- Der Bankier mit dem Königserbe
150 Jahre gehörte die Berliner Porzellan-Manufaktur den Königen. Dann dem Staat. Und jetzt Jörg Woltmann. Der Bankier stopfte den Betrieb mit Millionen. Warum bloß? Besuch bei einem glücklichen Unternehmer
Dieser Text ist eine Kostprobe aus der Märzausgabe des Cicero. Das Magazin für politische Kultur ist in unserem Online-Shop erhältlich. Wenn Sie keine Ausgabe mehr verpassen wollen, können Sie hier das Abo bestellen.
Endlich führt er die Pretiose zum Mund, hält sie mit ruhigen bleichen Fingern, eine Bürotasse Kurland, blauer Fond und Goldrand, 24 Karat, geadelt mit zwei schwarzen Lettern: JW.
Und Jörg Woltmann, Krawatte und Einstecktuch, schwört im Besprechungsraum seiner Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH: Selbst der Tee schmeckt aus unseren Tassen besser, der Kaffee sowieso.
Herr Woltmann! Übertreibung sei nicht sein Fach, spricht der Mann aus glattem Gesicht, diese Haptik!, großartig!, einmalig!, maschinell kriege man den Rand einer Tasse so dünn und fein nicht hin. Das macht den Kaffee besser? Woltmann nickt. Also trinkt man im Himmel aus Tassen von KPM? „Davon gehe ich aus“, knurrt er. Und in der Hölle aus Ikea? Herr Woltmann lächelt und schweigt, blickt hinüber zu Friedrich dem Großen in Öl, Gründervater der Manufaktur, 1763, 19. September. „Muss ich darauf antworten?“
Dass Jörg Franz Fritz Woltmann, geboren nach einer Nacht, die so kalt war, dass in Berlin viele Menschen erfroren, 8. Februar 1947, heute besitzt, was der große Fritz begann, dankt er einem Gefühl, das er furchtlos Patriotismus nennt. Es sei ihm, einem Banker aus Leidenschaft, nie ein Herzenswunsch gewesen, Eigentümer der KPM zu werden, wohl aber eine Herzenspflicht, sie vor dem Untergang zu bewahren. Gern zückt er auch den Spruch, die KPM sei keine Konservenfabrik, sondern ein Kulturgut. „Ich habe das einzige Unternehmen auf dieser Welt, das zuvor sieben Königen und Kaisern gehörte.“
Wieder führt er seine Tasse zum Mund, Durchmesser 120 Millimeter, Höhe 77, Inhalt 4 Deziliter, Darjeeling mit Milch, er nippt, noch einmal, und stellt den Behälter, als wäre er aus feinstem Glas, sorgsam zurück auf den langen Tisch. „Wie war die letzte Frage?“ Ihre früheste Erinnerung? Jörg Woltmann, dunkler Anzug, gestreifte Weste, legt eine Hand auf die andere. „Meine früheste Erinnerung? Na ja. Vielleicht die: Wie meine Mutter nachts an der Nähmaschine sitzt, mit Handschuhen ohne Fingerlinge, und friert.“
Nur Tage vor seiner Geburt hatte sie sich scheiden lassen, allein zog sie ihre zwei Knaben auf, Frank und Jörg, der größere drei Jahre älter als der kleine. Sie nähte Röcke, Mäntel, Blusen, Damenoberbekleidung, verkaufte sie Bekannten, die ihre Ware sehr lobten und empfahlen. Schließlich, als die Bestellungen immer mehr wurden, holte sie Näherinnen in die Wohnung in Berlin-Moabit.
Herr Woltmann, hätten Sie denn, wenn Meißen zu kaufen gewesen wäre, auch Meißen gekauft? Heftig schüttelt er den Kopf. „Weder Meißen noch sonst eine andere Manufaktur.“ Aber eine andere Luxusmarke? „Ich kaufte die KPM, weil ich Berliner bin, die KPM gehört zu meiner Stadt wie das Brandenburger Tor.“
Am liebsten saß er in der Nähe der Mutter und schob, zufrieden mit seiner Welt, blecherne Züge über den alten Teppich. Anders als der Bruder ging Jörg nicht zum Fußball, selten zog er durch die Trümmer von Moabit, dem Kleinen gefiel die Einsamkeit – doch wenn Mama ihn bat, rannte er los, brachte Schecks zur nahen Bank. Dort stand er am Schalter und wartete, staunte und wartete und rieb seine Lippen, bis der Beamte ihn rief, am glatten, vornehmen Holz.
Bis vor einigen Jahren noch, sagt Jörg Woltmann im Besprechungsraum seiner Königlichen Porzellan-Manufaktur, die er, seit sie seine ist, mit 40 Millionen Euro stopfte, bis vor wenigen Jahren noch habe er im Mund ab und an den Geschmack seines ersten Schalters verspürt, seltsam und immer wieder. Herr Woltmann, Ihren Vater haben Sie nie vermisst? „Nie!“, sagt er und schweigt.
Manchmal stapelte er die Groschen, die er besaß, zu schlanken Türmen, er zählte sein Geld, dachte aus, was damit zu kaufen wäre, vielleicht die halbe Welt oder die Wohnung gegenüber, die einen großen Ofen besaß. Was ist ein guter Unternehmer? Woltmann, kein Schnellredner, härtet Satz nach Satz. „Jemand, der langfristig denkt. Der eine hohe soziale Kompetenz besitzt – davon gibt es immer weniger. Einer, der die Grundsätze des ordentlichen Kaufmanns lebt.“
Die da wären? „Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein. Denn man hat auf Erden eine bestimmte Aufgabe, und die muss man ordentlich lösen, mit Anstand und mit Maß.“
Das sagt ausgerechnet ein Banker! „Ach“, stöhnt Jörg Franz Fritz Woltmann im 68. Jahr seines Lebens, Vorstandsvorsitzender und Alleinaktionär der Allgemeinen Beamten Kasse Kreditbank AG, Alleingesellschafter der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH, „mittlerweile habe ich mehr Respekt vor einem Unternehmer, der für eine Million Euro eine neue Maschine kauft und nicht weiß, ob sich das am Ende wirklich lohnt, als vor einem Banker. Banker, mit Verlaub, sind nur die Vermittler zwischen Vor- und Nachsparer.“
Was war das Schlimmste Ihrer Kindheit? Er schnaubt. Es gab nichts, was diesen Namen verdient. Der Bruder lieferte die Mäntel, Röcke, Blusen aus, Jörg trug die Schecks zur Bank. Einmal, allein zu Hause, öffnete er eine schwere Dose Aprikosen, verschlang drei, vier, fünf mit Lust, aß dann, um das Verbrechen zu vollenden, die ganze Dose leer – und danach, ein halbes Jahrhundert lang, keine einzige Aprikose mehr. Lustlos ging er zur Schule, gähnte sich durch den Unterricht, die Lehrer luden Jörgs Mutter vor, mahnten, warnten, hofften. Werktags befahl sie ihren Söhnen, den Tisch zu decken, das Geschirr zu waschen und zu trocknen, sonntags verbot sie es, sonntags holte die Mutter ewige Werte aus dem Schrank, Schüsseln und Teller von KPM, das berühmte Kurland-Service der Königlichen Porzellan-Manufaktur zu Berlin. „Noch ein Tässchen Kaffee?“
„Übrigens, das Schlimmste meiner Kindheit war wohl, dass ich, der Kleinere, oft nur die Kleider meines großen Bruders bekam – dann aber endlich eine eigene blaue samtene Hose, genäht von meiner Mama nur für mich, Weihnachten vor einer Ewigkeit.“ 1957 zog die Familie nach Lichterfelde-West, die Mutter, mit ihrer Näherei zu Geld gekommen, kaufte ein Haus, Jörg wurde Gymnasiast, plagte sich durch die Fächer, war als Schüler weder gut noch schlecht, aber gern allein und anders. Er gefiel sich in Anzug und Krawatte, ging darin zur Schule, setzte sich darin zu Hause an den Tisch.
Wann, Herr Woltmann, war Ihre letzte schlaflose Nacht? „Heute“, sagt er und blickt zu Friedrich. „Doch was heißt schon schlaflos?“, knurrt er jetzt, „man liegt im Bett und denkt nach, überlegt hin und her, hin und her, man entwirft, verwirft, entwirft, verwirft.“ Denn selbst zu Hause, selbst im Bett, bleibe man Unternehmer, suche Mittel und Wege, im Wettbewerb zu bestehen, dieser Eifer, diese Spannung löse sich kaum je auf, sie bestimme sein Wesen, ob er dies wolle oder nicht.
1965, zur Freude der Mutter, bestand Woltmann das Abitur und begann im Bankhaus Lampe eine Lehre. Vier Jahre später, 1969, schrieb er sich an der Fachhochschule für Wirtschaft ein, studierte Betriebswirtschaft, wohnte noch bei der Mutter in Lichterfelde-West und suchte Mittel, Mama nicht länger zu belasten. Also gründete er, 23 Jahre alt, mit einem Partner ein erstes Unternehmen, An- und Verkauf von Gebrauchtwagen. Jeden Morgen um sechs verließ er das Haus der Mutter, fuhr ins Geschäft, teilte die Arbeit ein, lief zur nahen Hochschule, blieb dort bis zwei Uhr nachmittags, lief zurück ins Autohaus, kaufte, verkaufte, blieb bis zum Abend, fuhr schließlich zur Mutter, krümmte sich über die Bücher.
Er glaube, sagt Jörg Woltmann, als Unternehmer sei er immer mutig gewesen, aber nie leichtsinnig. Das Studium der Betriebswirtschaft durchlief er in kurzen sechs Semestern, dann war Ölkrise, die Gelegenheit so günstig, Woltmann kaufte und kaufte, war schließlich, bevor er sein Autohaus 1974 verkaufte, in Berlin an vier Orten zu finden. Mit einem Teil des Geldes, das er gewann, tat er sich Gutes, Jörg Woltmann erstand ein schönes neues Automobil, eine schöne teure Uhr – und das Service Kurland der Königlichen Porzellan-Manufaktur für acht Personen, 70 Teile, jenes Geschirr, das sonntags auf dem Tisch der Mutter gestanden hatte.
Aber das Auto ist längst kaputt, die Uhr ist weg, nur das Kurland ist noch da, so schön und edel wie ehedem. „Und das ist mein Problem. Dass, wer einmal KPM besitzt, nichts Besseres mehr besitzen kann.“
1974 gründete er mit einem Partner ein neues Institut, Finanzdienstleistung und Unternehmensberatung. Die Geschäfte liefen, aus der Firma erwuchs eine Bank, Allgemeine Beamten Kasse, Jörg Woltmann, 32 Jahre, jüngster Banker Deutschlands, besaß zwei Drittel davon. Eine Bank für Beamte? Er schließt kurz die Augen. Er und sein Partner, damals, hätten sich die Frage gestellt, wo und wie im Bankenwesen noch Geld zu verdienen sei.
Wie? „Mit Privatkunden, Endverbrauchern, nicht mit Institutionen. Unsere nächste Frage war dann: Wo finden wir Privatkunden in sicheren Verhältnissen, Kunden, die uns ein geringes Risiko sind? Dort, wo die Arbeitsplätze sicher sind, im öffentlichen Dienst.“ Sie gründeten eine Bank, die sich um Beamte kümmert, deren Geld verwaltet, ihnen Kredite gibt.
„Man muss sich“, sagt Jörg Woltmann, „im Leben die wichtigen Fragen stellen.“ Was ist die wichtigste Frage überhaupt? „Uff“, knurrt Woltmann, „jetzt wird’s fast religiös. Muss ich darauf antworten?“ Müssen Sie nicht. „Die wichtigste Frage vielleicht, ganz banal, ist die: Ist es gut, was ich mache? Ist es richtig? Die führt leider zu meinen schlaflosen Nächten, immer wieder, entwerfen, verwerfen, entwerfen, verwerfen.“
Was sagt dann Ihre Frau? Woltmann lacht auf. „Gib doch mal Ruhe!“ 1981 begann sie ihre Lehre bei der Allgemeinen Beamten Kasse und verliebte sich, 17 Jahre jünger, schnell in deren Besitzer, JW, es dauerte zwei Weihnachtsessen, bis der Chef entbrannte. Was ist das Beste an ihr? „Ihre Fröhlichkeit.“ Was kann sie besser als Sie? „Fröhlich sein.“ Was noch? „Kochen.“
1985 gebar Kerstin Woltmann eine Tochter, Sandra Sophie, der Vater war bei der Geburt nicht dabei, Woltmann hatte zu tun. Bedauern Sie das? „Das Leben ist oft nicht so, wie man es gern hätte. Nun bin ich Großvater seit einigen Monaten, glücklich und stolz auf meine Enkelin Florentina.“
Ende 2004 las Jörg Woltmann, der sich mit dem Gedanken trug, in wenigen Jahren das Tagesgeschäft seiner Allgemeinen Beamten Kasse Kreditbank AG, die ihm mittlerweile allein gehörte, Jüngeren zu überlassen, in der Zeitung, das Land Berlin habe vor, seine Königliche Porzellan-Manufaktur, die nichts als Schulden mache, zu privatisieren. Tage später, ein Zufall, saßen zwei Herren in seinem Büro, sie seien, sagten sie, Teil eines Konsortiums, dem auch Franz Wilhelm Prinz von Preußen angehöre, Urenkel des letzten deutschen Kaisers, entschlossen, die KPM zu übernehmen, so er, Jörg Woltmann, sie finanziell begleite. Woltmann, höflich wie immer, lehnte ab, derartige Kredite entsprächen nicht dem Gebaren seiner Bank. Wieder Tage später kam ihm zu Ohren, sehr wahrscheinlich gehe die KPM, wenn das Konsortium des Prinzen nicht den Zuschlag erhalte, an chinesische Investoren. „Das wollte ich nicht!“
„Die KPM gehört nach Berlin, nicht nach Peking oder Schanghai. Und also begann ich zu rechnen und kam zum Schluss, dass das Risiko, falls ich einige Sicherheiten bekäme, unter anderem die Namensrechte an der KPM, tragbar sei.“
„Schließlich“, sagt Woltmann, beide Hände an der großen Tasse, „schließlich legte ich den Kredit heraus, drei Millionen Euro für den Produktionsbetrieb, fünf Millionen Betriebsmittelkredit.“ Doch noch in der Nacht nach der Unterzeichnung der Verträge hätten die neuen Eigentümer der KPM sich überworfen und das Chaos angeschoben – bereits neun Monate später, im September 2005, sei die Königliche Porzellan-Manufaktur vor der Insolvenz gestanden.
Was nun? „Es war“, zitiert Herr Woltmann Herrn Woltmann, „nie mein Herzenswunsch, Eigentümer der KPM zu werden, aber eine Herzenspflicht, sie vor dem Untergang zu retten.“
Dieses Kulturgut, Teil der Berliner Identität, das älteste produzierende Unternehmen der Stadt. Gegründet von Friedrich dem Großen, 1763. Der in seinem Betrieb die Kinderarbeit verbot, geregelte Arbeitszeiten einführte, sichere Renten. Der sich selbst der beste Kunde war und für jedes seiner 21 Schlösser ein Tafelservice bestellte, manche aus 450 Teilen. Und damit den Neid des Adels weckte, des gehobenen Bürgertums, das sich fortan mit Figuren, Vasen, Geschirr der königlichen Manufaktur beschenkte. Gut 150 Jahre lang, bis 1918, blieb die KPM im Besitz der Könige und der Kaiser, dann war sie Eigentum des jeweiligen Staates, seit dem Zweiten Weltkrieg des Landes Berlin.
Ach, klagt Jörg Woltmann über den Tisch, die jüngere Geschichte der KPM sei eine Geschichte für sich, keine erbauliche, zumal sie ein Panoptikum dessen liefere, wie ein Staat mit einem Unternehmen nicht umgehen sollte. Bis 1989 sei die Manufaktur ein Eigenbetrieb des Landes Berlin gewesen, angesiedelt im Bereich Kultur, als wäre sie ein Opernhaus oder ein Theater, am Leben gehalten mit zehn Millionen aus dem Kulturhaushalt, Jahr für Jahr. 1989 habe Berlin seine Eigenbetriebe in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt, die hohen Verluste der KPM seien ans Licht gekommen, worauf Berlin ratzfatz beschlossen habe, die Manufaktur zu verkaufen – und sie der Investitionsbank Berlin verkauft habe, die, man sehe und stutze, zu 100 Prozent dem Land Berlin gehörte. Diese Investitionsbank wiederum, aufgeschreckt von den roten Zahlen der Neuerwerbung, habe der KPM, um Schulden abzubauen, befohlen, ihr weites Gelände am Rand des Tiergartens zu veräußern. Folgsam habe die KPM die Immobilie der Gewerbesiedlungsgesellschaft verkauft, die, man sehe und stutze, zu 100 Prozent dem Land Berlin gehörte.
„Ein Klüngel!“, schimpft Woltmann. Die KPM war nun Mieter im vormals eigenen Haus. Und unfähig, diese Miete zu erwirtschaften. Deshalb entschied das Land Berlin, den Produktionsbetrieb der Königlichen Porzellan-Manufaktur endgültig zu privatisieren, Ende 2004 verkaufte sie ihn, ohne Gelände, jenem Konsortium des Prinzen, das sich Stunden nach dem Kauf ins Gemenge kam.
Woltmann, plötzlich bleich, holt tief Luft. „In den zwölf Jahren, bevor ich die KPM und ihre 170 Mitarbeiter übernahm, waren hier neun verschiedene Geschäftsführer am Werk gewesen.“ Sie kauften dann zu welchem Preis? „13,5 Millionen Euro.“
Er kaufte sie am Freitag, dem 24. Februar 2006, und wies die Telefonistinnen an, sich fortan nicht mehr mit dem billigen Kürzel KPM zu melden, sondern mit dem vollen und schweren Namen: Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin. Seine Frau tröstete er mit dem Scherz: Wenn’s nicht klappt, nennen wir die KPM Kerstins Porzellan-Manufaktur.
Woltmann fuhr jetzt täglich an den Rand des Tiergartens, er richtete sich ein Büro ein, streute seine Strategie: Nur allerbeste hochpreisige Ware, kein Ramsch, keine Rabatte, keine Zweitlinien, haben wir alles nicht nötig, wir sind königlich. „Die KPM muss nicht die größte Manufaktur der Welt sein, ich bin zufrieden, wenn sie die beste ist.“
Ihren Kauf haben Sie nie bereut? „Nie!“ Und auch noch nie daran gedacht, die KPM wieder zu verkaufen? „Nie!“
Die alte Ofenhalle machte er zur Verkaufsgalerie, daneben baute er ein Haus, die KPM-Welt, belebt mit einer Dauerausstellung und einem Café, Montag bis Samstag, 10 bis 18 Uhr. Er schuf Läden am Berliner Kurfürstendamm, in der Friedrichstraße, im KaDeWe und in den Hackeschen Höfen, in Potsdam, Hamburg, Köln, Schanghai, Taiwan, er tat sich zusammen mit Marken von Weltruf, Bugatti, Bottega Veneta. Zum 60. Geburtstag schenkte ihm die Belegschaft einen Woltmann in Porzellan, vielleicht 40 Zentimeter hoch, heimlich hergestellt in 240 Stunden Freizeit.
„Da hab ich geweint“, flüstert Jörg Woltmann. Seit acht Jahren bereits sitzt er vormittags in seiner Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH, die zu haben nie sein Herzenswunsch war, und wechselt kurz nach zwölf in die Allgemeine Beamten Kasse Kreditbank AG, bleibt bis sechs, bringt auch dort den Gedanken ans Porzellan nicht aus dem Kopf. „Als wär’s eine Sucht“, sagt Woltmann.
Wann schreibt Ihre KPM endlich schwarze Zahlen? „Bald, schon bald!“, verspricht er und blickt zu Friedrich in Öl. Denn die Saat sei im Begriff aufzugehen, die Menschen hätten verstanden, dass es keine Blümchenmalerei sei, was man hier mache, sondern ein Luxusprodukt, ein Menschheitsgut, eines der schönsten und besten auf Erden.
Er schaut auf die Uhr an seinem Arm. Herr Woltmann, mit welchen Worten, wenn es einst so weit ist, bitten Sie Sankt Petrus um Einlass ins Himmelreich? Jörg Franz Fritz Woltmann schweigt und schweigt, sein Gesicht hellt auf, wird jetzt breit und spitz, dann platzt es aus ihm: „Das neue Kurland ist da!“
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