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SPD - Peer Steinbrück, im Visier der Verschwörer

Die SPD ist in Meinungsumfragen auf 23 Prozent abgesackt und unter den Genossen wachsen die Zweifel an dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Der will sich nicht verbiegen lassen. Zu Recht

Autoreninfo

Konstantin Sakkas, geb. 1982, ist freier Autor und schreibt u.a. für Die Zeit und den SWR.

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Ein Gespenst geht um in Deutschland: das Gespenst des Peer Steinbrück. Alle haben sich zum Kampf gegen dieses Gespenst verschworen: die Medien, die Wähler, die Politik. Selbst die eigene Partei unternahm vergangene Woche erste zaghafte Versuche, ihren Spitzenkandidaten an die Leine zu legen, und wieder schäumen Gerüchte auf, wonach die SPD ein Dreivierteljahr vor der Bundestagswahl doch noch ihren Kanzlerkandidaten auswechseln könnte.

Steinbrücks Start in den Wahlkampf nach seiner Nominierung im Herbst war unglücklich, keine Frage. Nur bedeutet Unglück eben nicht Schuld. Schaut man sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einmal genauer an, stellt man schnell fest, dass sie samt und sonders haltlos sind. Seien es die Nebeneinkünfte, die Buchhonorare und zuletzt die gute alte Bahncard 100, die, welch Frevel, „auch privat“ genutzt worden sein soll, oder die „umstrittenen“ Äußerungen zum Kanzlerinnengehalt und zum „Frauenbonus“ der Amtsinhaberin Angela Merkel: alles Topoi, die für Kontroverse sorgen, die aber in ihrer Substanz weder moralisch noch sachlich grenzwertig oder gar verwerflich sind.

Im Gegenteil: wenn man ehrlich ist, taugen diese Dinge nicht einmal zum richtigen Aufreger. Es sind Lappalien, bloße Chimären, die erst im Rahmen einer Kampagne zu moralischen Grundsatzfragen hochgejazzt wurden. [gallery:Merkel gegen Steinbrück – das Duell um das Kanzleramt]

Peer Steinbrück freilich ist über diese Phantomdebatten selber zum Phantom geworden, dessen Umfragewerte am Mittwoch wieder eine Etage tiefer gerutscht sind. Seit Wochen beschäftigt das politische Berlin die Frage, wer für das Publicity-Desaster die Verantwortung trägt: Steinbrücks Team, das ihn schlecht beraten habe, oder Steinbrück selber, dessen vermutete Beratungsresistenz längst zum geflügelten Wort geworden ist?

Die Dinge liegen einfacher und komplizierter zugleich. Steinbrück wusste, wie die gesamte SPD-Spitze, von Anfang an, dass die Bundestagswahl gegen Angela Merkel nur schwer zu gewinnen sein wird. Warum das so ist; warum die Sphinx aus dem Pfarrhaus anhaltend eine derartige Popularität im Volk genießt, ist eine andere Frage. Der SPD war jedenfalls klar, dass sie es mit dem aktuell verfügbaren Spitzenpersonal sehr schwer haben wird, gegen Merkel zu punkten, geschweige denn einen Machtwechsel im Bund herbeizuführen. Im Grunde ist dazu, das wissen alle, eine Frau als Kanzlerkandidatin nötig, und die steht den Sozialdemokraten zurzeit noch nicht zur Verfügung.

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Also blieb nur die Troika, das heißt, es blieb nur der, auf den es sowieso seit Jahren hinauslief: nämlich Peer Steinbrück. Er ist der logische SPD-Kandidat der alten Schule: im Innern gemäßigt linksliberal mit einem großen Herzen für die, denen es wirklich schlecht geht; nach außen intellektuell, schneidig, weltgewandt, arrogant, kurz: der Typ, den sich im Grunde niemand als Bundeskanzler wünscht außer jener unerschütterlichen westdeutschen intellektuellen Schickeria, die eine schmale Minderheit von wenigen Prozent der Bevölkerung ausmacht, zuzüglich der traditionellen SPD-Wähler, die dem Kandidaten aus zähneknirschender Loyalität ihre Stimme geben werden, ohne ihn darum besonders zu lieben.

Den Rest kann Steinbrück nicht wirklich erreichen, und er wird ihn auch nicht erreichen, es sei denn, es geschieht in den acht Monaten, die bis zur Wahl verbleiben, noch eine richtige europäische Katastrophe, die die Menschen nötigt, auch ihre Abscheu gegen das politische Schnöseltum zu überwinden, weil sie ahnen, dass in der Not eben doch nur so jemand helfen kann.[gallery:Merkel gegen Steinbrück – das Duell um das Kanzleramt]

Da es nun aber mit ziemlicher Sicherheit nicht dahin kommen wird, kämpft Steinbrück bereits seit seiner Kür auf verlorenem Posten. Gegen die Naturgewalt Merkel, der die Tsunamiwellen der Alternativlosigkeit gehorchen, hat Prometheus Steinbrück, der des Geistes Feuerfackel in den Händen schwingt, kaum eine Chance. Das weiß er. Und genau daraus erklärt sich sein „ungeschicktes“ Verhalten in den letzten acht Wochen. In Wahrheit war daran nämlich so wenig ungeschickt wie etwa daran, von einer Flutwelle am Strand überrascht und mitgerissen zu werden. Es ist nicht seine Schuld, es ist sein politisches Schicksal.

Genau deshalb aber hat Steinbrück sich auch entschlossen, keine fremde Rolle zu spielen, sondern einfach er selbst zu sein, wissend, dass auch die massentauglichste Camouflage an der Stimmung im Lande gegen ihn und seine Partei nichts ändern würde. Und genau deshalb konnte die Kampagne, die eine seltsame öffentlich-mediale Einheitsfront seit Monaten gegen ihn fährt, auch überhaupt Erfolg haben: weil man wusste, dass das breite Wahlvolk Steinbrück ohnehin nicht haben will – selbst dann nicht, wenn er sein Wahlprogramm vom lieben Gott persönlich diktiert bekäme.

Der Kandidat selber aber wäre schön blöd, sich auf diese fadenscheinigen Vorwürfe hin, die gegen ihn im Stakkato erhoben werden, auch noch eine andere Identität anzuziehen. Er bleibt der, der er ist. Er ist authentisch, er ist ehrlich, und er hat als Politiker sicher eine weißere Weste als viele, die gerade in der Regierungsverantwortung stehen (sonst hätte man sich ja nicht seine völlig legale Nebentätigkeit als Redner/Autor oder seine völlig vertretbaren Meinungsäußerungen aus einem Interview mit der FAZ herausgesucht, um ihm zu schaden).

Eigentlich – aber das nur am Rande – sollte genau das ihn zum Wunschkandidaten machen.

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