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Fabian Maerz

Gayle Tufts über die Grünen - „Weibliche Energie ist stärker als Atomkraft”

Was denkt eine Amerikanerin über den deutschen Umweltfimmel? Die Comedy-Entertainerin Gayle Tufts verrät im Cicero-Online-Interview, wie sie das Recyclen lernte und warum sie die Grünen schätzt. Außerdem erzählt sie ihren Lieblingswitz über die Deutschen

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

So erreichen Sie Petra Sorge:

Frau Tufts, Sie wohnen seit 22 Jahren in Deutschland. Wann wurden Sie das erste Mal gemaßregelt, weil Sie den Müll falsch getrennt haben?
Das war gleich der erste Morgen während meines ersten Besuchs in Deutschland 1985. Ein Freund, der mir – gastfreundlich, wie ihr seid – seine Wohnung überlassen hatte, bat mich, die Katze zu füttern, die Pflanzen zu gießen und den Müll richtig zu trennen. Und ich war ein bisschen baff: „What? How?“ Ich fand das damals fast ein bisschen pingelig.

Und wie das Leben so spielt: Vor zwei Wochen war ich in den Staaten und wirklich entsetzt: ein Sandwich, wrapped in plastic, in Styropor, und außen drum noch eine Plastiktüte. Ich bin wirklich Deutsch geworden über die Jahre.

Sie trennen jetzt nicht nur richtig, Sie sind auch Migrantin, haben sich mit einer Gemüsediät die Pfunde abgehungert, jahrelang im Radio Multikulti gewitzelt, pflegen eine Vorliebe für Hasen und züchten Geranien auf Ihrem Balkon: Sieht so nicht der perfekte Grünen-Anhänger aus?
Aber voll, das würde ich auch denken. Nach 25 Jahren habe ich mal den Wahl-o-mat gemacht, obwohl ich gar nicht wählen kann, weil ich immer noch Amerikanerin bin. Ich dachte, ich bin unbedingt grün, so als alte Demokratin aus Massachusetts, dem Bundesland, aus dem Kennedy kam. Aber nichts da: Ich war so links, I make Rosa Luxemburg look like Sarah Palin.

Sie haben vor der Bundestagswahl 2009 Renate Künast mit einem Auftritt auf der Wahlkampfbühne unterstützt. Warum?
Für mich ist Politik immer auch etwas Zwischenmenschliches, schließlich geht das Wort „polis“ auf den griechischen Stadtstaat, also einem Verbund von Menschen, zurück. Ich gehe regelmäßig zum Wochenmarkt. Ich liebe das: „Support your local farmers.“ Und immer, wenn ich da bin, ist auch Frau Künast da. Ich fand sie immer eine sehr bodenständige und knackige Politikerin. Und dann hat sie mich einfach gefragt.

Künast musste zwei Niederlagen hintereinander einstecken - erst bei der Berlin-Wahl 2011 und dann bei der grünen Urwahl. Wie haben Sie sie aufgemuntert?
Nicht jede Show, die ich mache, ist ein Hit. Aber man macht tapfer weiter. Und auch sie macht tapfer weiter. Sie ist eine Kämpferin.

Haben Sie von anderen Parteien bislang Anfragen für Wahlkampfhilfe bekommen?
Ich habe auch etwas für Wowereit gemacht. Aber die anderen kommen nicht in Frage.

Die haben Sie auch nicht gefragt?
Nein, nicht mal die US-Botschafter haben gefragt, weil sie wissen, dass ich politisch anderer Meinung bin.

Sie treten für zwei Parteien auf, Hannelore Kraft blödelt für die ZDF-„heute-show“. Geht denn Politik nicht mehr ohne Humor?
Humor ist sehr wichtig und damit erreicht man viele Menschen. Sehen Sie, in den Staaten war Sonia Sotomayor, die erste lateinamerikanische Richterin des Supreme Courts, gerade in der „Daily Show“ von Jon Stuart, eine der witzigsten Politshows der USA, das Vorbild der ZDF-”heute-show”. Das war brillant! Sie hat viel Humor und joie de vivre. Doch auch ich verstehe den deutschen Humor nicht immer. Es gibt hier eine Tradition mit den ganzen Karnevaldingen, die ich nie verstehen werde.

Sie finden Karneval nicht lustig?
Das ist ein sehr regionales Ding, sehr traditionell. Das ist etwas, das ich gucke und denke: Hää? Aber ich finde es gut, dass die Politik aufs Korn genommen wird, das ist auch in Amerika eine große Tradition.

Seite 2: Sollte Stefan Raab das TV-Duell moderieren?

Aber sollte jemand wie Stefan Raab das TV-Duell moderieren? Es geht um den wichtigsten Schlagabtausch im Bundestagswahlkampf.
Die Übergänge zwischen Entertainment und Politik sind heute sehr fließend, nicht nur in den Medien. Raab ist ein hervorragender Fernsehmacher. Im besten Falle kann das grandios werden, im schlimmsten Fall total peinlich. Man sollte ihn nicht unterschätzen und von der WOK-WM auf das TV-Duell schließen. Das ist zu einfach. Wenn er es ernst nimmt, wäre das sicher nicht der leichteste Job.

Laut einer Forsa-Umfrage für den Cicero (Märzausgabe) sehen 74 Prozent der Grünen-Anhänger eine Koalition mit der Union positiv. Schwarz-Grün, von außen betrachtet: Wie sehen Sie das?
Wirklich von ganz außen betrachtet – ich bin ja keine Kabarettistin – als Amerikanerin kann ich sagen: Kompromissbereitschaft ist nötig. Bevor gar nichts passiert, versuchen wir doch miteinander zu reden! Das, was auf der Kongressebene in den USA los ist, dieser Haushaltsstreit, die totale Blockade um jeden Preis zwischen den Demokraten und den Republikanern, das ist doch eine Schande. Wenn es Gemeinsamkeiten gibt und am Ende eine grüne Handschrift erkennbar ist, ist das gut.

Wie sehr regt es Sie auf, dass Obama so wenig für den Klimaschutz tut?
In den USA ist das überhaupt kein Thema. Momentan geht es nur um das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Das ist doch ganz klar ein rolling back the Umweltschutz. Wie wird dieses Wirtschaftsabkommen sein? Wie betrifft das die Umwelt?

Die Grünen haben sich dazu ja bereits zu Wort gemeldet. Die EU-Parlamentarierin Ska Keller warnte, die Deutschen wollten keine Gentechnik im Essen. Können Sie nachvollziehen, warum die Deutschen so ticken?
Ich habe gerade mit Universitätsstudenten in einem Privatcollege in den USA gesprochen. Die sind jung, 19 Jahre, und völlig ahnungslos: Hitler und Holocaust kommen da gar nicht vor, von der Berliner Mauer haben sie nie gehört. Aber sie kennen von Deutschland andere Dinge: Recycling, Windtechnik, solar energy. Nachhaltigkeit. Deutschland sollte klipp und klar - und das ist auch der Job der Grünen - sagen: Nein, wir wollen keine Gentechnik. Punkt. Die westliche Welt erwartet auch, dass Deutschland da ein bisschen streng ist.

Aber in den USA gibt es etwas Grünes, was es in Deutschland kaum gibt: Spargel. Darüber haben Sie mal einen ganzen Sketch kreiert.
Ja, als ich das erste Mal weißen Spargel gesehen habe, habe ich gedacht: Was ist das denn? Wir haben megagroße gentechnische grüne Spargelstangen, das ganze Jahr durch. Ein Supermarkt in den USA ist manchmal extrem surreal. Alles sieht technocolor bunt aus. Man sieht einen Apfel und denkt, das ist der Hollywood-Apfel, perfekt zu jeder Jahreszeit. Und er schmeckt nach nichts.

Wo wir gerade beim Essen sind: Tofuschnitte oder Double Whopper?
Die Tofuschnitte hat kein Pferdefleisch, die kann man derzeit höchst empfehlen.

Litschi-Bionade oder Vanilla Coke?
Ach, muss es Litschi sein? Die ist irgendwie die unbeliebte unter den Bionaden, die schmeckt ein bisschen suspekt. Ich würde sagen, ein sehr leckeres Wasser.

Seite 3: Was Tufts an den Deutschen nervt

Gibt es auch etwas, das Sie ein bisschen nervt an den Deutschen?
Klar! Davon hängt doch meine ganze Karriere ab. Es gibt in jedem Klischee einen Kern Wahrheit. Aber am besten versuchen wir einen harmonischen Umgang, denn die Welt ist ein gefährlicher und manchmal ein very scary place.

Was ist Ihr running gag über die Deutschen?
Well, ich sage immer: Frag einen Amerikaner: Wie geht es, how are you doing? Und die werden immer sagen: „Great, phantastic, fine.“ Und die Deutschen sagen immer: „Tja. Muss.“ Ein völlig anderes Temperament. Wenn wir irgendwie die Spontaneität und diesen Optimismus von den Amerikanern mit deutschem Pragmatismus, deutscher Nachdenklichkeit und Fürsorglichkeit paaren könnten, kämen wir vielleicht einen Schritt weiter.

In Ihrer Show „Some like it Heiß“, die gerade auf CD erschienen ist, erklären Sie die Wechseljahre. Was macht das mit einer Frau?
Ich nenne das immer eine Pubertät mit Vernunft. Genau dann, wenn man es nicht gebrauchen kann, kommen die wechseling jahre. Auf Englisch sagen wir: the change of life. Ich versuche das optimistisch zu sehen. Es wird sowieso schon alles immer so negativ gesehen.

Die Grünen sind wohl die Partei mit den meisten Frauen, dank der Quote, und wenn man auf das Eintrittsdatum vieler Mitglieder sieht, so siebziger, achtziger Jahre...
...die sind schon jetzt dran, meinen Sie? Es wird einen Hormonschock geben.

Was macht so etwas mit einer Partei wie den Grünen?
Man kann plötzlich Grenzen setzen und sagen: Bis hierher und nicht weiter! Ein bisschen von dieser weiblichen Energie und Klarheit - die ist stärker als jede Atomkraft.

Atomkraft! Ob das die Grünen gerne hören... Könnte denn 2013 auch in der Bundespolitik ein Wechseljahr werden?
Kann gut sein. Ich würde sagen: Hang on, Deutschland, es wird abenteuerlich.

Frau Tufts, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Petra Sorge.

Die aktuelle CD “Some like it Heiß” erschien am 11. Februar 2013 bei WortArt. Darauf zu hören sind Live-Mitschnitte des gleichnamigen Programms von Gayle Tufts mit Monologen und Originalsongs. Begleitet wird die amerikanische Berlinerin von Marian Lux. ISBN 978-3-8371-2118-6, 14,99€.

Tour-Termine:

22.2 Rastatt, 23.2. Tübingen, 10.3. Dresden, 23.3. Schloss Holte-Stukenbrock, 24.3. Kiel, 26.3. Kiel, 18.4. Zürich, 19.4. Zürich, 20.4. Zürich, 26.4. Wien, 27.4. Wien, 19.5. Weimar, 13.6. Köln, 21.6. Düsseldorf, 22.6. Düsseldorf, 29.6. Höchst

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