Sigmar Gabriel könnte mit einem eigenen Kandidaten das Profil der SPD schärfen. Bild: picture alliance

SPD - Die Chance Gauck

Der Verzicht von Bundespräsident Joachim Gauck auf eine zweite Amtszeit beschert der SPD ein unverhofftes Geschenk: Mit einem eigenen Kandidaten könnte sie sich von den Fesseln der Großen Koalition befreien. Das wäre anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl auch ein wichtiges Signal für die Demokratie

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Versteh‘ einer noch die SPD. Seit Jahr und Tag leidet sie unter dem Joch der Großen Koalition, beklagt sich darüber, wie ungerecht die politische Welt sei, wo sie doch die Säulen dieser Regierung bildete und es ihr keiner lohne. Und dann kommt die Gelegenheit, einmal aus der Knechtschaft unter der Kanzlerin auszubrechen, und was sagt Sigmar Gabriel? Was den Kandidaten für die Gauck-Nachfolge anlangt, warten wir von der SPD jetzt erstmal ab, was Merkel in der Sache macht.

Ja, natürlich, da sind die Landtagswahlen im September in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin, die das Gefüge in der Bundesversammlung noch einmal verändern können. Ja, natürlich, man soll das Amt des Bundespräsidenten, das höchste zu vergebende der Republik nicht auf einem Basar verhandeln.

Die Fesseln sprengen
 

Aber wenn die SPD sich ernsthaft von den Fesseln der Großen Koalition befreien möchte, dann bietet der Verzicht Joachim Gaucks auf eine zweite Amtszeit dafür die allerbeste Gelegenheit. Einen eigenen SPD-Kandidaten oder eine Kandidatin zu präsentieren, hinter dem sich andere versammeln können. Das war seinerzeit schon der Coup mit Gauck, als es gelang, mit einem überzeugenden Kandidaten Gauck die FDP, damals Koalitionspartner Merkels, aus der Koalitionsraison herauszuziehen.

Dabei müsste sich die SPD gar nicht auf ein rot-rot-grünes Signal versteifen, wie es heute Morgen beinahe flehend Sahra Wagenknecht von der Linken im Deutschlandfunk gefordert hat. Es ginge zunächst einmal um eine Persönlichkeit, die man als SPD präsentiert und hinter der sich möglicherweise nicht nur die Grünen und/oder die Linken versammeln könnten, sondern etwa auch die FDP.

Die Große Koalition ist nicht mehr gut fürs Land
 

Denn die SPD muss ein beinahe existenzielles Interesse daran haben, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass sie sich mit ihrem Schicksal als Juniorpartner der Union abgefunden hat. Was spräche dagegen, den eigenen Mann Frank-Walter Steinmeier zu pushen, der über Parteigrenzen beliebt ist und sich als Kanzlerkandidat (die andere Verwendung, für die er in Frage käme) ziemlich definitiv aus dem Rennen genommen hat? Oder eine andere Person, nicht aus den eigenen Reihen, die eine Sogwirkung entfalten könnte?

Gabriel hatte seinerzeit im Kandidaten Gauck die Chance erkannt, Merkels Koaltion zu knacken und FDP-Chef Philipp Rösler auf seine Seite zu ziehen. Diesmal könnte er selbst- und machtbewusst selbst in der Präsidentenfrage aus der Koalition ausscheren.

Warum diesmal nicht, wo der Zeitpunkt, anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl, so ideal ist? Unionsfraktionschef Volker Kauder hat doch recht: Diese Große Koalition ist demokratisch nicht mehr gut fürs Land. Und jedes Signal ist gut, dass darauf hinweist, dass die Zeit der Großen Koalition zu Ende geht.

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