- Der Zar von Zara
Der reichste Europäer kommt aus Spanien, aber auch da ist Zara-Gründer Amancio Ortega kaum bekannt
„Wenn Ihr meinen Lebensstil ändern wollt, gehen wir eben nicht an die Börse, und ich lebe weiter in Ruhe vor mich hin.“ Das war Amancio Ortegas Antwort, als ihm 2001 ein Investmentbanker vor dem Börsengang von Ortegas spanischem Modeimperium Inditex vorschlug, er solle auf eine Road-Show für Großinvestoren gehen. Ein durchaus üblicher Vorgang vor dem Schritt aufs Parkett – aber nicht mit Ortega. Seine Privatsphäre „verteidigt er auf Biegen und Brechen“, schreibt die spanische Journalistin Covadonga O’Shea in der aktuellen Biografie „So ist Amancio Ortega“. Auch aus seinem direkten Umfeld dringt wenig nach außen.
[[{"fid":"52857","view_mode":"teaser","type":"media","attributes":{"height":220,"width":167,"style":"width: 140px; height: 184px; margin: 5px 10px; float: left;","title":"Amancio Ortega. Foto: picture alliance","class":"media-element file-teaser"}}]]Daran hat sich bis heute nichts geändert: Ortega gibt keine Interviews, macht keine Fototermine, gibt sich nicht für Home-Storys her und meidet jede Art von öffentlichen Auftritten. Selbst bei einem Besuch von Kronprinz Felipe in der Inditex-Zentrale in Arteixo bei La Coruña vor Jahren ließ er sich nicht blicken.
Spätestens seit Ende des vergangenen Jahres dürfte Ortega seine Skepsis gegenüber dem Börsengang aber endgültig abgelegt haben. Der Wert seines Konzerns Inditex, in Deutschland vor allem durch die Modekette Zara bekannt, stieg allein 2012 um mehr als 60 Prozent. Da dem Gründer noch 60 Prozent der Firmenanteile gehören, ist Ortega mit einem Vermögen von 58 Milliarden Dollar laut der Nachrichtenagentur Bloomberg jetzt der reichste Mann Europas und der drittreichste der Welt.
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Einen Wechsel seines Lebensstils hat auch das nicht bewirkt. Die aus seiner Öffentlichkeitsscheu resultierende Anonymität erlaubt es Ortega in seiner galizischen Heimat oder bei seinen Reisen durch die Welt, sich weitestgehend frei zu bewegen. Die seltenen Fotos von ihm zeigen einen klein gewachsenen, rundlichen Mann, meist leger gekleidet, ohne Schlips, im Oberhemd oder Poloshirt. Sein Lieblingsessen sind Spiegeleier mit Pommes Frites und Chorizo-Wurst, er fuhr lange einen Golf und lebte für einen Milliardär recht bescheiden in einer Etagenwohnung in La Coruña, wo man ihn auch jetzt noch ab und zu im Kino treffen kann.
Ortegas Zurückhaltung darf man nicht mit mangelndem Selbstbewusstsein verwechseln. Der Self-Made-Milliardär gilt als Kontrollfreak. Sein zentralistischer Führungsstil hat ihm den Spitznamen „Zar von Zara“ eingebracht. Sein Konzern Inditex, zu dem neben Zara auch noch Marken wie Massimo Dutti, Pull & Bear und Bershka gehören, ist mit seinen Filialen mittlerweile in 87 Ländern mit rund 5800 Läden vertreten. Mehr als 110 000 Mitarbeiter arbeiten für Ortega. Das Unternehmen vermeldete zuletzt einen Jahresumsatz von 13,8 Milliarden Euro. An der Börse ist der weltweit größte Bekleidungskonzern inzwischen 63 Milliarden Euro wert.
Ortegas Credo lautet: „Optimismus ist negativ, Selbstzufriedenheit gefährlich.“ Er verzichtet komplett auf Werbung. Das gesparte Geld, nach Expertenschätzungen bis zu 500 Millionen Euro im Jahr, investiert Inditex lieber in die besten Lagen an den bekanntesten Einkaufsstraßen sowie in den rapide wachsenden Onlinehandel.
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Die wichtigste Komponente von Ortegas Erfolg aber ist Geschwindigkeit. Bei Zara gibt es von jeder Kollektion nur relativ kleine Stückzahlen, weil große Teile der Mode zweimal die Woche ausgewechselt werden. Täglich schicken alle Filialen ihre Zahlen in die Zentrale nach Arteixo. Was sich nicht verkauft, wird ausgemustert. Innerhalb weniger Wochen kann Zara ganze Kollektionen ändern, umfärben oder neu schaffen – so schnell wie kein anderes Unternehmen in der Modebranche. Fabriziert wird nah bei den wichtigsten Märkten, etwa je zur Hälfte in Asien und in Europa – hier vor allem in Spanien, Portugal und der Türkei.
Spaniens Wirtschaftskrise perlt an Inditex ab. Trotz einer Arbeitslosigkeit von mehr als 26 Prozent und anhaltender Rezession gelang sogar dort zuletzt noch ein leichtes Umsatzplus. Insgesamt wird aber auf dem Heimatmarkt nur noch ein Viertel des Umsatzes erwirtschaftet.
Ortega, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt, begann seine Karriere schon mit zwölf Jahren. Entscheidend dafür war ein Gang zum Krämerladen mit seiner Mutter, weiß seine Biografin O’Shea. Dessen Inhaber habe ihnen erklärt, dass sie nicht mehr anschreiben könnten. „Das“, so schwor sich der kleine Amancio damals, „soll meiner Mutter nie wieder passieren.“ Er verließ die Schule und heuerte als Laufbursche bei einem Herrenausstatter an. Später wechselte er zu einem größeren Modehaus, wo er zum Abteilungsleiter aufstieg und seine erste Frau Rosalia Mera kennenlernte.
Mit einem Kredit über 2500 Peseten gründeten sie zusammen mit Ortegas Bruder Antonio Anfang der sechziger Jahre die Konfektionsfirma GOA. Sie nähten wattierte Kittel und Bademäntel für die Kundschaft vor Ort. Wenige Jahre später hatte GOA mehr als 500 Mitarbeiter und exportierte einen Teil der Produktion. 1975 öffnete schließlich der erste Zara-Laden in La Coruña. Mitte der achtziger Jahre bündelte Ortega die inzwischen in ganz Spanien omnipräsente Zara-Kette sowie die Fabriken unter dem Dach der neuen Holding Inditex.
Bei Inditex steht seit knapp zwei Jahren Pablo Isla an der Spitze. Ortegas Tochter Marta, aus seiner zweiten Ehe mit Flora Pérez, verwaltet das familiäre Vermögen. Aber auch der Gründer ist noch fast täglich in der Zentrale. Ein langjähriger Mitarbeiter ist sich sicher: „Ortega ist jemand, der mit angezogenen Schuhen stirbt – das Unternehmen ist sein Leben.“
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