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Endlagersuche - Ein Grab für die strahlende Altlast

Heute könnten Bund und Länder einen Kompromiss beschließen, wie ein Endlager für den radioaktiven Müll gefunden werden kann. Wie lässt sich das strahlende Material für Millionen Jahre sichern?

Autoreninfo

Dagmar Dehmer ist Politikredakteurin des Tagesspiegels in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit Umweltthemen und dem Klimawandel

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Mit einer „weißen Landkarte“ und dem Versprechen eines Neustarts bei der Endlagersuche haben am 11. November 2011 Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über eine Beendigung des letzten atompolitischen Großkonflikts in Deutschland begonnen. Und obwohl der Optimismus auf allen Seiten groß war, ist es 15 Monate lang nicht zu einer Einigung gekommen. Im Weg standen zwei Landtagswahlen: in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen. Damit die Bundestagswahl nicht auch noch dazwischenkommt, wollen sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), die 16 Bundesländer sowie die Fraktionsvorsitzenden von Union, FDP, SPD und Grünen an diesem Dienstag doch noch auf einen Endlagerkompromiss einigen.

Gelingt ihnen das, dürfte das Endlagersuchgesetz eine der letzten Entscheidungen sein, die Bundestag und Bundesrat vor der Wahl im September noch treffen werden.

Warum ist der Konsens nun offenbar doch noch gelungen?

Nach 35 Jahren Dauerstreit um Gorleben hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Herbst 2011 die Bereitschaft erklärt, auch im eigenen Bundesland nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle suchen zu lassen. Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nutzte die Chance und überzeugte seine Partei davon, dass ihr hartnäckiges Festhalten an Gorleben nicht zum gesellschaftlichen Frieden beitragen werde. Im April 2012 sah es so aus, als wäre der Knoten geplatzt. Allerdings war das zwei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wo Röttgen als Spitzenkandidat für die CDU ins Rennen ging – und verlor. Wenig später wurde Röttgen von Peter Altmaier abgelöst. Über den Sommer pflegte Altmaier vor allem mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin intensive Kontakte. Doch keine der beteiligten Parteien hatte ein ausreichendes Interesse an einer Lösung vor der Landtagswahl in Niedersachsen. Nach dem Regierungswechsel in Hannover wurden die Karten neu gemischt. Trotz der Bedenken aus Niedersachsen: Allen Beteiligten ist klar, dass sich in der Endlagerfrage auf Jahre nichts mehr bewegen wird, wenn es nicht gelingt, noch vor der Bundestagswahl Entscheidungen zu treffen. Denn für alle Parteien ist die Endlagerfrage mit politischen Risiken verbunden.

Welche Standorte kommen infrage?

Niedersachsen wird nicht nur wegen Gorleben auch bei einer neuen Endlagersuche im Fokus bleiben. Denn dort gibt es weitere Salzlagerstätten, die in Frage kommen könnten. Zudem gibt es Tonformationen, die ebenfalls als Wirtsgestein geeignet wären. Auch da hat Niedersachsen die meisten Standorte zu bieten. Es gibt aber auch eventuell geeignete Tonformationen in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Baden-Württemberg nahe des Bodensees und in der Heimatregion des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im Oberschwäbischen entlang der Donau. Als mögliche Granitstandorte hält die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die auch die Salz- und Tonstandorte in drei Wirtsgesteinsstudien bewertet hat, fünf Regionen für untersuchenswert: Bayern (Fichtelgebirge und Oberpfälzer Wald), das Erzgebirge und das vogtländische Schiefergebirge sowie die Granulitberge und die Lausitzer Scholle in Sachsen, schließlich die Halle-Wittenberger Scholle in Sachsen-Anhalt.

Die Kosten für eine neue Suche werden im Gesetzentwurf auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt, rund 100 000 Euro für eine oberirdische und rund 600 000 Euro für eine unterirdische Erkundung. Wie viele Standorte erkundet werden, ist offen. Dazu soll auch die geplante Enquete-Kommission, der 24 Persönlichkeiten angehören sollen, bis 2015 Vorschläge machen.

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Welche Anforderungen werden an Endlager gestellt?

Der hoch radioaktive Müll – es geht vor allem um abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken – strahlt bis zu einer Million Jahre. Er muss also über einen geologischen für Menschen nicht mehr vorstellbaren Zeitraum sicher gelagert werden. Deshalb sind sich die meisten Fachleute einig, dass ein Tiefenlager, das am Ende sicher verschlossen wird, die sicherste Variante eines Endlagers ist. Die geplante Enquete-Kommission wird allerdings auch über Themen wie die Rückholbarkeit diskutieren. Technikoptimisten glauben an Verfahren, mit denen der Atommüll durch chemische Reaktionen unschädlich gemacht werden könnte (Transmutation) und wollen den Atommüll deshalb lediglich so lange lagern, bis diese Technologien tatsächlich funktionieren. Die ganz konkreten Sicherheitsanforderungen für ein Endlager müssen jedoch erst noch erarbeitet werden.

Welche Mengen an Atommüll werden für die Endlager anfallen?

Nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) sind bis Ende 2011 in Deutschland 14.460 Tonnen bestrahlter Schwermetalle, also ausgediente Brennelemente, angefallen. Davon sind 6670 Tonnen in die Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague in Frankreich und Sellafield in Großbritannien transportiert worden. Bis zur Abschaltung des letzten Atomkraftwerks dürften weitere 2760 Tonnen anfallen. Einzulagern wären einschließlich der Abfallmengen, die aus La Hague und Sellafield zurückgekommen sind oder noch zurückkommen werden, rund 28 100 Kubikmeter Wärme entwickelnder Abfälle. Die Menge der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle ist vom Volumen her sehr viel größer.

Wo bleibt der Atommüll bis dahin?

Die abgebrannten Brennelemente werden zunächst in Brennelementebecken entladen, um sich dort so weit abzukühlen, dass sie in Castorbehälter verpackt und in einem Standortzwischenlager untergebracht werden können. An jedem Atomkraftwerksstandort gibt es Zwischenlager, die eine Betriebsgenehmigung von 40 Jahren haben. Bis 2035/40 sollte langsam ein Endlager zur Verfügung stehen. Und zwar nicht nur, weil dann die Lagergenehmigung abläuft, sondern auch, weil sich „technische Fragen stellen“, wie Michael Sailer, Chef der Entsorgungskommission des Bundes und einer der Geschäftsführer des Öko-Instituts, sagt. Ob die Castorbehälter längere Lagerdauern überstehen, sei schon allein deshalb unklar, weil es keine Erfahrungen damit gebe. Darüberhinaus gibt es zentrale Zwischenlager in Gorleben und in Ahaus.

Gibt es in anderen Ländern schon atomare Endlager?

Bisher gibt es nirgendwo auf der Welt ein funktionierendes Endlager für Wärme entwickelnde Abfälle. Doch in Schwede und Finnland sollen Atomendlager in Granit gebaut werden. Dort sind die Standortentscheidungen inzwischen gefallen. In Schweden haben sich Gemeinden um das Endlager beworben – es gab mehr als einen Bewerber. Gebaut werden soll es in der Nähe des Atomkraftwerks Forsmark. In Finnland soll das Endlager in der Nähe des seit Jahren im Bau befindlichen neuen Atomkraftwerks Olkiluoto gebaut werden. In der Schweiz läuft es eher auf einen Tonstandort hinaus. Dort ist die Standortsuche noch nicht abgeschlossen. Aber es wird konkret über sechs mögliche Standorte verhandelt, die meisten davon liegen nicht weit von der deutschen Grenze.

 

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