- Sind die Grenzen des Wachstums erreicht?
Apple steht vor einem Schicksalsjahr: Das Wachstum schwächt sich ab, die Aktie bricht ein. Konzernchef Tim Cook muss das Unternehmen umkrempeln. Die entscheidende Frage aber ist: Sind die Grenzen des Wachstums erreicht?
Wenn es nach den Analysten an der Börse geht, hat Apple ein Problem. Die Gewinnspanne wird kleiner, die Innovationskraft lässt nach, die großen Ideen für ein Produkt, das ähnlich wie einst das iPhone einen neuen Markt schafft, fehlen unter Tim Cook, der nach dem Tod des Apple-Gründers Steve Jobs 2011 die Führung des Technologiekonzerns übernahm. Kurz: Das Ende des Wachstums ist erreicht. Anleger quittieren die kritische Bewertung des Rekordgewinns mit der Flucht aus der Aktie: Das Papier verlor zehn Prozent. Knapp 50 Milliarden Dollar Börsenwert wurden so binnen Stunden vernichtet.
Was ist geschehen?
Apple gilt noch immer als das bei weitem wertvollste
Technologieunternehmen der Welt. Doch der Wert ist in den
vergangenen Monaten deutlich gesunken. Im September vergangenen
Jahres erreichte die Aktie des im kalifornischen Cupertino
beheimateten Unternehmens sein Allzeithoch: Mehr als 700 Dollar
kostete ein Anteilschein damals. Die Vorfreude auf galaktische
Verkaufszahlen des neuen iPhone 5 hatte den Kurs in die Höhe
getrieben. Dann gab es Probleme – oder zumindest Gerüchte über
Probleme. Unter anderem soll Apple bei einigen Zulieferern die
Bestellmengen reduziert, bei anderen gleich ganz storniert haben.
Das schürte wiederum die Sorge, das neue Smartphone verkaufe sich
nicht in dem Maße wie erhofft. Die Aktie ging auf Talfahrt. Der
vorläufige Tiefpunkt nach dem jüngsten Quartalsbericht ist ein Kurs
um 460 Dollar, rund zehn Prozent weniger als am Vortag – aber klar
über dem vor einem Jahr.
Wie sind die Fakten?
Verglichen mit der Situation vor einem Jahr hat Apple sein
Portfolio deutlich erweitert. Auf das runderneuerte iPhone 4, das
den Zusatz S im Namen erhielt, folgte im Herbst vergangenen Jahres
das iPhone 5 – rechtzeitig vor dem für Apple wichtigen
Weihnachtsquartal. 47,8 Millionen Smartphones der Versionen 3 bis 5
verkaufte das Unternehmen in den drei Monaten von Oktober bis Ende
Dezember. Ein Jahr zuvor waren es gut zehn Millionen weniger.
Angesichts dieses Rekords appellierte Tim Cook an die Anleger, den
Gerüchten von reduzierten Bestellmengen bei Zulieferern nicht allzu
viel Glauben zu schenken. Apple habe verschiedene Zulieferer, so
dass schwankende Produktionsmengen kein verlässlicher Indikator
seien.
Auch bei Tablet-Computern stellte das Unternehmen einen neuen Rekord auf. Neben dem regulären iPad gibt es seit Herbst auch das iPad Mini, das deutlich kleiner und handlicher ist. Knapp 23 Millionen Geräte gingen im ersten Geschäftsquartal aus der iPad-Familie über die Ladentheken, rund sieben Millionen mehr als im Vergleichszeitraum. Nicht so gut lief es hingegen bei stationären Computern, den iMacs, und den iPod-Musikspielern. Bei beiden Produktfamilien gingen die Verkaufszahlen zurück. Unter dem Strich bleibt Apple ein Quartalsgewinn von 13,1 Milliarden Dollar bei einem Umsatz von 54,5 Milliarden Dollar. Mehr Gewinn hat das Unternehmen nie in einem ersten Quartal gemacht. Der Unterschied zum Vorjahr fällt aber mit 14 Millionen Dollar verhältnismäßig gering aus.
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Wo liegen die Grenzen des Wachstums?
Gemessen an den Dimensionen ist das Gewinnplus in der Tat gering.
Daran und an den zurückhaltenden Verkaufsprognosen für das laufende
Quartal ziehen sich die Kritiker des derzeitigen Unternehmenskurses
bei Apple hoch. Zahlreiche Banken senkten prompt ihre Kursziele.
Beim Wall-Street-Haus Morgan Stanley flog die Apple-Aktie von der
Empfehlungsliste. „Ein kräftiger Rückschlag, aber die Geschichte
ist nicht tot“, urteilten die Analysten von Goldman Sachs fast noch
milde. Die Kollegen von JP Morgan sehen die Realität und die
Erwartungen der Investoren auseinanderklaffen. Für die Monate bis
Ende März erwartet das Unternehmen einen Umsatz zwischen 41 und 43
Milliarden Dollar, also deutlich niedriger als im traditionell
starken Weihnachtsquartal. Zudem stört einige Analysten die
schrumpfende Gewinnspanne. Im Vorjahresquartal lag sie noch bei
knapp 45 Prozent, zuletzt nur noch bei 39 Prozent. Das bedeutet,
dass Apple zwar mehr Geräte verkaufen konnte, der Gewinn je Gerät
aber sank. Das liegt nicht zuletzt an steigenden Produktionskosten
auch in den Niedriglohnländern Asiens.
Apple muss auch auch der scharfen Konkurrenz durch die Galaxy-Smartphones und -Tablets von Samsung Tribut zollen, die mit der Google-Betriebssoftware Android arbeiten. Andererseits teilen sich Apple und Samsung Analysten zufolge 75 Prozent der Gewinne auf dem Smartphone-Markt. Die übrige Konkurrenz spielt also in diesem Segment kaum eine Rolle.
Sind die Grenzen des Wachstums erreicht?
So düster wie der aktuelle Absturz an der Börse glauben machen
kann, muss die Zukunft von Apple keinesfalls aussehen. Beispiele,
wie das von Facebook, an dessen Geschäftsmodell es in der jüngeren
Vergangenheit mehrfach Zweifel gab, belegen das. Nachdem das
soziale Netzwerk Facebook im vergangenen Jahr mit großem Tamtam an
die Börse gegangen war, lösten sinkende Gewinne und langsamer
wachsende Umsätze einen Kursrutsch aus. Der Wert der Papiere
halbierte sich binnen weniger Monate, weil Anleger dem Konzern
nicht zutrauten, dass es sein Problem mit mangelhaften
Werbeeinnahmen auf mobilen Geräten in den Griff bekommen könnte.
Inzwischen läuft das mobile Werbegeschäft bei Facebook besser als
gedacht, der Kurs der Aktie hat sich stabilisiert.
Apple mag mit den Verkäufen seiner Geräte in den hochentwickelten Ländern eine Sättigung erreicht haben. Doch große Märkte wie China, Indien oder Südamerika sind noch nicht erschlossen. Hier liegt für den Konzern großes Potenzial, ohne dass er dafür besonders innovativ sein müsste. Erwartungen, das Unternehmen entwickle für diese Wachstumsmärkte eine Billigversion des iPhone und senke generell die Preise, erteilte Cook zwar eine Absage. Mit den Versionen 3 bis 5 biete man schließlich auch preislich schon ein breites Spektrum. „Wir könnten das Apple-Logo auf viele Dinge packen und viel mehr Kram verkaufen, aber das ist nicht was wir wollen“, sagte der Konzernchef.
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