- Medienwelle zu stark für Schavan
In der aktuellen Mediendebatte zur Causa Schavan wird bereits der Vergleich zu Karl-Theodor zu Guttenberg und Christian Wulff gezogen. Aktuelle Zahlen, die das Medien-Forschungs-Institut Media Tenor vorlegen, zeigen, dass die Luft für die Ministerin immer dünner wird
Die Medien-Wellen zur Debatte um Annette Schavan schaukeln sich auf Höhen, die an zu Guttenberg und Wulff erinnern. Rein gemessen an der Intensität der Berichterstattung hat die Bundesministerin keine Chance mehr, die Agenda selber zu bestimmen – doch genau das wäre notwendig, um den Schaden für die eigene Person, das Ministerium, die Kanzlerin und die CDU zu begrenzen.
Aus der angewandten Agenda Setting Theorie wissen wir, dass jedes Thema, dem die Medien mehr als 1.5% der Gesamtberichterstattung einräumen, nicht nur die Debatten in den Kantinen bestimmen, sondern Menschen in ihrem Verhalten beeinflussen können. Ein Blick auf die aktuellen Werte zeigt, dass Schavan schon jetzt, zwei Tage nach Bekanntgabe des Entscheids der Universität in Düsseldorf, die kritische Marke von 1.5% deutlich überstiegen hat: mit knapp 4% liegt sie zu Beginn der Auseinandersetzung auf vergleichbarem Level wie ihr früherer Kollege zu Guttenberg.
Als Bundespräsident Wulff vor einem Jahr glaubte, dem Mediendruck widerstehen zu können, drehten die deutschen Redaktionen noch stärker auf und boten dem Niedersachsen selten gesehene 7% ihrer Aufmerksamkeit. Erst dann sah er ein, dass ein Medien-Tsunami vergleichbare Wirkung entfalten kann wie das rasende Meer. Auch da ist es verantwortungslos, am Strand stehen zu bleiben oder sich in seiner Hängematte umdrehen zu wollen, damit der Wind einem nicht mehr ins Gesicht bläst.
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Wer Medien-Wirkung allein auf die Intensität der
Berichterstattung reduziert, greift allerdings zu kurz. Daher lohnt
auch der Blick auf die Stimmung: hier zeigen sich für Schaven
ebenfalls keine Zeichen, die ihr Hoffnung geben könnten, der Sturm
könne sich bald legen. Mit einem Negativ-Saldo von 80% steht die
Vertraute der Bundeskanzlerin noch schlechter da als Wulff in
seinen schlimmsten Phasen:
Nun könnte eingewandt werden, dass diese schlechte Bewertungen in den Medien nicht das erste Mal für Schavan zu beobachten sind – im Frühjahr 2012 waren die Werte vergleichbar. Allerdings: Vor 12 Monaten geschah dies nahezu unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Annette Schavan und ihr Ministerium zählten von Beginn der Legislaturperiode an zu den Häusern, über die in den deutschen Meinungsführer-Medien am seltensten berichtet wurde. Im Vergleich mit den anderen Kabinetts-Mitgliedern lag Schavan immer im unteren Drittel. Da wirken sich negative Schlagzeilen nicht so nachhaltig aus, wie jetzt im Februar 2013, wo nicht nur die Bundesministerin auf jeder Titelseite lesen muß, was die Redakteure in Deutschland über sie denken.
Hier zieht der Vergleich zum Bundespräsidenten a.D.: Dieser hatte nach seiner vielbeachteten Rede zum Tag der Deutschen Einheit am 3.10.2010 kaum noch von den Medien beachtete inhaltliche Erfolge erzielt. Ehe der Sturm um Flugreisen, Bobbycar und Co. losbrach, hatte Wulff nahezu 18 Monate sein Vertrauenskonto bei den Medien nicht mehr bedient. Das war zu wenig, um gegen die Medienwelle bestehen zu können. Ein Insistieren auf Formalia führte wie immer zum weiteren Anstieg der Berichterstattung mit entsprechendem Schaden für ihn, das Amt und seine Partei.
Ist das ein Naturgesetz? Margot Käßmann hat vor Jahren gezeigt, was in solchen Situationen zu tun ist, um weiter Subjekt des Verfahrens zu bleiben und nicht zum Objekt zu verkommen: Sie brach jedem Agenda Setting die Spitze, in dem sie ihren Fehler nicht nur eingestand, sondern sofort Konsequenzen zog – was ihr dann aber nach einem Jahr alle Optionen des Handelns zurückgab.
Roland Schatz ist Global Media Expert der UN AOC http://www.theglobalexperts.org sowie Gründer und Chefredakteur des internationalen Medien-Forschungs-Institutes Media Tenor (www.medien-tenor.de)
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