- (Hand)-Made in Germany
Deutschland steht für Autos, Maschinen und Chemie. Aber es gibt auch Manufakturen, die exquisite Produkte in Kleinstserien herstellen. Eine Auswahl
Hendrike Farenholtz – Smarte Modelltischlerei
„Die Tischlerlehre sollte eigentlich nur eine Etappe sein“, sagt die Trägerin des Brinckmann-Preises für Design und Handwerk in ihrer Hamburger Werkstatt. „Irgendwie bin ich dabei hängengeblieben.“ Unser Glück, denn bei den Entwürfen ist nichts „irgendwie“, sondern aufs Schönste und Klügste durchdacht. Am Anfang steht immer die Frage: Was muss das Möbel können? Der „Schrank für eine Porzellansammlung“ ist das Ergebnis von intensiven Kundengesprächen. „Vor dem dunklen Hintergrund fängt das Porzellan an zu strahlen. Das Herzstück erhält einen geradezu heiligen Platz in der Mitte, die übrigen Objekte warten hinter den Türen auf ihren Moment.“
Ebolicht / Bolichwerke – Eine Baden-Württembergische Familiengeschichte
Überall strahlen „Ebolichter“ – ob im Olympiastützpunkt Bayern oder in den Hackeschen Höfen in Berlin. Die seit 1911 von den Bolichwerken produzierte Leuchtenserie erfreut sich bis heute großer Beliebtheit und hat es sogar bis in Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“ geschafft, in dem die Wandleuchte „Hamburg“ eine Gastrolle spielt. Tatsächlich hält Günther Bolich, Geschäftsführer und Großneffe des Firmengründers, bis heute an den traditionellen Fertigungsformen fest. Mit einigem Materialaufwand und einer diffizilen Mischung aus Kraft und Geschick werden „Berlin“, „Kiel“ und andere Modelle aus Metallblechen gewalzt, gestanzt, gedreht und gelötet. Einzige Neuerung: Heute sind die Schirme pulverbeschichtet und nicht mehr emailliert, was uns Leuchten in allen Farben der RAL-Tabelle beschert.
eternit – Unverwüstliches Design für Haus und Garten
Heute wundert sich kaum noch jemand, wenn man ihn bittet, auf einem Möbelstück aus Zement Platz zu nehmen; in den Fünfzigern waren die Sitzgewohnheiten noch deutlich gepolsterter. Allem Komfort zum Trotz nutzte der Schweizer Industriedesigner Willy Guhl 1954 den Werkstoff Faserzement der Firma Eternit für seinen mittlerweile ikonischen Strandstuhl. Die Sitzschleife sieht organisch und komfortabel aus, ein kleines Kissen empfiehlt sich dennoch. Neben seinen Produkten für Dach und Fassade fertigt das Unternehmen auch Möbel und Accessoires. Die Objekte wirken wuchtig, aber jeder Stuhl, Tisch oder Pflanzkübel ist von Hand gefertigt. Die Platten werden zugeschnitten und noch feucht in Form geklopft. Dann trocknet diese vier Wochen aus. Bis heute setzt Eternit seine Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Gestaltern erfolgreich fort.
Martin Z. Schröder – Feinste Drucksachen aus Meisterhand
Schwarzes Blut. Akzidenzen. Schweizerdegen. So faszinierend klingt die Welt von Martin Z. Schröder und hält beim Besuch in der Berliner Druckerei, was sie verspricht. Hier stapeln sich Druckproben, Farbdosen und Bücher, die Holzschränke bergen in Schubladen die Bleilettern. Über allem liegt der Duft von Öl und Farbe, in der Mitte des Raumes thronen die alten Maschinen, der 100-jährige Pedaltiegel (auch Nussknacker genannt) und der etwas jüngere Heidelberger Tiegel, an denen Schröder in bester Gutenberg-Manier Kleindrucksachen wie Visitenkarten, Exlibris und Briefpapier fertigt, die er nicht nur setzt, sondern auch entwirft.
Golem – Kunst- und Baukeramik aus Brandenburg
Die dunkelblauen Fliesen aus Sieversdorf in Brandenburg haben es sogar bis in das Restaurant des angesagtesten New Yorker Hotels „The Standard“ geschafft.
Seit den 90er Jahren sind 40 Mitarbeiter darauf spezialisiert, Repliken von Wand- und Bodenfliesen für die Restaurierung von historischen Bautenzu zu fertigen. Die 15 x 15 Zentimeter großen Kunststücke weckten schon bald die Begehrlichkeiten privater Kunden, weshalb 2003 die Serienproduktion begann. Highlight des Sortiments sind die Craquelé-Fliesen. Die hauchfeinen Haarrisse entstehen aufgrund der unterschiedlichen Wärmeausdehnung von Keramik und Glas.
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Westfalenstoffe – Traditionsmuster aus Münster
Wer kennt sie nicht, Poesiealben oder Kinderkleidung mit „Hähnchenmuster“? Der charmant-naive Entwurf aus den Dreißigern stammt von Hanne-Nüte Kämmerer, der Begründerin der Manufaktur, und ist seit fast 80 Jahren ein Bestseller. Jährlich gibt es zwei Kollektionen. Unser aktueller Favorit: Uppsala.
Ludwig Schröder – Lederspezialist in sechster Generation
Es ist eines der dreckigsten Gewerbe der Welt, führt aber zu Resultaten von großer Schönheit: die Lederverarbeitung. Dieser widmet sich seit 1825 die Familie Schröder im norddeutschen Uetersen. Das Gerben wurde in den 60er Jahren aufgegeben, das macht nun ein benachbartes Unternehmen nach genauen Vorgaben – meist pflanzlich und traditionell in einer Grube. Sein Know-How nutzt Schröder seit zwei Jahren für eine Serie von eleganten Wohnaccessoires, natürlich aus Leder. Die eigens erdachten Nähte sind nicht nur Zier, sondern erfüllen immer auch ihren eigentlichen Zweck.
Atelier Haußmann – Mit Säge, Schweißgerät und Winkelschleifer
„Stuhl - Tisch - Bett - Eat - Drink - Man - Woman“: So lautet der Untertitel des Blogs von Rainer und Andreas Haußmann. Und genauso gerade heraus und essentiell sind die Entwürfe der Designbrüder aus Berlin. „Wir versuchen möglichst nichts zu tun, wenn wir an den Produkten arbeiten. Das Produkt muss es wollen, Bett zu sein.“ Und „Sevenfeetup“ wollte offensichtlich genau das. Die Eingebung kam – wie sollte es anders sein – im Schlaf. Die hingeworfene Skizze bestand auch bei Tageslicht, und der Prtotyp wurde umgehend in der Werkstatt auf dem ehemaligen Gelände des Rundfunks der DDR umgesetzt. Inzwischen wird die Kollektion durch Entwürfe von Designern wie Zascho Petkow, Julia Thesenfitz und Christian Wedekind ergänzt.
Tapetenmanufactur Hembus – Über 700 historische Muster in Frankfurt
„Manchmal sind die historischen Tapetenfragmente, die wir von Schlössern oder dem Denkmalamt bekommen, gerade einmal so groß wie ein Oktavheft“, sagt Sigrun Moosbrugger, Marketingleiterin des 1894 gegründeten Unternehmens Julius Hembus. „Dann beginnt die Detektivarbeit unserer Stilexperten.“
An „Julius“, der nach dem Firmengründer benannten Siebdruckmaschine aus den 50er Jahren, werden die von Hand grundierten Papierbahnen Meter für Meter, Farbe für Farbe bedruckt. Je nach Motiv wird dieser Vorgang 20 Mal wiederholt. Viele Muster entfalten übrigens auch auf kleiner Fläche ihre Wirkung. Das Gäste-WC eines Kunden ist in eine Steppdecke aus dem Palais Darmstadt gehüllt.
Höchster Porzellan-Manufaktur – Weißes Gold aus Hessen
„Ob der Philipp heute still, wohl bei Tische sitzen will?“ Gute Frage – und immer wieder eine Herausforderung für Eltern von aktiven Kindern. Vielleicht bringt das Struwwelpeter-Service der zweitältesten deutschen Porzellanmanufaktur einen Moment Ruhe an den familiären Abendbrottisch. Die Teller und Tassen mit den unartigen Kinderbuchhelden sind Teil der Reihe „Porzellan erzählt Geschichte“, zu der auch die „Goethe Edition“ gehört.
Einen Namen machte sich die Manufaktur seit Ihrer Gründung 1746 mit den Figuren des Porzellankünstlers Johann Peter Melchior. Seine um 1770 entstandene Türkische Kapelle wird bis heute von Hand geformt und ist in mattweissem Bisquitporzellan besonders elegant.
Posamenten Müller – Vom Schlüsselanhänger bis zum Treppenseil
Häufig geht uns bei Einrichtungsprojekten auf den letzten Metern die Puste aus. Monatelang suchen wir den optimalen Vorhangstoff, lassen dann aber das Ergebnis unserer Mühen etwas traurig an der Gardinenstange hängen. Dabei könnte er, gehalten von einer Quaste, erst zu richtiger Größe gelangen. Der Teufel steckt mal wieder im Detail, und auf diese Details in Form von Borten, Kordeln, Raffhaltern und Quasten hat sich seit 1865 der Münchner Betrieb Posamenten Müller spezialisiert. An über hundert Jahre alten Webstühlen sitzen fünf Mitarbeiter und Weben, Knüpfen und Knoten die kostbare Ware für Kunden wie das Münchner Opernhaus oder Schloss Hof bei Wien. Aufträge kommen auch von unerwarteter Seite: Die Autoindustrie schätzt Müllers Türfangbänder, und ein Stammkunde lässt sich schwer entflammbare Zündschnüre zur Herstellung seiner Dynamitstangen fertigen. Denn den gewünschten Durchmesser bekommt die Industrie einfach nicht hin.
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