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BER-Blamage - Es ist noch schlimmer als gedacht

Der Flughafen Berlin-Brandenburg wird endgültig zur Blamage. Erneut wurde die Eröffnung verschoben. Und das Chaos auf der Baustelle ist noch großer als befürchtet. Wie geht es jetzt weiter?

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Kurpjuweit, Klaus

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Es ist noch schlimmer als gedacht. Auf der Flughafen-Baustelle in Schönefeld ist nach Tagesspiegel-Informationen der Überblick vollkommen verloren gegangen. Seit dem Verschieben des für den 3. Juni 2012 geplanten Eröffnungstermins am 8. Mai hat es demnach keine Fortschritte gegeben. Die Folge: Auch der Oktober-Termin kann nicht gehalten werden. Wann das erste Flugzeug abheben wird, ist wieder völlig unklar.

Woran hapert es?

Vor allem an der Brandschutzanlage, die bisher nicht genehmigungsfähig ist. Die beteiligten Firmen, Bosch und Siemens, beteuern, ihre jeweiligen Komponenten funktionierten. Bosch ist für die Brandmeldeanlage zuständig, die ein Feuer registriert und weitermeldet, Siemens für die Steuerung der Klappen in den Entrauchungsanlagen.

Noch seien nicht alle Anlagen installiert, weil die „finalen Pläne“ fehlten, sagte Bosch-Sprecher Christian Hoenicke. Was nicht funktioniere, sei die vollautomatische Steuerung der Anlage, bei der alle Komponenten ineinandergreifen müssen, heißt es bei der Flughafengesellschaft. Rund 300 Szenarien müssen beherrscht werden, nachgewiesen durch Tests, die bisher nicht erfolgreich waren.

Wie konnte es so weit kommen?

Diese Frage kann derzeit wohl niemand beantworten. Die Anlage ist hochkomplex und wohl eine der größten der Welt. Dass trotzdem eine technische Lösung möglich ist, zeigen Beispiele wie die neuen Terminals in München und Frankfurt am Main. In Schönefeld ist die Planung schiefgegangen, begonnen mit der Pleite eines für die Technische Gebäudeausstattung zuständigen Unternehmens Anfang 2010. Pläne mussten neu erstellt und wieder geändert werden, weil die Vorgaben neu gesetzt wurden. Wer wen wie dabei kontrolliert hat, ist kaum nachzuvollziehen. Im Mai sahen Flughafenchef Rainer Schwarz und der Aufsichtsrat unter dem Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) die Schuldigen bei der Planungsgemeinschaft BBI, zu der sich die Architekturbüros gmp und ISK zusammengeschlossen hatten, sowie bei dem für den Bau zuständigen Flughafen-Geschäftsführer Manfred Körtgen. Die Architekten wurden fristlos gefeuert und verklagt, auch Körtgen musste das Unternehmen verlassen.

Wurde danach alles besser?

Nein, geben Insider in der Flughafengesellschaft zu, die nicht genannt werden wollen. Im August freute man sich, mit Horst Amann vom Flughafen Frankfurt am Main einen Fachmann gefunden zu haben, der die Baustelle auf Kurs bringt. Schnell galt er als Heilsbringer. Doch seither habe es auf der Baustelle kaum Fortschritte gegeben, heißt es nun, denn auch Amann hat sich von Planern getrennt, die tief im Projekt steckten – dieses Mal in der Flughafengesellschaft selbst. Wegen seines schwierigen Umgangsstils haben nach Tagesspiegel-Informationen weitere Mitarbeiter gekündigt. So ist keine Kontinuität in die Planung gekommen.

Sind Umbauten erforderlich?

Auch hierzu gibt es widersprüchliche Angaben. Zuletzt hieß es, einige Bereiche im Terminal müssten von einer geschossübergreifenden Entrauchung auf eine nach Etagen getrennte umgestellt werden. Dann heißt es wieder, darauf könne verzichtet werden. „Hier wird jeden Tag anders gelogen“, sagt ein Mitarbeiter resigniert. Fest steht, dass Kabelschächte, durch die zu viele Leitungen gezogen wurden und die sich zum Teil auch gegenseitig stören, neu belegt werden müssen. Wie hoch der Aufwand sein wird, lässt sich noch nicht sagen. Bei der „Risikovorsorge für sonstige Mehrkosten und Mindereinnahmen“ hatte die Flughafengesellschaft im vergangenen September 322 Millionen Euro angesetzt. Ein Großteil von 250 Millionen Euro ist bereits durch Nachforderungen von Baufirmen verbraucht.

Seite 2: Gibt es weitere Mängel?

Gibt es weitere Mängel?

Ja. Zu sehen sind unter anderem Risse in den Fußbodenplatten. Nach Angaben der Flughafengesellschaft sind sie nicht auf Einsparungen beim Material zurückzuführen. Vielmehr würden die Fliesen durch die schweren Baufahrzeuge beschädigt, die noch unterwegs sind. Zuvor waren die Fliesen durch Abdeckungen geschützt. Bei der Frage, warum diese entfernt und nicht erneuert worden sind, zuckte man bei der Flughafengesellschaft mit den Schultern. Auch das interne Funksystem, das fast alle Anlagen steuert, funktioniert noch nicht komplett. Gerüchte, im Terminal sei teilweise Wasser eingedrungen, eine Startbahn sei unterspült und der Tower der Flugsicherung habe sich geneigt, erwiesen sich dagegen als haltlos.

Was kostet die neue Terminverschiebung?

Bisher gibt die Flughafengesellschaft die Mehrkosten mit etwa 15 Millionen Euro im Monat an. Insgesamt sind bereits Zusatzkosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro entstanden, so dass das Budget derzeit bei 4,3 Milliarden Euro steht. Beim Baustart 2006 wollte man den Flughafen für zwei Milliarden Euro bauen können.

Wer bringt die Mehrkosten auf?

Am Ende wohl der Steuerzahler. Der Flughafen kann kaum noch Kredite aufnehmen, weil ihn dann die Zinslast erdrücken würde – falls Banken überhaupt noch bereit wären, Geld in dieses Pleiteprojekt zu stecken. Bereits Ende des vergangenen Jahres hatten deshalb die drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund zusammen die zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro übernommen. Auf welche Projekte deshalb verzichtet werden muss, kann man nicht sagen.

Was kommt auf Tegel zu?

Viel. Der Flughafen hat die Kapazitätsgrenze praktisch erreicht – und Fluggesellschaften wie Air Berlin und die Lufthansa planen weitere Flüge, die einst für den BER-Flughafen in Schönefeld konzipiert waren. Anwohner wie Rolf-Roland Bley, der Mitglied der Lärmschutzkommission ist, fordern, dass wenigstens die Flüge von Germanwings, die im vergangenen Jahr von Schönefeld nach Tegel verlagert worden waren, wieder zurück nach Schönefeld gehen. Zudem müsse die generelle Landeerlaubnis für verspätete Flugzeuge nach 23 Uhr aufgehoben werden. Die Verkehrsverwaltung hat die Grenze für pauschal genehmigte Landungen bereits von 24 Uhr auf 23.30 Uhr vorverlegt. Man müsse aber auch den Flugbetrieb gewährleisten, dämpfte Sprecherin Daniela Augenstein die Hoffnung auf weitere Nachtflugeinschränkungen.

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