- Die Google-Zerschlagung ist falsch und populistisch
Das Europaparlament hat Pläne zur Google-Zerschlagung auf den Weg gebracht. Der Beschluss ist billiger Aktionismus und zeigt einmal mehr, dass die EU in digitalen Fragen völlig hilflos ist
Jetzt haben sie es tatsächlich getan: Das Europaparlament hat am Donnerstag mit breiter Mehrheit einer einfachen Entschließung zugestimmt, die der EU-Kommission empfiehlt, den Internetgiganten Google zu zerschlagen. Zwar wird das amerikanische Unternehmen in dem Beschluss, der den aufregenden Namen „Entscheidung zur Stärkung der Verbraucherrechte im digitalen Binnenmarkt“ trägt, an keiner Stelle genannt. Aber allen Beteiligten ist wohl klar, wer gemeint ist, wenn das Parlament fordert, dass es in Zukunft die Möglichkeit geben müsse, bei Suchmaschinenanbietern das Kerngeschäft von anderen Geschäftsfeldern trennen zu können.
Nun könnte man sich beruhigt zurücklehnen, weil die Entscheidung des Parlaments keine unmittelbaren, verbindlichen rechtlichen Konsequenzen hat. Die Kommission muss sich den Text des Beschlusses zwar angucken, kann ihn anschließend aber geflissentlich ignorieren. Das wird sie auch tun, denn der deutsche Kommissar Günther Oettinger, zuständig für das Internet in der neuen Juncker-Kommission, hat schon vor der Abstimmung mitgeteilt, dass es mit ihm keine Zerschlagung Googles geben werde. Auch die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Kommission die Vorwürfe, dass Google seine Marktmacht mißbrauche, längst untersuche. Gleichzeitig warnt sie davor, das Wettbewerbsrecht zu politisieren.
Billige, populistische Politik
Trotzdem sind der gestrige Beschluss des Parlaments und die anschließenden Forderungen der deutschen und der französischen Regierung, die Dominanz der amerikanischen Internetkonzerne mit dem Wettbewerbsrecht zu bekämpfen, gefährlich. Denn sie spiegeln den merkwürdigen wirtschaftspolitischen Geist Europas wider. Statt die Gründung von Unternehmen zu erleichtern, die digitale Infrastruktur durch die Bereitstellung schnellerer Netze zu verbessern und die Bereitstellung von Wagniskapital für junge Start-Up-Unternehmen zu fördern, reagiert die europäische Politik lieber mit protektionistischen Mitteln. Sie versucht die Gunst der Wähler mit billigen, populistischen Formeln zu erheischen wie: Zerschlagt Google!
Die eine Frage ist, ob Google sein Monopol bei der Internetsuche überhaupt missbraucht? Die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung wäre ja juristisch die Voraussetzung, wettbewerbsrechtlich gegen den Konzern aus Mountain View im Silicon Valley vorzugehen. Bisher ist das nicht der Fall. Google beherrscht zwar das Suchmaschinengeschäft mit Marktanteilen von mehr als 90 Prozent in vielen europäischen Ländern. Aber der Nachweis einer Ausnutzung ist bisher nicht erbracht worden. Selbst wenn er gelingt, wäre eine Zerschlagung des Konzerns als Antwort daruf wohl juristisch unverhältnismäßig. Auch die Zuständigkeit der EU für die Zerschlagung eines amerikanischen Konzerns ist vorsichtig formuliert auch fraglich.
Die EU sollte lieber die Privatsphäre schützen
Gesellschaftspolitisch wäre es sinvoller, wenn sich die Politik um einen besseren Schutz der Privatsphäre der Nutzer kümmern würde. Dafür gibt es in Europa ein besseres Gespür als in Amerika. Hier könnte man in der EU Regeln entwerfen, die den Kunden die Kontrolle über ihre persönlichen Daten zurückgeben. Das Wettbewerbsrecht ist dafür aber nicht das richtige Werkzeug.
Wirtschaftspolitisch wäre es im Übrigen viel sinnvoller, wenn man sich in Brüssel eine andere Frage stellen würde: Warum hat Europa bisher keine Googles, Amazons, Facebooks oder Apples hervorgebracht? Wenn wir in der EU darauf keine Antwort finden, verlieren wir mittelfristig völlig den Anschluss, weil die Innovationszyklen im Zeitalter der Digitalisierung immer kürzer werden. Unnötiger Aktionismus des Europaparlaments wie im aktuellen Beschlussverfahren wird den Rückstand Europas in der Digitalwirtschaft gegenüber den USA eher noch vergrößern.
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