- Die OSZE wird vorgeführt
Kolumne: Leicht gesagt. Im Donbass werden die schweren Waffen von der Front abgezogen - zumindest sagen das pro-russische Separatisten und Regierung in Kiew. Aber können wir ihnen glauben? Zur Lage in der Ukraine fehlen unabhängige Informationen. Denn den Waffenstillstand überwacht eine Organisation, die das gar nicht kann
Vor einem Jahr wurden die ersten OSZE-Beobachter in die Ukraine entsandt. Es war der Weckruf einer Truppe, die weitgehend in Vergessenheit geraten war. Die aus 57 Staaten bestehende OSZE war das einzige Scharnier, welches es noch zu Moskau gab. Die Ukraine ist dort ebenso Mitglied wie Russland.
Vor einem Monat wurde in Minsk beschlossen, dass sowohl Ukrainer wie auch die pro-russischen Separatisten ihre Waffen aus dem Frontstreifen im Donbass abziehen sollen – unter Aufsicht der OSZE.
Vor einer Woche sollte der komplette Streifen befreit sein von schweren Geschützen. Für Artillerie-Geschütze mit Munition vom Kaliber 100 Millimeter und größer gilt eine Zone von 50 Kilometern. Für Artillerie-Geschütze mit größerer Reichweite und Raketensysteme soll der Abstand entsprechend ihrer Reichweite 70 beziehungsweise 140 Kilometer betragen. Dieses Ziel von Minsk ist vermutlich nicht erreicht worden – auch wenn nun selbst der ukrainische Präsident Poroschenko optimistisch klingt.
Die OSZE-Beobachter konnten bislang nur erkennen, dass sich Konvois vom Frontgürtel weg bewegen. Aber sie können selbst auf Drohnenbildern nicht sehen, was die grünen Lastwagen geladen haben und wohin sie ihre Fracht bringen. Sie sind auch nicht befugt gewesen, wirklich zu patrouillieren. Sie haben nicht die Macht, Konvois anzuhalten und auf Pritschen von Lkw zu schauen. Das ist bislang nur möglich, wenn die jeweiligen Separatisten oder ukrainischen Regierungstruppen damit einverstanden sind.
Das soll sich nun ändern, wie Außenminister Steinmeier verkündet hat: Russland habe zugesichert, dass sich die internationalen Beobachter in der Ostukraine künftig frei bewegen könnten. Es gebe „die Zusicherung jedenfalls von russischer Seite, dass der OSZE uneingeschränkter Zugang gewährt werden soll“, sagte Steinmeier zum Abschluss des EU-Außenministertreffens am Samstag in Riga.
„Wir sehen nicht alles. Was wir sehen, berichten wir.“
Steinmeier bezog sich dabei auf Gespräche hoher Beamter am Freitag in Berlin. Dort haben die stellvertretenden Außenminister der Ukraine und Russlands vereinbart, den OSZE-Beobachtern mehr entgegen zu kommen und die Mission aufzustocken: von bisher 450 auf 1000 Beobachter. Auch Bundeskanzlerin Merkel habe von Russlands Präsidenten Putin telefonisch diese Zusagen bekommen.
Noch allerdings bestimmen die Kriegsparteien, was die OSZE zu sehen bekommt, und was nicht. Die OSZE muss solche Inspektionen terminlich vereinbaren. Die Separatisten wollen erstmals jene Waffen zeigen, die sie angeblich von der Front abziehen.
Als am Samstag das ZDF einen OSZE-Konvoi ins Kernland der Separatisten begleitet, wird sonnenklar, dass die Beobachter regelrecht vorgeführt werden. Sie haben keine Befugnis zu Befragungen. Auch danach nicht, ob und inwieweit russische Soldaten in der Ukraine kämpfen. Der Kommandeur der US-Heerestruppen in Europa, General Hodges, hat diese Woche in Berlin gesagt, Russland unterstütze die Separatisten mit 12.000 Soldaten.
Die OSZE-Beobachter berichten allerdings nicht von russischer Kampfeshilfe. Das hieße aber nicht, „dass dieser Sachverhalt nicht existieren könnte“, sagt der Vizechef der OSZE-Beobachtermission Alexander Hug dem ZDF. „Wir sehen nicht alles. Was wir sehen, berichten wir."
Die Ukraine stellt – obwohl OSZE-Mitglied – als zu beobachtendes Land keine Beobachter. OSZE-Mitglied Russland hingegen wohl – eine Unwucht, die der für Außenpolitik zuständige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Franz-Josef Jung für problematisch hält: Die „entsprechenden Informationsstränge“ müssten so laufen, dass „eine gewisse Neutralität gewahrt ist.“
Doch trotz personeller und materieller Aufstockung der OSZE-Beobachtermission halten Kenner sehr viel Geduld für notwendig. Wolfgang Ischinger, der vormalige OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine sagt selbst, man könne von dieser Beobachtermission „keine Wunder erwarten“.
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