- Ersetzt dieser Stern Wirecard im Dax?
Wer ersetzt den Skandalkonzern Wirecard künftig im Dax? Delivery Hero, eine Plattform für Essenslieferungen gilt als aussichtsreicher Kandidat, auch weil die Firma von der Corona-Pandemie profitierte. Doch auch dieses Geschäftsmodell bleibt eine Wette auf eine digitale Zukunft – mit ungewissem Ausgang.
Während viele Unternehmen in der Corona-Krise leiden, legt Delivery Hero erst richtig los. Die Plattform, auf der Kunden Essen von Restaurants im Internet bestellen können, verzeichnete zwischen April und Juni fast doppelt so viele Lieferungen wie noch im Jahr zuvor. Der Umsatz verdoppelte sich laut vorläufigen Zahlen nahezu und Niklas Östberg, Gründer und Chef der Berliner Firma hob prompt die Jahresprognose an: 2,6 bis 2,8 Milliarden Euro werde man nun umsetzen, statt wie bisher erwartet noch 2,4 bis 2,6 Milliarden Euro.
Dieses rasante Wachstum trieb zuletzt den Aktienkurs auf mehr als 100 Euro und katapultiert die Plattform für Essenslieferungen damit womöglich bald in den Deutschen Aktienindex (Dax). Dort sind die 30 wertvollsten deutschen Unternehmen am Aktienmarkt gelistet. Wirecard hat zurzeit noch einen Platz im Index, aufgrund seines Bilanzskandals aber einen Großteil seines Wertes eingebüßt. Am 25. Juni hat das Unternehmen bereits Insolvenz angemeldet. Die Börse will das Regelwerk ändern, sodass Wirecard vorzeitig aus dem Dax ausscheidet. Dann braucht es einen Nachfolger.
Hauptanwärter laut Liste der Deutsche Börse
Mit seinen mehr als 19 Milliarden Euro Börsenwert rangiert Delivery Hero laut einer aktuellen Liste der Deutschen Börse auf dem vordersten Platz, wenn es um den Aufstieg in den Dax geht. Beim Börsenumsatz, dem Handelsvolumen der Aktien von Delivery Hero und damit dem zweiten wichtigen Wert, erfüllt der potenzieller Nachrücker ebenfalls alle Kriterien. Vorausgesetzt die Regeländerung kommt durch, würde Delivery Hero schon in den kommenden Wochen in den Dax aufsteigen. Und das, obwohl das Unternehmen mehr eine Wette in die Zukunft ist - und nicht einmal Geschäft in Deutschland besitzt.
Viele Menschen kennen zwar die radelnden Essenslieferanten aus den Großstädten, aus Berlin, Köln, München, Frankfurt. Seit mehr als einem Jahr allerdings gehört keiner dieser Kuriere mehr zu Delivery Hero, sondern zum Konkurrenten von Takeaway.com. Dieser hatte das gesamte Deutschland-Geschäft für fast eine Milliarde Euro gekauft. Chef Niklas Östberg und sein Team bei Delivery Hero konzentrieren sich seither auf die mehr als 30 Länder, in denen Delivery Hero aktiv ist. Besonders Asien steht hoch im Kurs für weitere Wachstumspläne, im kommenden Quartal soll der Dienst in Japan starten.
Es bleiben Bedenken
Gegründet hat der Schwede Niklas Östberg die Firma mit einigen Mitstreitern bereits 2011. Das Geschäft lief gut, wuchs schnell und bereits 2017 ging die Firma mit Östberg an der Spitze an die Börse. Zurzeit notiert sie im M-Dax, dem zweitwichtigsten Index für deutsche Unternehmen am Aktienmarkt.
Ganz ohne Bedenken wäre der Aufstieg in den Dax nicht. Immerhin ist der Markt für Essenslieferdienste, ob nun in Asien, Europa oder Deutschland, vor allen Dingen eine große Wette auf die Zukunft. Zwar können die meisten Firmen in der Industrie ihre Umsätze stetig steigern, was erst einmal positiv ist. Dicke Gewinne verbuchen aber weder Delivery Hero, noch die direkten Konkurrenten. Zwar hatte Östberg das zumindest für Delivery Hero vor einigen Jahren einmal in Aussicht gestellt, doch musste er die Prognose schnell wieder kassieren. Im Jahr 2019 setzte die Plattform mit Sitz in Berlin 1,2 Milliarden Euro um, schrieb zugleich aber auch 663 Millionen Euro Verlust vor Steuer. Auch in diesem Jahr ist trotz Rekordergebnis keine schwarze Null abzusehen. Allein im ersten Halbjahr lag der Verlust bei über 300 Millionen Euro.
Weltweiter Erfolg, aber harte Konkurrenz
Zu schaffen macht Delivery Hero besonders, was die anderen so machen. Die Fahrtenvermittler von Uber oder Grab haben ein Auge auf die Auslieferung von Essen geworfen und drängen in das Geschäft von Östberg vor. Hinzu kommt der sowieso schon harte Konkurrenzkampf mit anderen Lieferdiensten wie Takeaway.com, der viel Geld für Werbung verschlingt und die Margen drückt. Erst wenn sich eine Plattform durchsetzt, kann sie die Fahrer besser auslasten und die Preisschraube theoretisch nach oben drehen. Dann könnte auch das Geschäftsmodell von Delivery Hero langfristig aufgehen.
Diesen Kampf zu gewinnen, darum geht es Östberg. Wachstum, Wachstum, Wachstum, ist das Motto des Start-ups. Einmal an der Spitze, muss Delivery Hero dann aber auch beweisen, dass das Unternehmen Profite erwirtschaften kann. Dabei helfen soll künftig, dass Delivery Hero nicht nur Essen, sondern auch Produkte aus dem Supermarkt oder Medikamente ausliefert. In einigen Ländern ist der neue Service bereits gestartet.
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