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Duda wird neuer Präsident in Polen - Ein Warnsignal für Warschau - nicht für den Westen

Abkehr von Europa? Neue Eiszeit mit Berlin? Zurück zum chauvinistischen polnischen Nationalismus? Die für viele überraschende Wahl von Andrzej Duda zum neuen polnischen Präsidenten wirft manche kritische Fragen auf

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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Eine Fahrt durch Polen: neue Autobahn, neue Infrastruktur überall, und dann die Skyline von Warschau. Immer mehr Wolkenkratzer bestimmen das Stadtbild schon von weitem, weitere sind im Bau, in der Vorstadt moderne Wohnsiedlungen, Einkaufscenter, Autohäuser der besseren Marken, Audi, Porsche, Mercedes. Kaum ein Land hat seit seinem EU-Beitritt so viel von der Förderung durch die Europäische Union profitiert wie Polen, die Wirtschaft ist seit 2007 um 33 Prozent gewachsen. Wo, so fragt sich der Besucher, der Polen seit den grauen, bedrückend ärmlichen Zeiten des Kommunismus kennt, in denen Pferdefuhrwerke auf den Feldern das Bild prägten, wo ist eigentlich das Problem?

Das Problem liegt auf dem Land
 

Das Problem liegt nicht in den großen Städten, das Problem liegt in den nach wie vor unterentwickelten Landstrichen, je östlicher und südlicher, desto deutlicher. Dort ist die Arbeitslosigkeit hoch, vor allem bei der jungen Generation, der Einfluss der radikal-konservativen katholischen Kirche groß. Dort hat ihr scheinbar natürlicher Bündnispartner, die PIS, die Partei „Recht und Gerechtigkeit“, ihre Basis. Dort lassen sich dumpfe, anti-europäische, nationalistische Gefühle am leichtesten mobilisieren.

Aber damit ist die Wahl von Andrzej Duda noch nicht erklärt. Er ist zwar ein Ziehkind des PSI-Vorsitzenden, des früheren Premierministers und Deutschland-Hassers Jaroslaw Kaczynski, mit dessen bei einem Flugzeugunglück umgekommenen Präsidentenbruder Lech es zu einer Eiszeit mit der Bundesregierung in Berlin gekommen war. Duda ist mit seinen 43 Jahren und seiner jugendlichen Erscheinung der Vertreter einer neuen Generation. Seine Wahl gilt auch als Signal für den Wunsch nach einem Generationenwechsel in der politischen Klasse Polens, die noch stark vom Freiheitsgedanken der Solidarnosc-Zeit zehrt. Das zieht bei der jungen Generation nicht mehr, die in einem freien Polen aufgewachsen ist.

Im ersten Wahlgang hatte ausgerechnet der Rocksänger Pawel Kukiz wie aus dem Nichts rund 20 Prozent der Stimmen geholt – Proteststimmen von jungen Leuten, die jetzt in der Stichwahl offenbar bei Duda landeten. Nicht bei dem für das als verbraucht geltende Lager der regierenden PO, der rechtsliberalen „Bürgerplattform“, deren Aushängeschild der bisherige Präsident Bronislaw Komorowski war. Viele junge Leute fühlen sich trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht mitgenommen, die Löhne sind weiterhin niedrig. Die „Gazeta Wyborcza“, Polens führende Tageszeitung, sprach denn auch von einer „Generationsrevolte“.

Duda gewinnt mit sozialen Themen
 

Duda, seit einem Jahr Mitglied des europäischen Parlaments, hatte zwar auch mit europakritischen Tönen im Wahlkampf zu punkten versucht, aber vor allem auf soziale Themen gesetzt. Wie etwa die Rücknahme der Erhöhung des Pensionsalters auf 67 Jahre oder Änderungen im Steuersystem und viele andere, kaum finanzierbaren soziale Wohltaten. Der deutsche Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok, warf ihm deshalb im Berliner Tagesspiegel vor, dies seien Forderungen, „wie sie zum Konzept von Populisten gehören“.

Trotz des überraschenden Duda-Wahlsieges steht allerdings auch fest: Es hat in Polen keinen Erdrutsch gegeben. Dafür liegen die Wahlergebnisse - 51,5 Prozent für Duda, 48,5 für Komorowski - viel zu nah beieinander. Polen ist in zwei Lager gespalten, die sich jedoch keineswegs klar definieren lassen. Es kann durchaus sein, dass jetzt diese Lager in Bewegung geraten und neue Parteienbündnisse entstehen – knapp fünf Monate vor den Parlamentswahlen im Oktober, bei denen dann tatsächlich entschieden wird, welche Richtung die stärkste Volkswirtschaft Osteuropas nehmen wird.

Ein ernstes Warnsignal für die Warschauer Regierung – das ist der Schluss, zu dem nicht nur Polens Außenminister Grzegorz Schetnya zu Recht gekommen ist. Vermutlich wird der PIS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski gegen die amtierenden PO-Premierministerin Ewa Kopacz antreten – derselbe Kaczynski, der mit seinem ultranationalen, antieuropäischen Kurs schon einmal als Regierungschef gescheitert ist.

Nato-Kurs und Westorientierung
 

Ob die Bevölkerung einen solchen Kurs diesmal mitgehen würde, ist fraglich – zu einem Zeitpunkt, an dem in Polen vor allem die Angst vor den Machtgelüsten des Nachbarn Russland überdeutlich ist. Eine Konfrontation oder gar eine Abkoppelung von Europa könnte da nur kontraproduktiv sein. Polen kann sich eine Isolation nicht leisten – und einen Flirt mit Russland schon gar nicht, wie Ungarns Regierungschef Viktor Orban es versucht. Wladimir Putin hat zwar brav zum Wahlsieg gratuliert, aber Polens wichtigstes Ziel ist und bleibt: Mehr Nato, mehr westliche Militärpräsenz. Das wird sich auch unter Präsident Duda nicht ändern.

Ob Andrzej Duda sich ausreichend vom nationalistischen Kurs seines Ziehvaters Kaczynski emanzipiert, muss sich zeigen. Das Präsidentenamt hat zwar größeren Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik als in Deutschland, ist in seinem Kern aber ebenfalls vor allem repräsentativer Natur. Er wolle, so hat Duda erst einmal erklärt, Präsident aller Polen sein und seinen PIS-Austritt angekündigt.

Wie geht nochmal die polnische Nationalhymne? Klar doch: „Noch ist Polen nicht verloren“. Und wie geht es danach weiter? „Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben. Das, was fremde Übermacht uns raubte, werden wir mit dem Schwert wiedergewinnen“.

Das wird zwar in Polen stets mit großer Inbrunst gesungen. Aber was den künftigen Europa-Kurs angeht, ist nichts entschieden. Ohne die feste Einbindung in die Europäische Union und die Nato jedenfalls ist das polnische Schwert ziemlich stumpf.

Der Autor Werner Sonne war von 1984-1986 ARD-Korrespondent in Polen

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