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Eine Kreuzung zwischen Stachelbeere und schwarze Johannisbeere Foto: E. Morell/dpa

Genuss mal anders - Vom Strauch ins Glas

Unser Genusskolumnist freut sich derzeit über die vielen reifen Beeren in seinem Garten. Und ärgert sich über die vielen gnadenlos überzuckerten Produkte, die angeboten werden. Seine selbstgemachte schwarze Johannisbeermarmelade hält er für konkurrenzlos.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Wohl dem, der einen Garten hat. Oder wenigstens einen kennt, der einen hat. Fallen beide Optionen aus, bleibt noch die Suche in entsprechenden Wald- und Feldrandgebieten. Denn jetzt ist Beerenzeit. Himbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, schwarze und rote Johannisbeeren – alles ist derzeit größtenteils erntereif und teilweise sogar schon überreif.

Doch was macht man mit diesem Schatz der Natur, der viel zu schade ist, um ihn unbeachtet verfaulen zu lassen? Und sind wir genetisch nicht noch immer ein bisschen Jäger und Sammler, obwohl man alles bequem im Supermarkt kaufen kann? Das ist zumindest zu hoffen, denn es geht nichts über den Genuss frisch geernteter und vor allem unbehandelter Beeren. Die kleinen Früchte sind unglaublich vielseitig: Man kann Kuchen mit ihnen belegen, sie zu Marmelade, Gelee, Kompott, Kaltschalen, Quark- oder Joghurtspeisen verarbeiten oder sie einfach naschen. Man kann sie auch zu Sirup einkochen oder zur Aromatisierung von Essig verwenden.

Viel zu viel Zucker

Bei all diesen Verarbeitungsmethoden sind Zucker oder auch Süßstoff im Spiel. Wogegen – in Maßen und präzise eingesetzt – nichts einzuwenden ist. Zucker ist nicht nur ein Faktor für die Haltbarmachung und den Gelierprozess, sondern in vielen Fällen auch eine unverzichtbare geschmackliche Ergänzung, etwa bei Stachelbeeren oder schwarzen Johannisbeeren. Aber müssen es wirklich diese abnormen Mengen sein, die den Eigengeschmack des Ausgangsprodukts in industriell gefertigten Beerenkonserven und Backwaren bestenfalls noch erahnen lassen? Ist das wirklich vor allem das Werk einer raffgierigen Zuckermafia, die uns alle von dem süßen Stoff anhängig machen will, wie das die eingefleischten Zucker-Hasser verbreiten?

Der „süße Zahn“ als kulturelle Prägung

Differenzierung steht ja derzeit bei vielen Debatten leider nicht besonders hoch im Kurs, und das nicht erst seit Corona. Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl bemüht sich auf Cicero-Anfrage um Versachlichung. Das menschliche Geschmacksempfinden sei durch zwei Faktoren „zwar nicht determiniert, aber doch stark konditioniert“. Auf der einen Seite von der „natürlichen Natur“ (Gene), auf der anderen Seite von des Menschen zweiter Natur, der Kultur.

Von der Seite der Natur her, scheint der Mensch eine Veranlagung zu süßen und fettigen Speisen zu haben, die man nicht so einfach ausschalten kann. Auf Seiten der Kultur, die immer eine Vorgeschichte, eine „Tradition“ hat, in der man steht, ist auch den heutigen Menschen noch „der süße Zahn“ in die ernährungskulturelle Wiege gelegt. Lange Zeit war alles, war alles Süße „im eher spröden Alltagsleben der Menschen eine willkommene und – weil auch seltene – hochwillkommene Abwechslung“.

Ernährungssoziologe plädiert für Geschmacksschulungen

Kofahl nennt es „eine trainierte Geschmackspräferenz, die noch heute von Großmutters Marmeladengläsern zum Frühstücksbrot der Enkel von Generation zu Generation gern weitergegeben wird“. Und die Lebensmittelindustrie habe sich an dieses Geschmacksmuster einfach angeschlossen. Der sei es auch egal, womit sie ihr Geld verdiene, aber zuckerreduzierte Produkte werden halt nur sehr wenige gekauft.

Der Soziologe plädiert für beharrliche „Geschmacksschulungen, die den Essenden beibringen, auf mehr zu achten als auf den supersüßen (oder superfettigen) schnellen Kick“. Und dazu gehört vor allem, dass man den Grundgeschmack der verarbeiteten Beeren überhaupt kennt und nicht nur als marginale Aromanuance in einer Zuckerbombe.

Marmelade statt Gelee

Schreiten wir zur Tat. Meine neulich frisch geernteten schwarzen Johannisbeeren habe ich vorsichtig abgespült und entstielt, damit sie nicht platzen und nur wenig Saft austritt. Dann erst mal eine Handvoll pur gegessen. Tolles Aroma, aber deutliche Bitternoten und recht säuerlich. Die Kunst ist also, das Eigenaroma bei der Verbreitung zu erhalten und durch Zucker lediglich abzurunden. Das gelingt am besten, wenn man sich für Marmelade statt für Gelee entscheidet, weil bei der dafür notwendigen Versaftung viele typische Aromen verlorengehen.

Die Zubereitung ist simpel. Die Beeren stampfen oder leicht pürieren, aber so, dass die Masse noch etwas stückig bleibt. In einen Topf geben, die laut Gebrauchsanweisung kleinstmögliche Menge Gelierzucker 1:3 einrühren, kurz aufkochen und unter ständigem Rühren einige Minuten weiter köcheln lassen. Man kann die Zuckermenge sogar noch weiter reduzieren, indem man stattdessen etwas Agar-Agar verwendet. Anschließend bis zum Rand in heiß ausgespülte Gläser füllen, gut verschließen und langsam erkalten lassen. Und schon hat man einen kleinen Vorrat von einem beerigen, nicht zu süßen Marmeladentraum.

Ein Vergleichstest mit einem gängigen Industrieprodukt dürfte übrigens sehr erhellend sein.

 

Johannisbeermarmelade

Zutaten

500 g frische, entstielte schwarze Johannisbeeren

150 g Gelierzucker 3:1

alternativ: 100 g Gelierzucker und 1 Esslöffel Agar-Agar

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Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 17. Juli 2021 - 13:21

deshalb kritisch abgewogener Artikel.
Dazu das schöne Bild.
Wer der Natur so zugetan ist und vielleicht mögen Sie, Herr Balcerowiak, auch das Lieblingsgedicht meiner Mutter, "Mondnacht" von Joseph von Eichendorff?
Jedenfalls, könnte es sein, dass wir uns in diesem Jahr schon in einer Art Frühherbst befinden, "Im Nebel ruhet nooch dieie Welt...", wodurch ich mir auch ein bisschen die Menge des Regens erkläre.
Allerdings wissen wir das erst, wenn der Hochsommer ausfiele.
Was aber könnte sein?
Nun, dass Zucker Fruchtbitter und Fruchtsäure verdaulicher, bekömmlicher macht für uns.
Aus im Prinzip veganen Lebens"mitteln" baut sich der Körper sein Fett selbst und bedürfte entsprechend weniger schon vorgefertigter Fettzufuhr, vor allem tierischer?
Es könnte ein Problem werden, wenn man dem Körper Beides nimmt.
Ich verstehe, wenn die Kubaner wegen fehlendem Zucker -> irgendwann einmal Rum?, auf die Strasse gehen oder habe ich das falsch gelesen?
Unsere Kühe bekommen auch Runkelrüben...

Bernd Muhlack | Sa., 17. Juli 2021 - 14:37

Natürlich meine Oma Miechen!

Sie kochte damals Unmengen Marmelade - und dann diese karierten kleinen Tüchlein auffem Deckel.
Für die Beschriftung war Opa Jupp zuständig;
er hatte eine sehr schöne Handschrift.

Das mit Abstand Schrillste was Oma aus Beeren, Früchten usw. zauberte war ihr Rumtopf!
Angesetzt wurde dieser in mehreren Steinguttöpfen und wie bei der Champagnerherstellung immer ein bisschen Drehen und Wenden;
(gerührt, nicht geschüttelt!)
Mein lieber Scholli - der war heftig!
Ich durfte ihn damals nur verdünnt genießen.

Übrigens gibt es auch GOLD-Bären und natürlich den Stoiberschen Problem-Schad-Bären!
https://www.youtube.com/watch?v=l0CW9Bi3LsI

Außerdem gibt es etwa den "Transrapid" und die "ludernde Glot - äh, äh ... lodernde Glut äh"

Dr. Edmund Stoiber ist absoluter Kult -
a must-have!???
Und dazu ein Schälchen Rumtopf à l´Oma Miechen!

Schönes Wochenende allerseits!

gabriele bondzio | Sa., 17. Juli 2021 - 19:20

Antwort auf von Bernd Muhlack

Oh ja!!! Beim Verkosten bei Freunden, hat mein verst. Mann die Beeren unterschätzt (war sein Einstand)und so einen in der Krone, dass ich ihn kaum heimdirigieren konnte.
Abgesehen davon, koche ich wie ihr Oma Miechen, sehr viel Marmelade.
Sehr willkommen auch als Geschenk in Verwandtschaft, Freundschaft und Bekanntschaft.
Eben wie Herr Balcerowiak sagt, pure Natur! Und was im Garten wächst, wird verarbeitet, Himbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, schwarze und rote Johannisbeeren, zu Marmelade, Gelee, Kompott, Saft.
Der Busch schwarze Johannisbeeren ist aber noch zu klein, die werden gleich weggenascht.
Meine Hündin beteiligt sich auch am pflücken, aber nur in den eignen Magen.

Karla Vetter | Sa., 17. Juli 2021 - 18:37

mache ich es schon seit längerer Zeit. Allerdings mit einer Abweichung :Ich mische rote und schwarze Johannisbeeren. Das war anfangs der Not gehorchend. Jetzt ist es ein beliebtes Produkt aus meiner Küche. Der schwarze Johannisbeerstrauch gab nicht mehr viel her. Ein Gläschen hebe ich immer auf, für eine Fonduesoße in der kalten Jahreszeit.(Sahne, leicht geschlagen, Meerrettich und besagter Inhalt des Gläschens).Ich esse es für das Fischfondue, meine Familie (die Fleischesser),lieben diese Soße und noch viele Andere, auch.

Rob Schuberth | Sa., 17. Juli 2021 - 19:33

Haben neulich dem Schornsteinfeger eine kl. Schüssel voll mitgegeben. Er war vollkommen platt so etwas schönes u. natürliches (ungespritz) essen zu dürfen.
Reine Vitaminbomben und sehr lecker.
Uns so easy zu vermehren.

Auch gut sind die dornenlosen Brombeeren.

Ingofrank | Sa., 17. Juli 2021 - 21:20

Ja, das ist schon ein Genuss ,wenn die Marmelade aus Früchten, die aus dem eigenen Garten kommen, hergestellt wird. Unsere Familie steht total auf Mehrfrucht Marmelade. Früchte quer durch den Garten. Gestern wurde gepflückt und gekocht. Jockelbeeren, schwarze gelbe rote Johannisbeeren, Süß & Sauerkirschen, Stachelbeeren und einige Erdbeeren waren auch noch da. Super Farbe und super Aroma. Uns hat es heute zu frischen Brötchen & Kaffee gut geschmeckt.
Ich habe 15 kg selbst angebaute Gurken als Salz, Dill, Knoblauch Gurken zeitgleich eingelegt. Leider muß ich noch 4 Wochen bis zum kosten warten.
Und morgen freue ich mich, mit meinen beiden Enkelkindern die ersten Frühkartoffeln zu ernten.
Die gib’s dann zum Sonntagsbraten.

Mit vielen Grüßen aus der Erfurter Republik

Kurt Kuhn | So., 18. Juli 2021 - 13:48

Ich habe mal gelesen, dass die Selbstbefruchtung bis zu einem gewissen Grad schon in der noch geschlossenen Blüte stattfindet. Überprüfen kann ich das allerdings nicht. Es gibt aber jedes Jahr etwas zum Ernten, egal wie das Wetter zur Zeit der Blüte war.
Die Büsche kann man auch in Kübeln auf dem Balkon ziehen. Man muss sie regelmäßig auslichten und den Neuaustrieb anregen.

Johannisbeeren werden leider viel zu oft vorzeitig geerntet, die Rot- bzw. Schwarzfärbung der Beeren bedeutet noch lange nicht, dass sie schon reif sind. Urlaubsbedingt haben wir sie dies Jahr erst Mitte Juli geerntet, sie waren satt reif und meine „Chefin“ zaubert allerlei, auch lange haltbare, Delikatessen daraus. Viele landen auf dem Frühstücksteller und einige im Rumtopf!
Schöne Grüße!