Verzug geraten, was die Behauptung von Kritikern untermauert, Peking sei ein räuberischer Kreditgeber und die BRI-Kredite seien Schuldenfallen. Angesichts seiner eigenen Verschuldungssorgen im Inland hat China gezögert, seine ausländischen Kredite zu erlassen oder umzustrukturieren, während die Geheimhaltung des Umfangs und der Bedingungen seiner Kredite andere große Kreditgeber davon abgehalten hat, Hilfe anzubieten. Es war dem Ruf Pekings nicht förderlich, als die Associated Press voriges Jahr berichtete, dass China von seinen Kreditnehmern verlangt, Gelder auf versteckten Treuhandkonten zu hinterlegen, um sicherzustellen, dass es im Krisenfall zuerst bezahlt wird.

Und dann sind da noch die gebrochenen Versprechen, die in Südostasien am offensichtlichsten sind. Laut einer aktuellen Studie des Lowy-Instituts wurden von 24 regionalen Großprojekten im Gesamtwert von 77 Milliarden Dollar nur etwa 25 Milliarden Dollar umgesetzt. Lediglich ein Drittel dieser Projekte ist fertiggestellt, während ein weiteres Drittel – zumeist Infrastruktur-Megaprojekte – entweder gestrichen wurde oder voraussichtlich gestrichen wird. Ähnliche Unzulänglichkeiten sind auch in anderen Regionen zu beobachten, von strukturell unsoliden Staudämmen in Ecuador über ins Stocken geratene Eisenbahnprojekte in Ungarn und Serbien bis hin zu nicht eingehaltenen Versprechen zum Bau von Infrastrukturen in der Demokratischen Republik Kongo.

Verlangsamtes Wirtschaftswachstum

Vor 2015, als die chinesische Wirtschaft hohe Kapitalzuflüsse verzeichnete und über Reserven in Höhe von fast vier Billionen US-Dollar verfügte, schien die Fähigkeit Chinas, die BRI zu finanzieren, plausibler. Das aktuelle Szenario sieht jedoch ganz anders aus. Das Wirtschaftswachstum hat sich rapide verlangsamt, und die Bilanzen der Banken sind mit zweifelhaften Krediten belastet. Der Zustand der chinesischen Banken ist von entscheidender Bedeutung, da sie die Hauptfinanziers der BRI sind; die China Development Bank haftet beispielsweise mit schätzungsweise 100 Milliarden Dollar, während die Bank of China 20 Milliarden Dollar ausgeliehen hat. Multilateralen Organisationen, die zur Unterstützung der BRI-Finanzierung gegründet wurden, fehlt die Feuerkraft, um im Krisenfall zu helfen.

Vor diesem Hintergrund rief die chinesische Führung zu einer Verlagerung auf bescheidenere Infrastrukturprojekte auf, von denen sie sich erhofft, dass sie die Finanz- und Korruptions-Risiken verringern und gleichzeitig Pekings Zuverlässigkeit als Gläubiger und Partner wiederherstellen. Mit der Aufforderung an die Kreditgeber, Projekte nach ihrer finanziellen Tragfähigkeit zu beurteilen, sagte Präsident Xi Jinping Ende vergangenen Jahres der China Development Bank 350 Milliarden Yuan (44 Milliarden Euro) und der Export-Import Bank of China einen ähnlich hohen Betrag zu. Diese Banken sind zusammen mit den vier großen staatlichen Geschäftsbanken – insbesondere der Bank of China und der Industrial and Commercial Bank of China – für die Finanzierung der BRI von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus wird Peking 80 Milliarden Yuan für den Seidenstraßenfonds bereitstellen, um kleinere BRI-Projekte auf der Grundlage ihrer Marktgrundlagen zu finanzieren. Zu den Beispielprojekten gehören Solarkraftwerke zur Versorgung von Gebieten, die nicht an das bestehende Stromnetz angeschlossen sind, und Straßen zur Erschließung abgelegener Gebiete für den Handel. Dieser neue Ansatz könnte Chinas allmähliche Hinwendung zu einer marktorientierten Strategie signalisieren, die von seinem Bedarf an westlichen Investitionen angetrieben wird.

Von China enttäuscht

Pekings neue BRI-Strategie ändert jedoch nichts an den Großprojekten, die hinter dem Zeitplan zurückbleiben oder ins Stocken geraten sind, wie die Ostküsten-Eisenbahnverbindung in Malaysia, die Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke zwischen Thailand und China, die Bicol-Linie der Philippine National Railways, die Mindanao-Eisenbahn auf den Philippinen und ein Tiefseehafen in der Sonderwirtschaftszone Kyaukphyu in Myanmar. Einige dieser Projekte haben noch nicht einmal mit dem Bau begonnen und warten auf die zugesagte finanzielle Unterstützung aus China. Die Philippinen haben chinesische Kredite für drei Eisenbahnprojekte aufgrund von Transparenzproblemen bereits abgelehnt und verhandeln nun mit Japan, das seit kurzem BRI-Empfängerländern, die von China enttäuscht sind, Investitionen anbietet. Auch andere Länder in Südostasien prüfen Alternativen, obwohl China die Vorteile kleinerer Initiativen betont.

 

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Japan ist nur einer von mehreren Rivalen Chinas, die eine Alternative zur BRI anbieten. Am bedeutendsten ist die Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen (PGII) der G7, eine 600-Millionen-Dollar-Initiative, die im Jahr 2022 ins Leben gerufen wurde. Die PGII richtet sich an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen und konzentriert sich auf die Finanzierung „hochwertiger Infrastruktur“ mit Schwerpunkt auf sauberer Energie, digitaler Konnektivität und Gesundheit und positioniert sich als westliches Gegenstück zur BRI. Im Gegensatz zur BRI, die eine direkte Regierungsbeteiligung vorsieht, versucht die PGII, privates Kapital anzuziehen. Dies senkt die Risiken für die Steuerzahler, schränkt aber auch das Potenzial des Fonds ein, direkt mit der BRI zu konkurrieren, da China staatliche Unternehmen für BRI-Investitionen nutzen kann. Außerdem stehen westliche Unternehmen nicht unter demselben wirtschaftlichen und geopolitischen Druck, wie etwa Sanktionen und Überkapazitäten in der Produktion, die chinesische Firmen dazu bringen, neue Märkte und Investitionen zu erschließen.

Kein Wirtschaftsimperium

Aber selbst wenn westliche Alternativen nicht mit der BRI mithalten können, bieten sie den Entwicklungsländern mehr Finanzierungsmöglichkeiten, was China dazu bringen wird, seinem Mantra der „Win-Win-Kooperation“ gerecht zu werden. Außerdem wird dies die Transparenz und die effektive Kommunikation zwischen Peking und den BRI-Teilnehmern fördern. Die BRI wird sich nicht zu dem riesigen Wirtschaftsimperium entwickeln, das sich ihre glühendsten Befürworter vorstellten (und ihre Kritiker befürchteten), aber sie kann China weiterhin als eine Sammlung kleiner, praktischer Projekte zugutekommen, die auf die Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten sind.

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Christoph Kuhlmann | Sa., 6. April 2024 - 21:22

China sitzt selbst auf einer schwelenden Immobilien-Krise, die ebenfalls das Bankensystem destabilisiert. Die Seidenstraße Initiative und die geplatzten Kredite sind nur da Tüpfelchen auf dem I aus Staatsverschuldung und Bankenkrise in einem Umfeld sinkender Investitionen und fehlendem Wachstum. Da werden noch zahlreiche Projekte platzen.

Dietmar Philipp | So., 7. April 2024 - 09:19

Visionen sind eigentlich erforderlich und gut, um in der Welt etwas zu bewegen. So hat China gedacht und gehandelt. Zwischenzeitlich haben sich die Bedingungen in der Welt stark verändert, was auch negativ auf China zurückfällt. Die angedachten Megaprojekte sind zumindest gegenwärtig nicht umzusetzen und durch kleinere bzw. Abschnitte zu ersetzen. Die praktizierte Kreditpolitik mit starken Abhängigkeiten fremder oft unterentwickelter Länder ist zu verurteilen. Das sollte auch China korrigieren und berücksichtigen -geht es doch immer "Handel zu beidseitigem Nutzen", alles andere ist faul und Betrug. Wir brauchen endlich einen stabilen Weltfrieden, damit weniger/keine Rüstung. Mit dem gewonnenen Geld können dann wieder die Megaprojekte finanziert werden, zum Wohle der Weltbevölkerung.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 7. April 2024 - 09:54

dass westliche Unternehmen nicht so unter Sanktionen des Westens leiden müssen....oder wie?
Ich erwarte eigentlich, dass der Druck westlicher und amerikanischer Politik auf China noch ansteigen wird und ich bin nicht amüsiert.
Ich hoffe, Asien kann sich selbst schützen und rate dringend dazu!
Da wir hier evtl. eher von Geopolitik als von Ökonomie sprechen; durch die Meldungen über Erdbeben bei Microsoft-Nachrichten konnte ich sehen, dass die USA direkt vor Asien Gebiete ihr eigen nennen, die Marianen?
Japan darf natürlich gerne seine Möglichkeiten auf dem Weltmarkt suchen, aber hoffentlich niemals mehr gegen seine engsten Nachbarn.
Wie hiess es doch gestern bei "Queen of Tears" (Netflix) über eine auseinandergebrochene Familie, wir sind wie Nord- und Südkorea, wir sind nicht vereinigt, aber treten doch nach aussen auch mal zusammen auf.
"Familie" ist nicht alles, aber ohne sie ist vieles NICHTS?
Ich wünsche Asien Selbstbestimmung und Selbstachtung, das haben sie verdient!
RESPEKT

irgendwelche Interessen, sagen wir der Bundesrepublik, schützen zu müssen? Sah gerade Volker Pispers über die US-Aussenpolitik.
Wieso wünsche ich allen Länder-Gruppen viel Erfolg und gutes Gedeihen?
Ich freue mich gerne für andere und erkenne die Leistungen anderer sehr gerne an.
Ausserdem glaube ich, dass Europa weltweit so attraktiv und gefragt ist, dass es sich seinen Kolonialismus hätte schenken können.
Ebenso empfinde ich es als Stress, über meine Verhältnisse zu leben.
Herrschen hat mich noch nie interessiert, Leistung schon.
Auf der Grundlage gegenseitiger Wertschätzung muss doch ein miteinander Auskommen möglich sein?
Respekt
PS. Ich bin übrigens ausserordentlich beruhigt, dass ich nach wie vor von Herrn Pispers zurückliegenden Auftritten angetan bin.
Jetzt in meinem Alter und meiner politischen Entwicklung fühle ich mich auch schon mal ertappt von ihm und denke gerne darüber nach.
Pispers über Schule....grandios.

Tomas Poth | So., 7. April 2024 - 13:00

Chinesische Politik wird in China gemacht, die wird aber unter anderem auch vom weltweiten Wettbewerb und der Geopolitik anderer Nationen beeinflußt! Aber kein anderes Land führt die Hand der chinesischen Regierung!

Deutschland betreibt derzeit die dümmste Politik, treibt sich mit seiner Energie- Außen- und Wirtschaftspolitik in eine Sackgasse von Abhängigkeiten, die zum Niedergang auf Entwicklungslandniveau führen wird.
Gleichzeitig führen aber Washington und Brüssel die Hand unserer Regierung, sei es durch EU-Gesetzgebung oder Zerstörung der Nordstream Gasleitung.
Das sollte uns viel mehr bekümmern!