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Ciao, ciao, Mao
Bildhauerische Devotionalie in China, bunte Pop-Ikone im Westen: Niemand nimmt Anstoß am immer bizarrer werdenden Mao-Kult. Dabei war der kommunistische Vorsitzende der größte Massenmörder des 20. Jahrhunderts – und ein Sexbesessener obendrein.
Der Lange Marsch des Bildhauers Wang Wenhai ist längst nicht zu Ende; die Kunst, der er sein Leben geweiht hat, findet im volkreichsten Land der Erde reißenden Absatz. Wie alle vorherigen, wird auch Wangs nächste Statue eine Einzelperson männlichen Geschlechts darstellen: in Yenan, wo die Rote Armee vor 68 Jahren ihren historischen Langen Marsch vollendete. 130 Meter hoch soll die Plastik werden – was von keinem Lenin- oder Stalindenkmal, ja nicht einmal vom nordkoreanischen Gigantomanen Kim Il-Sung erreicht wurde.
In dem Koloss von Yenan will Wang Wenhai keinen Geringeren verewigen als den Vorsitzenden Mao. Und da an der ästhetischen Kompromisslosigkeit, dem unbeirrbaren Formwillen des Künstlers kein Zweifel ist, wird das Mao-Monument auch in einer Größe von 26 Stockwerken von der bezwingenden Schlichtheit sein, die schon Wangs vorherige Mao-Statuen (bisher 1300) auszeichnete.
Noch harrt das Projekt der Verwirklichung, da wird schon ein neuer Superlativ anvisiert: Maos Langen Marsch in voller Länge für Rucksacktouristen nachvollziehbar zu machen. Auch dieses Vorhaben bedarf des Vorsitzenden: 25 000 Mao-Statuen sollen aufgestellt werden auf dem 9660 Kilometer langen Weg, den die Rote Armee zurücklegte. Bestechend verbindet sich realsozialistisches Größenmaß mit dem Minimalismus der Postmoderne. Die Statuen sollen nur 40 Zentimeter hoch werden. Ein maoistischer Pilger, der den Langen Marsch nacherleben will, muss monatelang eine Via Crucis abschreiten, auf der er jede halbe Stunde von einem Gartenzwerg mit Halbglatze begrüßt wird.
Mit der Vergangenheitsbewältigung lässt China sich eben Zeit. Jahre nach dem Tod des Großen Steuermannes (1976) sprach der greise Zyniker Deng: „Der Vorsitzende Mao hatte zu 70 Prozent Recht“ – auf Chinesisch ein vernichtendes Urteil, das Dengs Jünger, die das moderne China führen, verinnerlicht haben. In ihrer Welt, die westliches Kapital und Know-how magisch anzieht, sind Mao-Bilder ein peinlicher Tribut an die Partei. Die kolorierten Bäckchen des alterslosen Massenmörders spiegeln sich gespenstisch im amoklaufenden Glas der Skyline von Schanghai.
Maos Visage erinnert an das wahre China, das unsichtbar im Hintergrund atmet – das China der Bauern, der elenden Dörfer, der Ausbeutung und Menschenschinderei. Zwei Drittel der 1,3 Milliarden Chinesen stecken noch bis zum Hals in Maos Reich, der Willkür der Kader ausgeliefert. Wo Wang seinen 130 Meter hohen Mao hinstellen will, sind die Kommunisten seit 1936 am Drücker. Schon damals wurden den Bauern 35 Prozent der Ernte abgepresst, ein Sozialismus der Arbeitslager, der Sondergerichte und Erschießungen, der Gehirnwäsche und öffentlichen Selbstbezichtigung breitete sich aus.
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