- Antworten gibt es keine
Prominente durften Fragen an die Kanzlerin stellen – und sie antwortete. Das alles war relativ banal. Vor allem, wenn man bedenkt, für welche drängenden Probleme sie eigentlich Lösungen finden müsste
Im Magazin der Süddeutschen Zeitung stellt sich die Bundeskanzlerin 37 Fragen von Prominenten aus Kultur, Sport, Wirtschaft und Politik. Kaufen Sie es nicht: Es ist nur erwartbare Langeweile, weil die Kanzlerin in ihren Antworten gar nicht auf die zum Teil recht guten Fragen eingeht oder wider besseres Wissens Unsinn erzählt. Die Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler möchte von der Physikerin Merkel wissen: „Trauern Sie angesichts der Tatsache, dass in der Politik die rationalen und pragmatischen Lösungen gegenüber Polemik und Emotionalität häufig den Kürzeren ziehen, nicht der Physik und der Rationalität hinterher?“ Was lügt die Kanzlerin darauf: „Gute Politik setzt auf Lösungen, die der Wirklichkeit standhalten. So ist es auch in der Wissenschaft.“
Wenn die Antwort stimmt, fragt man sich unweigerlich, warum sie und auch die meisten ihrer Kollegen keine gute Politik machen. Oder hält beispielsweise Ihre Politik zur Euro-Rettung der Wirklichkeit stand, Frau Bundeskanzlerin? Nein, tut sie nicht. Ihre zögerliche Unentschlossenheit macht die Lage immer schlimmer. Ihre immer gleiche Forderung, dass die Krisenstaaten sich durch interne Abwertung, also die Senkung der Löhne, Arbeitskosten und der Staatsausgaben, selbst retten mögen, kann nicht funktionieren, weil das Sparen in allen Bereichen die Rezession in den Krisenstaaten zwangsläufig verstärkt.
Statt dem SZ-Magazin sollten Sie, liebe Leser, daher lieber den neuen Economist lesen. Das englische Magazin zeigt auf dem Cover Angela Merkel mit einem Memo in der Hand, dessen Titel lautet: „How to break up the Euro“. Darüber steht die perfide Frage: Tempted, Angela? Eine ehrliche Antwort darauf wäre wesentlich erhellender als zu erfahren, was der „größte Mist war“, den die Kanzlerin in ihrer Jugend gebaut hat? (Sie kroch mit einem neuen Westtrainingsanzug in eine harzige Baumhöhle.) Der Economist schreibt in seinem Leitartikel: „Im Moment wäre ein Zusammenbruch der Eurozone teurer als der Versuch sie zusammenzuhalten. Aber wenn Europa sich einfach immer weiter streitet, wird sich diese Kalkulation verändern.“
Ein Austritt von Griechenland allein würde Deutschland nach Berechnungen des Economist 110 Milliarden Euro kosten. Die Krise wäre damit aber nicht vorbei. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Schritt zu einer Panik an den Märkten sowie zu einem Bankrun in Griechenland, Portugal, Irland, Zypern und Spanien führt, ist sehr hoch. Die Alternative dazu wäre, dass sich alle fünf Staaten aus der Währungsunion verabschieden, wodurch die Ansteckungsgefahr minimiert wird. Kosten für Deutschland: mindestens 500 Milliarden Euro.
Seite 2: Die billigste Alternative ist, die Währungsunion zu erhalten
Allen Populisten, selbst ernannten und tatsächlichen Verfassungsrichtern zum Trotz ist am Ende die beste und billigste Alternative die Währungsunion mit allen ihren aktuellen Mitgliedern zu erhalten, indem man die europäischen Banken gemeinsam rekapitalisiert, eine europaweite Einlagensicherung errichtet, die Sparbemühungen abmildert, stattdessen Wachstum fördert und zur Refinanzierung der öffentlichen Haushalte zumindest teilweise gemeinsame Anleihen herausgibt. Das würde dem Economist zufolge Deutschland einmalig etwa 100 Milliarden kosten, wovon man einen Teil von den gesundeten Banken später zurückerhielte. Dazu kämen 15 Milliarden Euro jährlich, die daher rühren, dass die deutsche Zinslast bei einer Einführung gemeinsamer Anleihen anstiege.
Also welche Lösung hält jetzt der Wirklichkeit stand?
Und da anscheinend gerade allgemeine Fragestunde ist, hätten wir auch noch ein paar an die Kanzlerin und ihre Koalition zu den Themen der Woche: Warum soll es modern sein, das Ehegattensplitting auf homosexuelle Paare auszuweiten? Wäre es nicht moderner, diese Relikt der Einverdiener-Ehe aus den fünfziger Jahren komplett abzuschaffen?
Wo wir gerade bei sinnlosen familienpolitischen Förderinstrumenten sind: Wenn Sinn und Zweck des Elterngeldes darin besteht, arbeitende Frauen zu ermuntern, Nachwuchs zu bekommen und den Staat und die Unternehmen dazu zu bewegen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, ist es dann sinnvoll, junge Mütter dafür zu bezahlen, 12 Monate zu Hause zu bleiben? Sollte man das Elterngeld nicht nur an diejenigen zahlen zusätzlich zu ihrem Gehalt, die nach dem Ende des Mutterschutzes wieder anfangen zu arbeiten? Wenn es einen Organspenden-Skandal gibt, der erneut zeigt, dass es in Deutschland zu wenig Organspender gibt, ist es dann sinnvoll, sich in erster Linie über eine schärfere Kontrolle bei der Vergabe zu streiten?
Wäre es nicht naheliegender und hilfreicher auch in Deutschland die Widerspruchslösung einzuführen, wonach jeder ein Organspender ist, der sich nicht explizit dagegen ausspricht?
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.