- „Vielleicht mögen die Italiener Clowns”
Ein bisschen Chaos: Der deutsch-italienische Kabarettist Heinrich Del Core über Wahlen, Clowns und Wasserschäden
Der Kabarettist Heinrich Del Core hat eine deutsche Mutter und einen italienischen Vater. In seinen Programmen setzt er sich mit diesem vermeintlichen Gegensatz auseinander. Er lebt im Schwäbischen, wo wir ihn anrufen.
Es klingelt. Eine Frau meldet sich auf Schwäbisch:
Del Core?
Hallo, Cicero Online hier.
(Frauenstimme) Ja, ich muss mal gucken. Wir haben ein bisschen Chaos gehabt mit einem Wasserschaden. Wir müssen viel telefonieren jetzt.
Ok.
(Frauenstimme) Er hat aber schon gewusst, dass Sie anrufen?
Schritte. Im Hintergrund ist jetzt Heinrich del Core zu hören: „Ja, Sie können dann einfach vorbeikommen …“
Hallo Herr del Core, können Sie mich hören?
(Heinrich Del Core) Moment. Ja, jetzt, sorry. Wir haben gerade ein bisschen Chaos hier.
Hoffentlich nicht zu schlimm?
Nein, nein. Wir haben einen Wasserschaden gehabt. Hinter der Badewanne ist so ein Leitungsrohr kaputtgegangen. Das war undicht. Und dann ist überall Wasser ausgelaufen. Im Wohnzimmer tropfte es von der Decke. Sogar aus den Lichtschaltern lief Wasser. Wir mussten alles rausreißen. Die Badewanne! Jetzt sind die Handwerker da. Aber jetzt habe ich Zeit für Sie.
Wunderbar! Los geht’s: Sie sind Deutsch-Italiener. Geht es in Ihrer Familie immer harmonisch zu?
Überhaupt nicht. Da wird viel rumgeschrien. Man könnte auch sagen: Es wird laut diskutiert. Die Italiener haben da ja auch eine Art begleitende Gebärdensprache.
Wenn Italien und Deutschland einer Familie angehörten, dann wären sie …
… Geschwister. Wobei Italien der große Bruder wäre.
Dirk Schümer schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Italien ist ein Paradies, das von Teufeln bewohnt wird.“
Nicht bewohnt – regiert.
Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Parlamentswahl?
Manchmal wissen die Italiener einfach nicht, was sie wählen sollen. Berlusconi und Grillo, die sind wie zwei Clowns. Wie Don Camillo und Peppone. Vielleicht mögen die Italiener einfach Clowns.
Ein Vergleich, der Peer Steinbrück gerade viel Ärger einbringt. Fest steht: Mit Berlusconi und Grillo haben zwei Populisten mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen bekommen. Grillo hat vor kurzem vorgeschlagen, das italienische Parlament von Al-Kaida bombardieren zu lassen; Berlusconi wollte im Falle eines Wahlsieges die Immobiliensteuer aus eigener Tasche zurückzahlen.
Ich lache mich tot. Vorher gibt er das Geld für Bunga-Bunga-Partys aus.
Braucht ein Land, das solche Politiker hat, noch Kabarettisten?
Klar! Man kann ja auch Kabarett über Kabarett machen. Dann kann man auch Kabarett über Berlusconi machen.
Wann ist das Sehnsuchtsland der Deutschen zum Angstland geworden?
Mit der Eurokrise. Eigentlich lieben die Deutschen Italien. Dieses Flair! Diese Mentalität! Denken Sie daran, wie die in den 60er-Jahren alle mit ihren Käfern über den Gotthard gefahren sind nach Bibione und Rimini!
Woher rührte diese Faszination?
Das italienische Leben, das war eigentlich Chaos – aber trotzdem waren alle zufrieden. Ich glaube, die Deutschen haben in Italien Urlaub gemacht, um Chaos zu schauen. Strand, Verkehr, Politik und so weiter. In Italien herrscht immer Chaos. Nach dem Motto: „Morgen fangen wir an – vielleicht.“ Aber irgendwie funktioniert es.
Die Märkte haben „geschockt“ auf das Wahlergebnis reagiert. Jetzt ist allenthalben von Neuwahlen die Rede. Ist das die neue Strategie – einfach so lange wählen, bis die Märkte zufrieden sind?
Ich hoffe nicht! Das Volk hat gewählt. Außerdem haben Berlusconi und Bersani Muffensausen, dass Grillo bei Neuwahlen noch zulegt. Der könnte das. Auf den Wahlkampfveranstaltungen ist der aufgetreten wie ein Kabarettist oder Comedian, hat seine Nummer aufgesagt. Da fahren die Leute drauf ab.
Sehen Sie in Deutschland einen Satiriker, der in die Politik gehen könnte?
Georg Schramm! Der würde in die Politik passen! Den würde ich mir sogar wünschen.
Reizende Aussichten! Herr Del Core, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Heinrich Del Core ist mit verschiedenen Programmen vor allem auf süddeutschen Bühnen zu sehen; im Sommer wird er auch in Berlin auftreten.
Das Gespräch führte Christophe Braun.
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