Halbmastbeflaggung vor der britischen Botschaft in Berlin
Halbmastbeflaggung auch vor der britischen Botschaft in Berlin / picture alliance

Anschlag in Manchester - „Wir lassen uns nicht unterkriegen – noch nicht“

Der schwerste Anschlag seit 2005 erschüttert sogar die sonst so gelassenen Briten. Der sogenannte Islamische Staat feiert den Attentäter als „Kalifat-Soldaten“. Ob das islamistische Netzwerk aber tatsächlich hinter der Tat steckt, wird weiter geprüft

Tessa Szyszkowitz

Autoreninfo

Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Verzweifelte Eltern suchen auch am Dienstagnachmittag noch über soziale Medien und in Krankenhausfluren nach Kindern, die bis dahin nicht nach Hause gekommen waren. „Ihr Mobiltelefon ist abgedreht“, rief eine Mutter, die ihre Tochter nicht erreichen konnte, mit brechender Stimme in einer Sondersendung der BBC. Am Montagabend hatte sich ein Selbstmordattentäter mit einer selbstgebastelten Bombe direkt nach Ende des Konzerts der US-Musikerin Ariana Grande im Foyer der Arena in die Luft gesprengt. 22 Menschen starben, dutzende sind schwer, insgesamt über hundert Konzertbesucher verletzt. 

„Dieser Anschlag sticht aus allen terroristischen Attentaten für seine haarsträubende, widerliche Feigheit heraus“, sagte die konservative Regierungschefin Theresa May in Downing Street. In Manchester stellte sich erstmals der am 4. Mai gewählte Bürgermeister Andy Burnham der Presse: „Das war ein besonders bösartiger Anschlag“, sagte der Labour-Politiker. Das Konzert wurde vornehmlich von jungen Mädchen mit ihren Eltern und von Teenagern ohne Begleitung besucht. Sie bilden den Kern der Fans von Ariana Grande. Am Abend strömten Trauernde zur Mahnwache zusammen. „Wir werden uns nie geschlagen geben“, erklärte Burnham. 

Mitgefühl und Hilfsbereitschaft

Die Briten zeigen Stolz und Gelassenheit, wie es ihrem Nationalcharakter entspricht. Der britische Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 8. Juni wurde ausgesetzt. Die Queen, Expertin für Durchhalteparolen, meldete sich ebenfalls zu Wort: „Ich möchte meinen Respekt für die Menschen in Manchester ausdrücken, die mit Menschlichkeit und Mitgefühl reagiert haben.“ Viele Umstehende hatten nach der Explosion ihre Wohnungen für Flüchtende geöffnet, andere fuhren die verängstigten Überlebenden mit ihren Autos nach Hause. 

Allerdings: Ein bisschen brüchiger ist dieses „Wir lassen uns nicht unterkriegen“ schon geworden. „Ich werde meinen Söhnen nicht verbieten, in Popkonzerte zu gehen“, erklärte ein erschütterter britischer Kollege und fügte nach einer kurzen Pause an: „Noch nicht.“

Sicherheits- und Überwachungsnetz bestand schon

Der letzte britische Terroranschlag ist erst zwei Monate her. Am 22. März 2017 war ein zum Islam konvertierter Brite mit einem Mietauto über die Westminsterbrücke gerast, hatte am Gehsteig Menschen überfahren und war dann bis zum Big Ben und den britischen Parlamentsgebäuden vorgedrungen. Fünf Menschen nahm er mit in den Tod. Der Anschlag in Manchester ist nun der schwerste seit 7/7, wie die Briten die Bombenserie vom 7. Juli 2005 nennen. Damals wurden gleichzeitig vier Bomben in Pendlerzügen und Bussen im Frühverkehr gezündet. 52 Menschen und vier Attentäter starben damals. 

In London verkündete Bürgermeister Sadiq Khan sofort Solidarität mit Manchester und ließ neue Sicherheitsvorkehrungen überprüfen. Die Briten leben allerdings jetzt schon in einem Überwachungsstaat, einem Erbe der Bombenkampagne der Irischen Republikanischen Armee (IRA) in den siebziger Jahren. Sicherheitskameras gibt es überall. Datenschutz dagegen wenig. Seitdem islamistische Fanatiker unter britischen Jugendlichen ihre tödliche Rekrutierungspolitik erfolgreich betrieben haben, hat Großbritannien zudem längst ein großflächiges und kleinmaschiges Sicherheits- und Überwachungsnetz über die radikalen islamischen Gemeinden gespannt. Experten halten die lückenlose Überwachung jedoch für einen unmöglichen Job: „Es gibt eine ganze Generation von radikalisierten Jugendlichen“, so der ehemalige Islamist und heutige De-Radikalisierungsexperte Rashad Ali. Unter diesen Jugendlichen gebe es viele tickende Zeitbomben.

Steckt wieder der IS dahinter?

Noch ist nicht klar, wer der Täter war. Die Identität wurde nicht sofort bekannt gegeben. In Südmanchester kam es zu einem Sondereinsatz und einer Festnahme. Die Polizei hielt aber alle Informationen zurück, um die Untersuchung nicht zu gefährden. Dies war auch im März der Fall, als man noch nicht wusste, ob der Attentäter von Westminster ein Einzeltäter war oder nicht. 

2005 hatte es sich um eine koordinierte Anschlagsserie gehandelt, die in Beziehung zu Al-Qaida gesetzt wurde. Auch die Pariser Anschlagsserie von 2015 hatte Drahtzieher, den Islamischen Staat. Inzwischen ruft der IS dazu auf, nicht mehr nach Syrien zu reisen, sondern Attentate in den Heimatstaaten zu verüben. 

Jüngstes Opfer acht Jahre alt

In letzter Zeit begehen daher immer mehr sogenannte „Lone Actors“ Anschläge. Aufzuhalten sind solche spontanen Terroroperationen nur sehr schwer. „Ein Kalifat-Soldat hat Bomben unter Zivilisten gelegt“, hieß es auf einer ISIS-Webseite am Dienstagnachmittag. Bestätigt wurde eine eventuelle Verbindung zwischen Attentäter und IS aber nicht weiter. Das Ziel jedenfalls war klar: Terror unter der Zivilbevölkerung in westlichen Städten zu verbreiten.

Dem Attentäter vom Montagabend ist dies gelungen. „Ich freue mich so darauf, dich morgen zu sehen!“, hatte die 18-jährige Georgina Callander am Sonntag an ihr Idol Ariana Grande auf Twitter geschrieben. Das Mädchen aus Manchester war ein großer Fan der amerikanischen Musikerin, sie starb in der Arena. Das jüngste Opfer ist Saffie Rose Roussos. Sie war acht Jahre alt. 

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Johannes Luig | Di., 23. Mai 2017 - 16:03

Als Vater erahne ich den Schmerz der Eltern, die ihre Kinder verlieren an den Terrror. Und spüre eine Wut und einen Zorn. Wo bleibt die Wehrhaftigkeit der Gesellschaft. Des Staates. Wir müssen uns nicht an die Barbarei gewöhnen, wir müssen sie bekämpfen. Radikale Moscheen schliessen, Islamisten und Gefährder ausweisen. Unsere Grenzen schützen.
Aus Liebe und Verantwortung für unsere Kinder. Für unser Land.

Margrit Morf | Di., 23. Mai 2017 - 17:53

Antwort auf von Johannes Luig

Sie haben recht, so müsste es sein. Aus Erfahrung aber ist es doch so: Es wird nichts geschehen, leider. Es wird nur geredet, immer wieder dieselben Statements.

Joachim Walter | Di., 23. Mai 2017 - 17:48

Wollen wir nun warten, bis die Terrorwelle von alleine abgeebbt, weil sich irgendwann die religiösen Fanatiker alle selbst in die Luft gesprengt haben? Oder werden such für jeden der sich in die Luft sprengt, 3 weitere sich berufen fühlen es ihm gleich zu tun?

Wollen wir wirklich das Argument, dass hätte alles nichts mit Religion zu tun, gelten lassen, ohne den religiös Überzeugten klar zu machen, dass sie in unserer Gesellschaft nichts verloren haben, sofern sie nicht bereit sind andere religiöse Überzeugungen als gleichwertig anzusehen? Wohlgemerkt: das gilt für alle religiös Überzeugten und nicht nur für Muslime.

Der Kern ist doch eben jener fatale Anspruch der absoluten Wahrheit, den viele Religionen für sich in Anspruch nehmen, auch wenn das viele inzwischen nicht mehr so laut sagen.

Wie Hohn klingen da die Worte von Sigmar Gabriel, dass „Religionen Frieden stiften“. Wie verblendet muss man sein, um hier die real existierende Wirklichkeit nicht sehen zu wollen.

Der ehemalige Pop- Beauftragte der SPD, der sich jetzt ins Aussenamt gehievt hat, meint in seinem infantilen und unernsten Dilettantismus wirklich ,was er sagt und hält sich dabei noch für ganz schön klug.

Karin Zeitz | Di., 23. Mai 2017 - 17:51

unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen. Anders als in Deutschland, wo Anschläge auf Leben und Gesundheit von Menschen durch die deutschen Qualitätsmedien meist als Taten geistig gestörter Einzeltäter bezeichnet werden, geht man in England sehr schnell von einem islamistischen Terroranschlag aus. Es bedurfte nicht erst eines Bekennervideos auf Facebook oder YouTube, wie bei uns üblich.

Ruth Müller | Di., 23. Mai 2017 - 23:22

das Establishment ignoriert und macht weiter - so. Meine Gedanken nach der Nachricht waren: es hat wie immer damit nichts zu tun, wir müssen noch enger zusammen stehen, wir müssen uns noch mehr anstrengen, wir feiern weiter ...
"Terroristenexperten" die warnen vor schnellen Schlüssen, grüne Ignoranten und Ihre Souffleure bestimmen weithin die Debatte.

Ich hasse Zynismus, aber ignorieren geht nicht mehr.
Es ist das Ende der Geduld gekommen.
Es wird Zeit für einen Wechsel.
Wir haben Werte die es sich lohnt zu verteidigen!
Die limitierten 1000 Zeichen des Cicerokommentarfeldes würden dafür nicht ausreichen.

Joost Verveen | Mi., 24. Mai 2017 - 01:22

Außerdem steckte bisher noch hinter jedem Terroristen eine Moschee. Solange diese Moscheen nicht geschlossen werden, und deren Publikum ausgewiesen wird, wird der Terror weitergehen.

Piotr Mordel | Mi., 24. Mai 2017 - 01:27

Das ist erschreckend, dass nach jedem Anschlag hört man und liest man das Gleiche. "Die Engländer oder die Berliner oder die Pariser lassen sich nicht unterkriegen" heißt das, dass der Terror zum Alltag geworden ist und die Politiker und die Journalisten brauchen nur auf ihren Computer gespeicherte Flosken zu kopieren? O tempora o mores!

Dieter Erkelenz | Mi., 24. Mai 2017 - 07:42

Es ist mir daher total unbegreiflich, dass etliche der IS-Leute hierher zurückkehren, angeblich reumütig und zerknirscht, und um Wiederaufnahme in die Gesellschaft bitten, deren Mitglieder sie doch zuvor brutal liquidiert haben. Mir ist bisher nichts davon bekannt, dass sie hier zur Rechenschaft gezogen werden! Und wer sind hier diese "Großherzigen", die diese Mörder ungeschoren lassen wollen?

Barbara Kröger | Mi., 24. Mai 2017 - 08:05

Was soll eine solche Überschrift mit dem Zusatz, "noch nicht"? Wir werden uns nicht unterkriegen lassen, weder jetzt noch später! Eine solche Option, wie Sie sie hier mit Ihrem Zusatz "noch nicht" anfügen, darf und wird nicht existieren! Unsere Freiheit ist nicht verhandelbar Frau Szyszkowitz!

Wilfried Veit | Mi., 24. Mai 2017 - 13:12

Europa ist in tiefer Trauer und Ohnmacht. Schock, Betroffenheit, große Reden, Gottesdienst und dann abgelegt. Immer der gleiche Ablauf nach jedem Attentat. Wo bleiben die Taten?
Junge Menschen müssen ihr Leben lassen, Familien werden zerstört, die Verletzten leiden unsägliche Quälen und die Hinterbliebenen sind der Verzweilung nahe und was machen die Verantwortlichen in Europa? Reden, reden,reden.....

Frank Mußhoff | Mi., 24. Mai 2017 - 14:27

ob eine Terrororganisation sich zu einem Anschlag bekennt oder nicht, ob sie ihn veranlasst hat oder nicht. Man tut so, als wäre das die Voraussetzung dafür, dass solche Attentate passieren. Nein. Das ist egal. Die Attentate passieren, weil der radikal gelebte und konservativ und wortgetreu interpretierte Koran, diesen heiligen Krieg gegen die Ungläubigen befeuert und sogar fordert. Selbst wenn es ab heute keinen IS oder keine Al Qaida mehr gäbe, würde der Terror nicht enden.

Wir werden diesen Fluch nicht los. Unsere PC und die Religionsfreiheit sind die Fesseln, die wir uns selbst angelegt haben. Wie Merkel schon mal sagte, in die Kirchen gehen und beten. Es ist ganz einfach und auch völlig egal, ob vor oder nach dem Anschlag, beten hilft immer, vor Allem den Kirchen.

Manfred Steffan | Mi., 24. Mai 2017 - 19:50

Antwort auf von Walter Wust

- jeder kann glauben, was er für richtig hält, und mag das anderen noch so absurd erscheinen. Die Grenze ist überschritten, wenn er mit seinen Vorstellungen übergriffig wird, nicht erst beim Terroranschlag, sondern schon bei der Nötigung von Andersdenkenden, und seien es die eigenen Familienmitglieder, und bei der Propaganda für eine solche Einstellung. Das alles ist nicht mehr durch die Religionsfreiheit gedeckt.

Wolfgang Spitz | Mi., 24. Mai 2017 - 15:21

Hätten die Amerikaner den Namen des Attentäters nicht geleakt, dann hätte man sicher wieder von einem Einzeltäter ohne kulturellen Hintergrund mit psychischen Problemen gesprochen. Gibt es eigentlich schon neue Erkenntnisse und Ergebnisse über all die die anderen vor kurzem stattgefundenen islamistischen Terrorangriffe in Europa?
Was macht das Amri-Netzwerk in Berlin, was das Netzwerk des Attentäters in Kopenhagen? Irgendwie scheint das Phänomen der plötzlichen, autonomen Selbstradikalisierung mit dem Drang nach Massenmord ein neues medizinisches Phänomen zu sein. Trotzdem waren im Nachhinein alle Gefährder mit ihren psychischen Problemen bekannt. Man kennt die Prediger, kennt die Moscheen. Warum müssen dann immer Menschen sterben? Nur weil man den Rechtsstaat nicht zulasten von Terroristen aushöhlen will. Er ist doch schon auf Seiten des Bürgers massivst ausgehöhlt, eben genau wegen dieser Terroristen. Es sind schon viel zu viele Menschen gestorben. Nur eben keine Politiker.

Akira Ozawa | Sa., 27. Mai 2017 - 22:36

. . . obwohl man sehr genau die Ursachen dieser hoch infektiösen gesellschaftlichen Krankheit kennt.

In der „Kairoer Erklärung der Menschenrechte“ vom 05-08-1990 wird definiert, dass die Scharia als „alleinige Grundlage von Menschenrechten“ gilt.

Diese Erklärung unterstreicht ihren Ursprung im Islam als der „wahren Religion“ und der Lebensart der islamischen Gesellschaft (Umma), die als die beste aller menschlichen Gesellschaften beschrieben und der eine zivilisierende und historische Rolle zugeschrieben wird.
Die Erklärung steht im Widerspruch zum internationalen Verständnis der Menschenrechte, weil sie die Unumstößlichkeit der Religionsfreiheit nicht anerkennt.

Ein Zusammenleben von Muslimen mit allen anderen Menschen auf dieser Welt ist nur auf Basis dieser Erklärung BINDEND.

Gemäßigter Islam - Aufklärung - Niemals mit dem Imam der Kairoer Universität Ahmed el-Tayyib (Er vertritt ca. 90% aller Muslime).

Wer wagt schon muslimische Splittergruppen in Europa?