- Die EU macht unser Leben leichter
Die Populisten der AfD haben bei den Europawahlen 7 Prozent erreicht. Sie kritisieren die Integration, die mit Reisefreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit oder Auslandsstudium doch erst unser Leben erheblich leichter gemacht hat. Günter Verheugen erklärt, warum die EU benutzerfreundlich ist
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Dieser Text ist eine Kostprobe aus der Maiausgabe des Cicero. Das Magazin für politische Kultur ist in unserem Online-Shop erhältlich. Wenn Sie keine Ausgabe mehr verpassen wollen, können Sie hier das Abo bestellen.
Wer früher in Europa eine Reise tat, hatte eine Menge zu erzählen – und nicht nur Erhebendes. Es gab lästige Grenzprozeduren, den Geldumtausch und vieles mehr. Da war die Sprachbarriere noch das kleinste Hindernis, wenn man einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz im Ausland suchte, jenseits der Grenze ein Unternehmen gründen wollte, eine Ware, die von Land zu Land unterschiedliche Sicherheits- und Qualitätsstandards erfüllen musste, verkaufen oder gar eine Dienstleistung grenzüberschreitend erbringen wollte.
Für die EU ist dies Vergangenheit, und kein vernünftiger Mensch würde sich diese Zeiten zurückwünschen. Aber was wir heute als unser gutes Recht ansehen, ist nicht vom Himmel gefallen. All das ist Ergebnis der Politik der europäischen Integration. Doch sosehr sie unser Leben im Einzelnen auch erleichtert und bereichert, die heutige Integrationsdebatte ist nicht voll flammender Begeisterung. Sie ist nüchtern und oft auch mit allerhand Verdruss und Verständnislosigkeit beladen. Dabei sind es nicht ihre großen politischen Ziele, die die Misstöne begründen. Sondern es ist der europäische Alltag. Da gibt es berechtigte Kritik an Unvollkommenheiten und Fehlern, aber auch Kritik, die sich auf Vorurteile und Nichtwissen gründet.
Wer ein Auto kauft, verlässt sich darauf, dass alles funktioniert, vom Lenkrad bis zur Bremse. Früher hätte der deutsche Gesetzgeber dafür gesorgt. Heute tut es die EU – und niemanden stört es. Wenn aber die EU nationale oder internationale Regeln zu Handelsklassen übernimmt, ist plötzlich das Geschrei groß, und die EU gilt als Regulierungstrottel, dem nichts Sinnvolleres eingefallen ist, als sich etwa über krumme Gurken Gedanken zu machen. Seit 2009 tut sie das nicht mehr, was dazu geführt hat, dass die Gurkenkrümmung 2011 wieder dort geregelt wurde, wo sie herkam: bei der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa – übrigens mit aktiver deutscher Beteiligung.
Nicht der Geldbeutel regiert die Integration
Dennoch scheinen die europäischen Handelsklassenregeln, die Qualitätsstandards festlegen, Menschen sehr wichtig zu sein, denn sonst würden sich heute nicht so viele geradezu panisch darum sorgen, dass die europäischen Gesundheits- und Qualitätsstandards bei Lebensmitteln auf dem Altar der transatlantischen Verhandlungen geopfert werden könnten – auch wenn dies überhaupt nicht zur Disposition steht.
Oder nehmen wir den Euro, der in Deutschland auch deshalb einen schweren Start hatte, weil wir im Gegensatz zu anderen Ländern die doppelte Preisauszeichnung (in DM und Euro) von 1999 an für überflüssig hielten – mit dem Ergebnis, dass der Euro als „Teuro“ empfunden wurde. Es hat lange gedauert, bis auch wir begriffen, welch ein Segen der Euro für uns ist.
Reisefreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Möglichkeit, woanders zu studieren, sind europäischer Alltag. Millionen Deutsche nutzen das gern. Aber wenn andere Völker das Gleiche tun, finden sich bei uns immer Leute, die nahezu hysterisch reagieren – man denke an die Diskussion um die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren. Da zeigte sich, dass eine grundlegende Frage der Integration noch nicht völlig verstanden wird. Nicht der Geldbeutel regiert die Integration, sondern die Gleichheit aller Staaten: bei den Pflichten, bei den Rechten.
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