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SPD-Ministerin Bilkay Öney - Politik macht langweilig

Als Bilkay Öney in Baden-Württemberg als SPD-Integrationsministerin anfing, brachte sie viele gegen sich auf. Nach drei Jahren kennt sie die Gesetze der Branche. Ob das gut ist?

Autoreninfo

Georg Löwisch war bis 2015 Textchef bei Cicero. Am liebsten schreibt er Reportagen und Porträts. Zu Cicero kam er von der taz, wo er das Wochenendmagazin sonntaz gründete. Dort kehrte er im Herbst 2015 als Chefredakteur zurück.

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Die Politikerin Bilkay Öney steht zwischen den Welten, notorisch, wild, von klein auf. Sie war das Mädchen, das in Berlin-Spandau von einer anderen Einwanderertochter verpetzt wurde, weil es mit Jungs rumhing. Sie war die Journalistin im Berliner Büro des türkischen Fernsehens, die der Chef „die Deutsche“ nannte. Sie saß für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und lief zur SPD über.

2008 – noch als Grüne – forderte sie, man müsse Roland Koch zuhören, obwohl der gerade eine Ausländerkampagne fuhr; ihre Partei distanzierte sich. 2011 traf sie Recep Tayyip Erdogan, obwohl ihre Eltern, linke Kemalisten, dessen Politik verachten. Bilkay Öney, Integrationsministerin von Baden-Württemberg, schwimmt zwischen den Strömungen. Das ist das Besondere an ihr. Das ist ihr Problem.

Sonntagnachmittag, Akademie der Künste am Brandenburger Tor. Die SPD inszeniert sich auf einer Konferenz. Sieben Stuhlreihen mit Ministern, Bürgermeistern, Senatoren und Abgeordneten, denen Sigmar Gabriel den Sonntagnachmittag abzwackt. Öney kommt spät, in Reihe drei winkt sie jemand auf einen freien Platz: Raed Saleh, SPD-Chef im Berliner Abgeordnetenhaus, er stammt aus dem Westjordanland. Eine blonde Frau guckt zu den beiden rüber. Noch mal. Öney beugt sich zu Saleh. „Kommt dir das auch so vor, dass die uns anschaut, als kämen wir vom Mars?“ Öney wendet sich der Frau zu. „Wo kommen Sie eigentlich her?“ Schock. „Sachsen-Anhalt. Und Sie?“ Öney: „Früher Berlin, jetzt Baden-Württemberg.“

„Burkinis finde ich Quatsch“
 

2011, Grün-Rot hatte die Wahl im Südwesten gewonnen, suchte SPD-Chef Nils Schmid eine Integrationsministerin. Er stieß auf Öney. Diplom-Kauffrau, Ex-Journalistin. Unerschrocken, gut aussehend, nicht radikal. Sie zog nach Stuttgart, um das neue Ministerium mit knapp 60 Mitarbeitern aufzubauen.

In einem ihrer ersten Interviews erklärte Öney: „Die Türken gucken fünfmal mehr Fernsehen als die Deutschen.“ Grüne und Migrantenverbände tobten. „Burkinis finde ich Quatsch“, sagte sie ein paar Interviews später.

Die CDU, eigentlich noch in der Mappus-Malaise, merkte auf. Bernhard Lasotta, ein Arzt aus Bad Wimpfen, war gerade integrationspolitischer Sprecher der Landtags-CDU geworden. Fortan röntgte er Öneys Äußerungen auf Skandalpotenzial.

Redete sie türkisch, ließ er übersetzen. Einmal sprach sie im Zusammenhang mit dem NSU von „tiefem Staat“, ein Begriff, der in der Türkei Verbindungen von Justiz, Politik, Geheimdiensten und organisierter Kriminalität beschreibt. Das über Deutschland! Lasotta platzierte den ersten Treffer. Dem CDU-Mann ist ihre unausrechenbare Politik unverständlich. Früher war sie – selbst keine Muslimin – strikt für das Kopftuchverbot an Schulen und Kitas. Später erklärte sie, man müsse noch mal darüber nachdenken. Lasotta sagt: „Ich kann nie einschätzen, wo sie steht.“

Eine, die zwischen den Strömungen schwimmt, wird immer wieder untergespült. In Stuttgart hielt Winfried Kretschmann sie oben. Der Ministerpräsident hat sich selbst ein Leben lang dem Mainstream widersetzt: Maoisten, Fundigrünen, den Wichtigtuern von Berlin. Als die CDU im Sommer 2013 beantragte, Öney zu entlassen, stützte er sie. Lasotta warf ihr vor, in einem türkischen Internetportal der CDU Rassismus unterstellt zu haben. Kretschmann tadelte sie im Landtag, lobte aber ihre unverstellte Sprache. Öney liefen Tränen übers Gesicht. Ihre zwei besten Freunde hat sie immer noch in Berlin. Die eine ist Putzfrau, sie stammt aus dem Kaukasus. Der andere heißt Ilhami, ein schwuler Friseur.

Politik kann langweilig machen - und trotzdem happy
 

In der Landtags-SPD bleibt sie ein Fremdkörper. „Die sagen: He he, was hat sie jetzt wieder angestellt“, analysiert ein einflussreiches Parteimitglied. Kein Politgeruch, kein Sozigeruch und dann auch noch frech. Die SPD, die sich endlich erweitern müsste, irritiert die Erweiterung. Öney sagt: „Ich fühle mich frei. Ich bin so lange dabei, wie ich kann. Und wenn nicht mehr, ist auch gut.“

Sie arbeitet. Sie hat den Gesinnungstest für Einwanderer abgeschafft. Sie hat die Sargpflicht gelockert, sodass Muslime ihre Toten im Tuch bestatten können. Sie zeigt Einwanderern, dass die Demokratie kein Klub der Urdeutschen ist. Aber ihre Sprache ist anders geworden. Sie kontrolliert sich: „Das unverfänglichste Zeug kann einem um die Ohren fliegen.“ Zum Doppelpass gab sie neulich ein Deutschlandfunk-Interview. „Wiedererlangung“, „Amtsermittlungsgrundsatz“, „Hinnahme der Mehrstaatlichkeit“. Sie klang blechern wie ein Politautomat, ein vollintegrierter.

Lasotta kann zufrieden sein. Er bilanziert: „Sie findet nicht mehr statt.“ Am 27. März um 21.47 Uhr war sie plötzlich wieder da. Sie twitterte: „Als ich nach BaWü kam, war ich 40, sah aber aus wie 28. Jetzt bin ich 43 und sehe aus wie 43. Politik kann Falten, fett u. langweilig machen, trotzdem happy.“

Ilhami, der schwule Friseur, hat mal zu ihr gesagt: „Bilkay, du bist Ministerin, da gibt’s Konkurrenz wie bei uns.“ Wie bei den Friseuren. Aber dort ist ein eigener Stil alles, in der Politik nicht.

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