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Jens Wolf/dpa

Hochwasser - Wälle gegen die Welle

Vielen Orten an der Elbe steht der Höhepunkt der Flut noch bevor. Denn der Pegel steigt immer weiter. Wie kritisch ist die Lage – und hat der Hochwasserschutz versagt?

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Steyer, Claus-Dieter

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Während in Thüringen im Osten und in Teilen Bayerns im Westen Deutschlands schon die ersten Aufräumarbeiten im Gang sind, bangen die Anwohner an anderen Flussläufen, vor allem an der Elbe, noch um ihr Hab und Gut. Dort hat der Hochwasserpegel noch immer nicht seinen Höchststand erreicht.

Wann ist mit einer Entspannung der Hochwasserlage zu rechnen?

In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Niedersachsen steht der Höhepunkt der Flut noch bevor. In Halle lag der Saale-Pegel bei 8,10 Metern, so hoch wie seit 400 Jahren nicht mehr. Vor allem die Elbe schwillt in ihrem gesamten Verlauf noch weiter an.

Aus der Tschechischen Republik gelangen immer neue Wassermassen aus der Moldau in die Elbe. Im Laufe des heutigen Donnerstags erwartet Dresden den höchsten Pegelstand. Er soll bei 9 Metern liegen, das wären 40 Zentimeter weniger als bei der Flut im August 2002. Normalerweise ist die Elbe in Dresden nur zwei Meter hoch, im Sommer muss wegen Niedrigwasser regelmäßig die Schifffahrt eingestellt werden. Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt werden noch bis weit in die nächste Woche gegen die Wassermassen kämpfen müssen.

Wo hat sich die Lage besonders zugespitzt?

Die Saale trat in Halle an mehreren Stellen über die Ufer, so dass allein hier der Krisenstab 30.000 Menschen zum Verlassen ihrer Häuser aufforderte. Für sie standen Notquartiere in Schulen und anderen Gebäuden bereit. Mit Sirenengeheul und Lautsprecherdurchsagen wurden am Mittag die Bewohner der Dörfer Löbnitz und Sausedlitz am Seelhausener See in Nordsachsen zum Räumen ihrer Häuser aufgerufen. Hier befürchteten die Hochwasserexperten ein Überlaufen des Sees und Erdrutsche. Auch Bitterfeld stand im Brennpunkt der Hilfsmaßnahmen.

Aufregung löste am Vormittag die Meldung von drei auf der Elbe treibenden Gasbehältern aus. Die Flut hatte sie aus ihrer Verankerung im Hafen der tschechischen Grenzstadt Decin gerissen. Sie waren zwar leer, hätten aber die Stadtbrücke in Pirna beschädigen können. Hubschrauber der Bundeswehr flogen deshalb ganz niedrig und trieben die 14 Tonnen schweren Container mit dem Wind der Rotorblätter ans Ufer, wo sie gesichert wurden. Entlang der Elbe steht das Wasser in den Innenstädten von Bad Schandau, Königstein, Stadt Wehlen, Pirna, Meißen, Riesa und einigen kleinen Orten. Schloss und Park Pillnitz bleiben bis zum 16. Juni wegen des Hochwassers geschlossen.

Obwohl sich die Situation in Bayern insgesamt entspannte, war nach zwei Dammbrüchen die Lage in Deggendorf am Mittwoch noch dramatisch. Hubschrauber retteten vom Hochwasser eingeschlossene Menschen von den Dächern ihrer Häuser im überspülten Ortsteil Fischerdorf. Die Häuser dort stehen nach Angaben der Feuerwehr bis zu drei Meter im Wasser. Insgesamt mussten etwa 2000 Menschen evakuiert werden. Die Autobahnen A3 und A92 wurden gesperrt.

Die sich nach Norden schiebenden Wassermassen der Elbe bedrohen nun auch Brandenburg. In Mühlberg wurde am Mittwoch Katastrophenalarm ausgelöst. Der Wasserstand erreichte laut Innenministerium 9,02 Meter, bis Freitag könnte er auf 10,20 Meter steigen. Bei der Rekordflut 2002 waren es 9,98 Meter. Für den Landkreis Elbe-Elster gilt seit Dienstag die höchste Alarmstufe 4. Bei Herzberg an der Schwarzen Elster brach am Mittwoch auf 20 Meter Länge ein Deich. Menschen waren jedoch nicht in Gefahr, da nur Ackerland und Wälder überflutet wurden. Neben den brandenburgischen bereiten sich auch die niedersächsischen Gemeinden an der Elbe mit Hochdruck auf das erwartete Jahrhunderthochwasser vor. In den Landkreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg wurde der Katastrophenalarm ausgerufen. Tausende Helfer füllen entlang der Elbe Sandsäcke. Im schleswig-holsteinischen Lauenburg wird von Freitag an erstmals die von der Elbeflut bedrohte Unterstadt mit bis zu 150 Häusern evakuiert.

Sind die weltberühmten Dresdner Kunstschätze besser als 2002 gesichert?

Spundwände und Pumpen gegen das aufsteigende Grundwasser sollen vor allem Semperoper und Schauspielhaus sichern. Dort waren bei der letzten Flut vor elf Jahren Schäden von 26 beziehungsweise 12 Millionen Euro aufgetreten. Zusätzlich hat die Stadt riesige Wasserbehälter aus Plastik gekauft, die eine zusätzliche Barriere gegen das Wasser bilden. Vorsorglich wurden aber im Zwinger Gemälde aus dem Erdgeschoss in höhere Stockwerke getragen. Im Funktionsgebäude der Semperoper räumten die Angestellten ihre Büros im Erdgeschoss.

Wo haben die Menschen das Schlimmste schon überstanden?

In ganz Thüringen haben sich die Flüsse und Bäche inzwischen in ihr Bett zurückgezogen. Auch Leipzig gab gestern Entwarnung. So wie in Grimma begann überall das große Aufräumen. Auch in Süddeutschland stabilisierte sich die Lage. Zwar stand die Dreiflüssestadt Passau am Mittwoch noch immer unter Wasser, aber der Pegel stieg schon seit Tagen nicht mehr. Die Behörden hoffen, dass die Wassermassen bis zum Wochenende abfließen.

Gibt es schon Schätzungen über die wirtschaftlichen Schäden?

Dafür ist es noch zu früh. Der sächsische Bauernverband rechnet aber mit großen Verlusten. So seien vielerorts die Spargel- und die Erdbeerernte verloren. Durch den langen Winter konnten erst 30 Prozent der Kartoffelfelder bestellt werden. Die meisten Felder sind aber durchnässt, so dass die Pflanzkartoffeln verfaulen. Verluste gibt es auch bei Straßen und Eisenbahnlinien. Die wichtige Bahntransitstrecke zwischen Dresden und der Tschechischen Republik musste in der Sächsischen Schweiz gesperrt werden.

Hat der Hochwasserschutz versagt?

Das kann man so generell nicht sagen. Die Schäden wären ohne die seit 2002 eingeleiteten Maßnahmen mit Sicherheit deutlich höher. Dennoch gibt es Kritik. So wies der Präsident der deutschen Bauindustrie, Thomas Bauer, am Mittwoch der Politik die Verantwortung für die Flutschäden zu. „Entscheidend sind die zu langwierigen Bauverfahren nach den letzten Flutkatastrophen“, sagte er. So seien in Sachsen nach dem Elbhochwasser 2002 rund 350 Projekte zum Hochwasserschutz geplant gewesen, lediglich 80 davon seien heute abgeschlossen. Dabei liege das Problem nicht in der Finanzierung solcher Maßnahmen: „Geld spielt beim Hochwasserschutz keine Rolle“, so Bauer. Das Problem liege in der Blockade bereits beschlossener Bauprojekte. Bauer nannte das Beispiel Grimma, wo Bürgerinitiativen 50 Prozent der geplanten Schutzmaßnahmen verhindert hätten. Eine Überarbeitung der Entscheidungsverfahren im öffentlichen Bau sei dringend notwendig. mit spi/dpa

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