- Fühl den Schmerz!
Ralf Nowak verkauft Deutschlands schärfste Saucen: Sie haben Namen wie „Painmaker“ und erreichen Schärfegrade, die normales Chili-Pulver um ein Vielfaches übersteigen. Durch eine raffinierte PR-Strategie hat der Mittelständler aus Pforzheim damit Erfolg
Wenn Ralf Nowak mit seinen Mitarbeitern die Filiale eines Supermarkts betritt, drücken ihm die Kassenkräfte schon mal ganz arglos die Tageseinnahmen in die Hand. Eine Verwechslung. Mit schwarzer Uniform und Polizeimütze sieht Ralf Nowak wie ein Sicherheitsmann aus. Dabei ist der Gründer von Hot Mamas doch nur gekommen, um Deutschlands schärfste Sauce im Marktsortiment unterzubringen. Das mit der Marshall-Uniform, inklusive Abzeichen und Sprechfunk, war Nowaks Idee. Denn die Kluft, die jeder Mitarbeiter im Außendienst tragen muss, bleibt im Gedächtnis. Kein Filialleiter verwechselt „die Chilipolizisten“ mit den Anzugträgern der Konkurrenz.
Hot Mamas ist angetreten, es mit den großen Lebensmittelkonzernen aufzunehmen. Auch die haben Würzsaucen zuhauf im Sortiment. Aber aus Nowaks Sicht ist das alles schlappes Zeug. Seine Saucen heißen Painmaker, und auf den Etiketten steht großmäulig „Medium Hot für Anfänger“ oder „fühl den Schmerz“. Sie liegen auf der nach oben offenen Schärfeskala unangefochten an der Spitze. Die Maßeinheit heißt Scoville. Und Nowaks schärfste Saucen bringen es auf bis zu 120 000 Scoville. Tabasco hat nur 5000.
Gerichte, die wegen ihrer Schärfe eher Mutprobe als Genuss sind, haben zunächst etwas Pubertäres. Aber klar ist auch, dass mit dem Siegeszug fernöstlicher Küche in unseren Breiten das gepflegte Brennen auf der Zunge immer mehr Freunde findet. Eine wachsende Grillbegeisterung steigert zudem die Nachfrage nach Fertigsaucen.
Es scheint, als hätte Nowak diesen Trend schon bei der Hot-Mamas-Gründung vor sechs Jahren erahnt. Lange hat er als Koch in den Töpfen von Kantinen und anderen Großküchen gerührt, wo er gern auch mal Scharfes servierte. Nowak stellte aber bald fest, dass das handelsübliche Chilipulver genormt ist und einen Schärfegrad hat, über den jeder Mexikaner oder Thai lachen würde. Er besorgte sich frische Habanero-Chilis und begann, mit eigenen Saucenrezepten zu experimentieren. Nach ersten Erfolgen gründete er mit dem Stuttgarter Gastronom Klaus Lorenz, der sich schon vor längerer Zeit den Namen „Hot Mamas“ gesichert hatte, seine Saucen-Manufaktur.
Seite 2: Unverkennbarer Auftritt
Aus seiner Zeit in der Großküche wusste Nowak, wie man mit dem Großhandel reden muss. Er setzte seine Marshall-Mütze auf und stellte seine Saucen bei Edeka und Rewe vor. Hartnäckigkeit, sein Rampensau-Gen und erfolgreiche Messeauftritte führten zum Erfolg.
Gekocht werden die Höllensaucen in den Räumen einer befreundeten Großmetzgerei im Pforzheimer Norden. Morgens werden hier Würste gestopft, nachmittags braut Nowaks Team auf einem Großküchenherd die Tunken aus frischen Chilis, Tomatenmark und allerlei Gewürzen. „Hot Mamas“ setzt auf natürliche Zutaten und verzichtet komplett auf künstliche Aromen und Konservierungsstoffe. Nowak sagt: „Ich habe zum Glück nie gelernt, wie man Lebensmittel industriell fertigt.“ Er produziert Feinkost, die ihren Preis hat. Eine Flasche kostet bis zu zwölf Euro.
Qualität ist für das Unternehmen eine Art Lebensversicherung. Neulich habe eine große deutsche Restaurantkette um Kostproben gebeten und einen Auftrag in Aussicht gestellt. Dann habe er nichts mehr gehört, berichtet Nowak. Über Umwege hat er später den wirklichen Grund für die Anfrage erfahren. Der Systemgastronom wollte Nowaks Produkt kopieren und im großen Stil selbst anbieten. Vergeblich. Die aufwendige Produktionsweise hätte sich für das große Unternehmen nicht gerechnet. Nowak stellt jetzt für die Restaurantkette eine Haussauce in Lizenz her.
Längst platzt die kleine Firma aus allen Nähten. Das Büro ist vollgestopft mit Akten und Unterlagen. In Fluren stapeln sich die Paletten, die ausgeliefert werden müssen. 4000 Flaschen kann er in seiner Manufaktur täglich produzieren. Zu wenig, in der Grillsaison gehen manchmal bundesweit 10 000 Saucen täglich über den Ladentisch. Deshalb wird derzeit ein eigenes Firmengebäude mit 20 000 Quadratmetern gebaut.
Derweil drohen rechtliche Schwierigkeiten. Das Bundesamt für Risikobewertung will festgestellt haben, dass hohe Dosen schärfster Chilis schädlich seien. Nowak hält das zwar für Unsinn, fühlt sich aber gleichzeitig geschmeichelt: Er ist der Hersteller von Deutschlands schärfster und angeblich auch gefährlichster Sauce. Den amtlichen Befund nutzt er zum Marketing: Der Deckel von Nowaks schärfstem Gebräu hat jetzt eine Kindersicherung. Und oben drauf thront ein weißer Totenkopf aus Plastik.
„Was hat
Deutschland, was andere nicht haben? Den Mittelstand!“, sagte
kürzlich der neue Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain. Cicero weiß das
schon länger und stellt besondere Mittelständler in einer Serie
vor.
Mehr Mittelstand auf www.cicero.de/mittelstand
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