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(picture alliance) ESM-Chef Klaus Regling hat den Rettungsschirm, den er jetzt verwaltet, nie gewollt

ESM-Chef Klaus Regling - Euroretter wider Willen

Der Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), Klaus Regling, ist Herr über 700 Milliarden Euro. Dabei lehnte er einen solchen Fonds lange ab

Wie fühlt es sich an, Herr über 700 Milliarden Euro zu sein? Die Antwort kennt nur Klaus Regling. Der Chef des neuen Eurorettungsfonds ESM verwaltet die gewaltige Kriegskasse, mit der Kanzlerin Angela Merkel und die anderen 16 Eurochefs die Existenzkrise der Währungsunion überwinden wollen. Auf ihm ruht die Hoffnung von Bürgern und Bankern, Managern und Märkten.

Doch Regling ist an diesem regnerischen Tag im Juli nicht zum Reden zumute. Gerade hat er erfahren, dass er den neuen, umstrittenen Topjob bekommen wird. Die Bundesregierung hat sich über die Bedenken der ESM-Gegner in Deutschland und den Widerstand Spaniens hinweggesetzt.

Der Kampf ist vorbei, aber der Sieger lässt sich nichts anmerken. Kein Jubel, keine Dankesrede, kein Champagner. Der 61‑jährige Regling macht einfach weiter, als sei nichts gewesen. Als sei es ganz normal, wieder eine Stufe auf der Karriereleiter nach oben zu klettern und zum Gralshüter des Euro aufzusteigen.

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Dabei hat Regling diese Karriere nie so gewollt. Er hat auch diesen ESM nie so gewollt. Im Grunde müsste ihm die ganze Eurorettung zuwider sein, denn sie war weder in seiner Karriereplanung noch in seinem politischen Denken vorgesehen. Sein VWL-Studium in Hamburg schloss er mit einer Diplomarbeit zur „Theorie des optimalen Währungsgebietes“ ab. Doch von dieser Theorie ist der Sohn eines SPD-Politikers weiter entfernt denn je.

Mitte der neunziger Jahre dachte er, der Euro werde mit ein paar Regeln gut über die Runden kommen. Regling hatte gerade seine Karriere im Finanzministerium begonnen. Gemeinsam mit Finanzminister Theo Waigel (CSU) arbeitete er den Stabilitätspakt aus. Von Krise war keine Rede.

Damals konnte er noch nicht ahnen, dass er eines Tages rund um den Globus Anleihen eines Luxemburger Fonds anpreisen würde, der überschuldete EU-Länder stützen soll. Rund die Hälfte seiner Arbeitszeit verbringt Regling heute mit „Roadshows“ vor Investoren, bei denen er Millionen einwirbt. Die übrige Zeit geht bei Arbeits- und Krisensitzungen drauf – oft mit Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker, der nicht weit von Reglings Büro auf dem Luxemburger Kirchberg residiert.

Seite 2: „Das erste Jahrzehnt ist einfach, das zweite wegen der Pubertät schwierig. Dann wird’s besser“

Entschädigt wird er mit einem Gehalt, das das der Kanzlerin übersteigt: 324 000 Euro sind in den vertraulichen „Beschäftigungsbedingungen“ des ESM vorgesehen. Doch das Jahressalär ist ihm nicht zu Kopf gestiegen. Als er einmal in einer Nobelherberge in Paris absteigen sollte, lehnte er dies empört ab und suchte sich ein kleineres Hotel.

Dass er verzichten kann, hat Regling schon 1998 bewiesen. Damals ließ er sich in den einstweiligen Ruhestand versetzen, weil er die Politik von Finanzminister Oskar Lafontaine nicht mittragen wollte. Der „Waigel-Mann“ flüchtete aus Berlin nach London, um bei einem US-Hedgefonds die Finanzmärkte von innen kennenzulernen.

Doch letztlich war dies nur eine Episode in Reglings Karriere. Die prägende Phase kam später, 2001 bis 2008. Nach dem Abstecher an die Themse arbeitete er als Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen bei der EU-Kommission in Brüssel. Fassungslos musste er mitansehen, wie Deutschland seinen Stabilitätspakt verletzte. Regling kritisierte den Regelverstoß lautstark, verhindern konnte er ihn nicht.

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Aber er suchte den Konflikt. Regling leitete ein Defizitverfahren gegen Berlin ein, überwarf sich mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Als der Streit eskalierte, war es wiederum Regling, der eine Reform des Stabilitätspakts auf den Weg brachte – und Deutschland in Geheimgesprächen mit Noch-nicht-Kanzlerin Merkel zurück auf Konsolidierungskurs.

Seither gilt er als das personifizierte Gewissen des Euro. Der Kampf mit Deutschland hat ihn geläutert, das Bündnis mit Merkel hat ihn gestärkt. Im Juli 2010 wird er beauftragt, den damals noch provisorischen Rettungsschirm EFSF aufzubauen. Die Märkte würden sich schnell beruhigen, lautete sein „zentrales Szenario“. Doch Regling sollte sich irren, wie so oft in seinem Leben. Die Krise wurde schlimmer, der Rettungsschirm von einem Provisorium zur Dauereinrichtung. Der Stabilitätspakt, sein Mantra, wurde zu Makulatur.

Andere, wie sein Weggefährte Jürgen Stark, der ehemalige EZB-Chefvolkswirt, sind an diesem Widerspruch verzweifelt und haben aufgegeben. Doch Regling glaubt immer noch an den Euro. „Ich sage oft: Das erste Jahrzehnt ist einfach, das zweite ist wegen der Pubertät schwierig, aber dann wird alles besser.“ Dazu lächelt er vieldeutig. Endlich. 

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