- Das Problem liegt bei den Herkunftsländern
Wer grapscht und klaut, fliegt? Die Regierung will nach den Kölner Sexattacken das Aufenthaltsgesetz verschärfen. Doch so schnell geht das nicht, trotz aller Eile. Da sind die Regeln der Genfer Flüchtlingskonventionen – und die Herkunftsstaaten vieler Täter
Es sagt sich so leicht, die Täter von Köln zügig abzuschieben. Jetzt sollen Gesetze strenger denn je werden. Doch damit lässt sich die größte Schwierigkeit nicht ändern: Viele Staaten, aus denen die Täter stammen, verweigern die Rücknahme. Algerien ist so ein Land.
Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei führen Algerier und Marokkaner die Liste der identifizierten Tatverdächtigen an. Überhaupt sind es danach Algerier, die in den letzten Jahren besonders auffällig waren etwa bei Diebstählen mit vorheriger Körperberührung der Opfer.
„Wie erklären Sie sich das Verhalten dieser überwiegend jungen Algerier?“ Das wurde Algeriens Ministerpräsident Sellal am Dienstag auf der Pressekonferenz im Kanzleramt bei seinem Antrittsbesuch in Berlin gefragt. Dem vornehm wirkenden hochgewachsenen Mann ist die Frage sichtbar unangenehm. Er kennt ja die Zustände bei sich daheim, war selbst einst Jugendminister und ist als wichtigster Mann des Ewig-Präsidenten Bouteflika immer wieder massiv unter Beschuss im eigenen Land.
Nordafrikaner werfen ihre Pässe weg
Horrende Jugendarbeitslosigkeit in Höhe von 30 Prozent treibt die Chancenlosen scharenweise nordwärts, und das besonders seit den Jahren des arabischen Frühlings, aus dem in Algerien weder Blüten, geschweige denn Früchte hervorgingen. Ein deutscher Pflichtverteidiger eines festgenommenen Nordafrikaners nennt diese algerischen Flüchtlinge „moderne Nomaden“, die sich dem Treck nach Europa anschlössen.
Ministerpräsident Sellal weiß das, er ist auch über die berichteten Vorfälle aus Köln informiert. Doch seine Antwort ist ein einziges Rumgerudere. Er versichert, dass Algerien ein solches Verhalten wie das der Täter auf Kölns Domplatte für inakzeptabel halte. Umgehend aber schränkt Sellal ein, dass noch nicht nachgewiesen sei, ob es tatsächlich Algerier waren. Und was die Rücknahme angehe, sei dieser Nachweis die Hauptvoraussetzung, wiederholt er mehrfach.
Das beschreibt das eigentliche Problem. Denn wer seinem eigenen Land den Rücken kehrt, will dorthin nicht wiederkehren. Wird von der Heimatregierung dazu der Staatsbürgerschaftsnachweis verlangt, gleicht das für Geflohene einem Aufruf zur Passvernichtung. Genau das machen offenbar etliche Nordafrikaner – sie werfen ihre Pässe weg. Denn die helfen ihnen in Deutschland nicht weiter.
Algerien gilt als Stabilitätsanker in der Region
Bundeskanzlerin Merkel hat das neben ihrem algerischen Kollegen klargemacht: „Die Anerkennungsquote von algerischen Flüchtlingen, die in Deutschland ankommen, liegt in einem sehr kleinen Prozentbereich. Deshalb ist hier in vielen Fällen die Frage der Rückführung auf der Tagesordnung.“ Und ihren Gast hat sie gemahnt: „Wir haben mit Algerien seit langer Zeit ein Rückführungsabkommen. Aber es geht ja auch immer darum, das in geeigneter Weise operativ zu machen.“
Soll heißen: Algerien muss sich auch an die Absprachen halten. Schon 1997 ist bilateral ein Rücknahmeabkommen verhandelt worden, das rechtlich seit zehn Jahren in Kraft ist. Es funktioniert aber schlecht. Algerien weigert sich, Ersatzpapiere auszustellen. Das sei der eigentliche Grund, diese Asylbewerber wieder wegzubekommen, klagt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Deutschland hat kein Sanktionsmittel, es kann keinen Druck machen auf Algier. Deshalb ziehen sich die Verhandlungen seit Jahren hin. Die ganze EU hat dieses Problem mit etlichen nordafrikanischen Ländern. Die CSU erwägt nun, Algerien und Marokko als sichere Drittstaaten einzustufen. Es spricht wenig dagegen, diesen Vorschlag nicht umzusetzen.
Deutschland ist allerdings auf Algerien angewiesen. Es sieht im größten Land Afrikas einen Stabilisator nicht nur für den Maghreb. Berlin setzt auf die Mitarbeit Algeriens, das zwischen Libyen und Mali liegt und die beiden stark wankenden Nachbarn zumindest so weit stützt, dass sie nicht gänzlich stürzen und weitere Millionen Flüchtlinge verursachen.
Verurteilte Ausländer schneller abschieben
Damit Täter, wie die Algerier aus Köln, leichter ausgewiesen werden können, will die Bundesregierung nun das Aufenthaltsgesetz ändern. Bisher wäre das Strafmaß für Delikte wie Handy-Diebstahl oder auch unsittliches Berühren zu gering, um Ausländer auszuweisen. SPD und Union haben sich nun darauf geeinigt, diese Hürden massiv zu senken.
Nicht nur wegen Mord und körperlicher Gewalt, sondern auch wegen sexueller Übergriffe, Diebstahl und Widerstand gegen Polizisten sollen Verurteilte künftig abgeschoben werden. Es reicht bereits eine Haftstrafe auf Bewährung. Nur: Es muss ein rechtskräftiges Urteil vorliegen – das gilt nach wie vor. Denn das verlangen die Genfer Flüchtlingskonventionen.
Wie schnell auch immer die Bundesregierung nun das Aufenthaltsgesetz verschärft: Bis ausländische Täter – wie die Algerier aus Köln – nicht nur ausgewiesen, sondern auch tatsächlich abgeschoben werden können, wird es noch Monate dauern.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.