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(picture alliance) Alles andere als gemocht: Das Finanzamt

Eurokrise und Staatsfinanzen - Der Steuerzahler muss ran, na und?!

„Das zahlt am Ende der Steuerzahler“ ist ein Totschlagseinwand in jeder politischen Debatte, dabei werden die Kosten in jedem Land der Welt an die Steuerzahler weitergegeben, an wen denn sonst.

Leute, die das hier regelmäßig lesen, wissen ohnehin schon einiges über mich, aber ich fasse noch mal für diejenigen, die heute zum ersten Mal aus Versehen hier hineingeraten sind, Grüße Sie!, kurz zusammen: Ich bin Bayern-Fan trotz Philipp Lahm, verehre die Arbeit des Illustrators Christoph Niemann. verstehe Angela Merkels Spar-Euro-Politik nicht und gucke sehr regelmäßig The Daily Show with Jon Stewart.

So, jetzt sind wieder alle auf demselben Stand, Zeit für ein weiteres Detail aus meinem Privatleben, man muss ja auch die Stammleser bei Laune halten, also, bereit? Hier kommt es: Ein weiteres Idol von mir ist Constantin Seibt. Wer? Seibt? Man muss sich jetzt nicht direkt schämen, wenn man mit dem Namen nichts anfangen kann, aber es lohnt, ihn sich für die Zukunft zu merken. Constantin Seibt ist ein Schweizer Journalist, arbeitet für den Tagesanzeiger in Zürich und schreibt Kolumnen, wie soll ich sagen, zum Niederknien.

Darunter finden sich auch solche über das Kolumnenschreiben selbst. In seinem am Mittwoch erschienen Text steht dazu folgende Gebrauchsanweisung:

»1. Auf gute Ideen können Sie lang warten. Sie haben vielleicht vier pro Jahr.

2. Ihr Privatleben liefert nicht genug Stoff. Es langweilt.

3. Vergessen Sie Ihre Meinungen. Diese sind grössten Teils einfach Haare, die nach innen gewachsen sind statt nach aussen.«

Ooooops, worüber soll ich denn jetzt bitte schreiben, vielleicht über die messerscharfe Beobachtung, dass die Schweizer offenbar kein ß mögen? Trägt eher nicht über eine Seite. Ein weiterer Ratschlag von Seibt lautet aber: Raus aus der Halbdistanz, mutig sein!

Also riskieren wir mal was, jetzt nicht gleich Lebensgefahr, sondern eher ein bisschen Thesen oder Fakten frisieren. Ungefähr so wie Leute, die in der Nordheide aufgewachsen sind, aber auf die Frage, wo sie herkommen, gerne antworten: »Aus Hamburg.« Geht meistens gut, es sei denn, der Frager ist ein Hamburger.

Kommen wir jetzt also zum eigentlichen Thema des Textes, dem Steuerzahler. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass er in fast jeder Debatte derzeit als Totschlagseinwand gegen alles hervorgeholt wird: »Das geht nicht, das zahlt am Ende der Steuerzahler.« Neues Geld oder mehr Zeit für Griechenland? Nein, dem Steuerzahler nicht vermittelbar. Höhere Kosten für den Berliner Flughafen? Kann nicht sein, dass der Steuerzahler da jetzt nachschießen muss. Sehen Sie auch so? Ist aber falsch, stattdessen müssen Sie auf diesen Einwand immer entgegnen: Ja klar, wer denn sonst?!

Es ist ja nicht so, dass der griechische Premierminister Antonis Samaras selbst haften wollte, als er vor seinem heutigen Deutschlandbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach, Griechenland werde alle Hilfskredite von mehr als 100 Milliarden Euro zurückzahlen. Genauso wenig wollten Merkel und der damalige Finanzminister Steinbrück, als sie ihre ohnehin hypothetische, staatliche Garantie für die Einlagensicherung aller Sparer ausstellten, für den Fall des Falles mit dem eigenen Ersparten geradestehen, mal abgesehen davon, dass dabei auch der Steuerzahler an seine Grenzen gekommen wäre.

Aber eines kann man sich ohnehin mal merken: In der Marktwirtschaft werden die Kosten, so lange es geht, immer an den Verbraucher weitergegeben, oder auf staatlicher Ebene an den Steuerzahler. Da spricht auch gar nichts dagegen, weil es für Wettbewerb sorgt. Wer das nicht bezahlen will als Kunde, kann ja den Anbieter wechseln oder als Wähler die amtierende Regierung abwählen. 

Es ist auch nicht ungerecht, wenn alle über die Steuern beteiligt werden, sofern das Steuersystem funktioniert und die Lasten angemessen verteilt. Überhaupt sollte man bei der Lösung der anstehenden Probleme stärker auf den Steuerzahler setzen. Nach einer aktuellen Studie von IWF-Ökonomen ist es während einer Rezession besser, die Steuern zu erhöhen als strikte Sparprogramme durchzuziehen.  Die Untersuchung zeigt, dass radikales Sparen die Rezession vor allem verstärkt und in die Länge zieht. Die Studie ist insbesondere deswegen so bemerkenswert, weil der IWF als Mitglied der Troika die Griechen zu dem brutalen Sparkurs gezwungen hat.

Und wenn Sie die Studie durchgearbeitet haben, schaffen Sie auch noch den Artikel des ehemaligen amerikanischen Finanzminister Larry Summers in der Washington Post in dem er darlegt, dass die Staatsquote in den USA um mehr als die Hälfte auf über 30 Prozent steigen wird. Die Gründe, die er dafür angibt, lassen sich nur schwer wegdiskutieren und sind alle ohne weiteres auf Europa übertragbar: Erstens werden in einer alternden Gesellschaft die Kosten für Sozialversicherung und Gesundheitssysteme unweigerlich ansteigen. Zweitens werden die Zinsen, die sich derzeit auf niedrigstem Niveau befinden, irgendwann wieder normalisieren, was dazu führt, dass die Kosten für die Refinanzierung der Staatsschulden deutlich ansteigen. Und drittens steigen die Preise, zu denen der Staat Leistungen in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Forschung einkauft oder finanziert, schneller als die Inflation.

Warum der republikanische Herausforderer Mitt Romney im US-Wahlkampf trotzdem verspricht, er werde das Defizit durch Steuersenkungen und Einsparungen ausgleichen, aber auch Präsident Barack Obama dem Mittelstand Steuererhöhungen ersparen will, bleibt ihr Geheimnis.

Ich kann mich da nur mit meinem neuen aus dem Italienischen stammenden Sprichwort trösten: "Die Mutter der Idioten ist immer schwanger!" Woher ich das habe? Wissen Sie doch, wenn Sie alle hier verlinkten Seiten genau studiert haben.  

 

 

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