- Trümmer aus dem All könnten die Erde treffen
Ein ausrangiertes Batteriepaket der ISS fliegt seit drei Jahren um die Erde. Nun tritt es bald in die Atmosphäre ein. Einige Trümmer könnten die Erdoberfläche erreichen.
Experten bleiben bei ihrer Einschätzung und sehen in den herabfallenden Trümmerteilen eines ausrangierten Batteriepakets der Internationalen Raumstation ISS aller Voraussicht nach keine Gefahr für Deutschland. Es sei unwahrscheinlich, dass Teile über Deutschland niedergehen, sagte ein Sprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Freitagmorgen der Deutschen Presse-Agentur. Das Objekt könnte den aktuellen Berechnungen zufolge über dem Norden Nordamerikas in die Atmosphäre eintreten. Als Zeitfenster wurde ein 20-Stunden-Korridor rund um den späten Freitagabend deutscher Zeit angegeben.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hatte am Donnerstagnachmittag über mehrere Warn-Apps eine amtliche Gefahreninformation verbreitet, derzufolge die Wahrscheinlichkeit, dass Trümmer auf Deutschland stürzen, sehr gering sei. „Sollte sich das Risiko erhöhen, erhalten Sie eine neue Information“, hieß es dort. Möglich seien aber „Leuchterscheinungen oder die Wahrnehmung eines Überschallknalls“.
„Erste Analysen des deutschen Weltraumlagezentrums haben ergeben, dass Teile der Batteriepakete den Wiedereintritt überstehen und die Erdoberfläche erreichen können“, hatte das Zentrum für Luft- und Raumfahrt am Donnerstag mitgeteilt. Vor dem Wiedereintritt überfliege das Objekt mehrmals Deutschland, eine Gefährdung hierzulande werde „derzeit jedoch als statistisch unwahrscheinlich angesehen“. Das Bundesministerium schrieb, eine Gefährdung für Deutschland sei „sehr unwahrscheinlich“. Es teilte weiter mit: „Sollten sich wider Erwarten Hinweise auf eine Betroffenheit Deutschlands abzeichnen, so werden die bestehenden Krisenreaktionsmechanismen von Bund und Ländern genutzt, um auf eine mögliche Gefährdung entsprechend zu reagieren. Diese ist nach aktuellem Stand allerdings mehr als unwahrscheinlich. Dennoch wird das Objekt eng überwacht.“
Einschätzungen von Experten
Auch Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner hält die Gefahr für gering. „Batterien brennen sehr gerne. Ich gehe davon aus, dass das Paket nahezu komplett in der Atmosphäre verglüht“, sagte der frühere Präsident der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa der Deutschen Presse-Agentur. „Vielleicht sieht man das Zerlegen ja als schöne Sternschnuppe.“ Selbst, wenn Teilchen durchkämen, sei ein Treffer auf bewohntem Gebiet unwahrscheinlich. „Unter der großen Fläche, die das Paket überfliegt, ist sehr viel Wasser.“
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst bezeichnete das Verglühenlassen als sinnvoll. „Das ist die beste Art und Weise, um Weltraumschrott zu vermeiden. Das ist im Prinzip eine positive Sache“, sagte Gerst am Donnerstag in Washington, wohin er und sein Kollege Matthias Maurer Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begleiteten, um in der US-Hauptstadt Gespräche zur Zusammenarbeit von Amerikanern und Europäern etwa bei künftigen Mond-Missionen zu besprechen.
Um was für ein Objekt geht es?
Bei dem Objekt handelt es sich den Angaben zufolge um eine Plattform mit Batteriepaketen, die in etwa so groß wie ein Auto ist und 2,6 Tonnen wiegt - das bislang größte Objekt, das aus der ISS abgeworfen wurde. Die Plattform wurde bereits am 21. März 2021 bewusst von der ISS abgetrennt, um Jahre später in die Atmosphäre einzutreten und dort zu verglühen.
Wieso kann man den Trümmerabsturz nicht genau vorhersagen? Es handelt sich um einen unkontrollierten Wiedereintritt, deswegen sind genaue Vorhersagen sehr schwer. „Das Objekt wird allmählich durch die Atmosphäre abgebremst und verliert damit an Bahnhöhe“, sagte der Leiter des Esa-Programms für Weltraumsicherheit, Holger Krag, dem Online-Portal der Tagesschau. „Die großen Unsicherheiten kommen daher, dass wir nicht genau voraussagen können, wie dicht die Atmosphäre sein wird. Es hängt von vielen Faktoren ab und bleibt zu einem großen Teil dem Zufall überlassen. Insofern kann man selbst einige Stunden vorher den Ort noch nicht genau benennen. Man kann vielleicht einige Kontinente ausschließen, aber man kann die Vorhersage auf keinen Fall auf ein Land oder eine Stadt herunterbrechen.“
Wie läuft so ein Wiedereintritt ab? „Das geht sehr schnell“, sagte Krag über den Eintritt in die Atmosphäre. „Von einer Höhe von 100 Kilometer, in der der Wiedereintritt stattfindet, wenn das Objekt anfängt sich zu zerlegen, bis zum Boden sind es nur zehn Minuten. Der Batterieblock wird aber nicht als kompaktes Einzelteil auf ein ganz eng begrenztes Gebiet fallen, sondern das verteilt sich eher in einer längeren Trümmerschleppe. Man wird in dem betroffenen Gebiet eher alle 10 oder 20 Kilometer ein kleineres Teil erwarten.“
Die Experten können mit Radaren feststellen, dass das Objekt nicht mehr im Weltraum unterwegs ist. Zudem ist es möglich, dass Lichtspuren am Himmel beobachtet und vielleicht auch per Foto oder Video festgehalten werden.
Kommt so etwas öfter vor?
Dass Weltraumschrott in die Atmosphäre eintritt und dort verglüht, ist gängiges Prozedere. So fand erst vor wenigen Wochen der vor fast 30 Jahren gestartete europäische Satellit «ERS-2» ein solches Ende und wurde planmäßig zerstört. Auch dass kleinere Trümmer die Erdoberfläche erreichen, kommt immer wieder vor. Meist gehen sie über dem Ozean oder unbewohntem Gebiet nieder. Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa ist in den vergangenen 50 Jahren durchschnittlich ein bekanntes Stück pro Tag auf die Erde gefallen. Bislang sei dadurch keine ernsthafte Verletzung oder bedeutender Sachschaden bekannt.
Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa sind derzeit mehr als 25 000 Objekte mit einem Umfang von mehr als zehn Zentimetern im Weltraum unterwegs, etwa 500 000 mit einem Umfang zwischen einem und zehn Zentimetern sowie mehr als 100 Millionen Partikel, die größer als ein Millimeter sind. Insgesamt seien es mehr als 9000 Tonnen. Ursprung seien vor allem Satellitenexplosionen und Kollisionen.
Viele Länder, die im Weltraum aktiv sind, haben sich besorgt gezeigt und dafür ausgesprochen, die Entstehung von weiterem Weltraumschrott so weit wie möglich zu reduzieren - zum Beispiel durch entsprechendes Design von Raumschiffen und Satelliten. Der frühere Esa-Chef Wörner forderte zudem „endlich ein Frühwarnsystem zum Schutz der Erde“.
dpa
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